Architektur der Spiegel
Die Installation ?Akustische Spiegel? demonstriert das Potential der Kombination aus digitalem Entwerfen und grossformatigem 3D-Druck für die Architektur. Die performative Form der Spiegel ist gezielt für einen r?umlichen akustischen Effekt ausgelegt und gleichzeitig strukturell optimiert, um Material besonders effektiv einzusetzen.
Das interdisziplin?re Projekt zwischen Physik und Architektur besteht aus zwei 2 Meter grossen monolithischen konkaven Spiegeln. Die Spiegel sind so konzipiert, dass sich damit zwei Personen über eine grosse Entfernung in Flüsterlautst?rke unterhalten k?nnen. Sie machen sich einen physikalischen Effekt zu Nutze, der in der historischen Architektur von Flüstergalerien zu finden ist.
Das organische und ornamentierte Design der Spiegel wurde durch eine eigens entwickelte Entwurfssoftware generiert und integriert dabei akustische, strukturelle und fertigungsspezifische Parameter. Ein optimales Verh?ltnis zwischen Gewicht und Festigkeit konnte durch das gezielte Verteilen des Materials entlang des Kraftflusses erreicht werden.
Mit Hilfe des 3D-Drucks k?nnen die daraus resultierenden komplexen Formen in einem vollautomatischen und ressourceneffizienten Fertigungsprozess, mit einer Genauigkeit von einem Bruchteil eines Millimeters, materialisiert werden.
Slideshow Design
Computergestützter Entwurf
Das Projekt ?Acoustic Mirrors? verwendet rechnergestütztes Design zur Formfindung. Die eigenentwickelte Software integriert Schnittstellen zu einem Programm zur Strukturoptimierung, wie auch zu einer akustischen Simulationssoftware.
Dieser Workflow erm?glicht eine Untersuchung und Bewertung mehrerer Designvarianten und integriert gleichzeitig unterschiedliche Designkriterien in den Prozess.
Darüber hinaus erm?glicht das für dieses Projekt entwickelte parametrische Konstruktionswerkzeug, sowohl das Design der Gesamtstruktur, als auch der vielen kleinen Details, innerhalb eines koh?renten Prozesses. Zudem bietet es schlussendlich den direkten Export der Fabrikationsdaten.
Die Gesamtform wird von einem Kugelsegment dominiert, welches Schallwellen reflektiert und fokussiert. Die Dimension und Position der sph?rischen Schale wird mit Hilfe einer akustischen Simulationssoftware berechnet, entwickelt von Dr. Kurt Heutschi am Signal and Information Processing Laboratory der ETH (ISI).
Die Software simuliert die Ausbreitung der reflektierten Schallwellen und wertet deren Schallverst?rkung auf der Empf?ngerseite aus.
Eines der Designziele war die geometrische Optimierung der Stützstruktur, welche die sph?rische Schale tr?gt, mit dem Ziel das Gesamtgewicht der Objekte zu reduzieren.
Dabei mussten die Materialeigenschaften des 3D-gedruckten Sandsteins berücksichtigt werden – mit ?hnlichen Eigenschaften wie Natursandstein ist das Material unter Druck st?rker belastbar als unter Biegung oder Zug. Die Struktur ist auf zwei Weisen optimiert: Die Topologie der Stützstruktur und die Topographie (Rippenstruktur) der Schale selbst.
Topologieoptimierung
Die Stützkonstruktion, die sich auf die gotische Steinarchitektur bezieht, ist für eine Materialreduktion von 30 Prozent, bei gleichzeitiger Minimierung der Verformung gegen vertikale und horizontale Kr?fte (z.B. Gravitation und Winddruck) optimiert.
Die angewandte Topologieoptimierung findet eine optimale Materialverteilung und topologische Anordnung der Stützstrukturen. Die hieraus resultierende Geometrie wird anschliessend interpretiert und in eine endgültige Form übersetzt
Topographie Optimierung
Die grosse sph?rische Form tr?gt einen erheblichen Teil zur Masse der Gesamtstruktur bei. Um diese Masse zu reduzieren und die Schale zu versteifen, wurde eine organische Mikrostruktur entworfen, die von den Hauptstützelementen abzweigt und die gesamte Rückseite mit Versteifungsrippen verziert. Mit Hilfe dieser Form-/Topographieoptimierung konnte die Dicke der sph?rischen Haube mit einem Durchmesser von 1,6 Meter von 50 auf 23 mm reduziert werden.
?hnlich wie bei gotischem Steinornament werden die Profile der hierarchischen Zweige entlang der Strukturen moduliert und die Ausrichtung und der Durchmesser entsprechend dem Lastfall angepasst. Die Steinrippen sind glatt und kontinuierlich miteinander verwoben. Diese filigranen Strukturen treten in unterschiedlichen Massst?ben, von 100 mm Dicke bis hinunter zu 5 mm, jeweils bis an die strukturelle Grenze des 3D-gedruckten Steinmaterials.
Alle Details für das Heben, Transportieren und Montieren konnten direkt in das 3D-Modell integriert werden, sodass nach dem 3D-Druck keine zus?tzliche Bearbeitung mehr erforderlich ist. Da die Spiegel horizontal 3D-gedruckt wurden, wurden Strukturen für das Anheben integriert die eine Drehung der 600 kg schweren Strukturen erm?glichen. Das Design ist so angepasst, dass der Schwerpunkt der Spiegel in eine optimale Position für Transport und Montage gebracht wurde. Die Verbindungen zum Boden sind integriert. Innerhalb der Schale wird der akustische Fokus angezeigt und auf der Basis sind Markierungen für die pr?zise Ausrichtung vor Ort eingefügt.
Die Fabrikationsdaten k?nnen direkt aus der Design-Software exportiert werden, ohne die Erstellung von 2D-Pl?nen oder eines zus?tzlichen Fabrikationsmodells.
Die komplexen Geometrien der Spiegel wurden zu einer einzigen geschlossenen Geometrie verschmolzen, die anschliessend in über 2700 Schichten geschnitten und an den Drucker gesendet wurden.
Digitale Fabrikation durch 3D-Druck – Additive Fertigung in der Architektur
Erstmals wurde mit Hilfe des 3D-Binder Jetting Verfahrens eine grossformatige Installation aus Kunstsandstein für den Aussenbereich realisiert. Die beiden Spiegel sind unter den gr?ssten Objekten, die mit dem Binder-Jetting Verfahren bisher hergestellt wurden. Im Vergleich zur der Herstellung der Objekte im Betonguss hat die direkte additive Fertigung entscheidende Vorteile.
- Schalungsfreie Fertigung: Der Prozess erfordert keinerlei Schalung, wodurch Ausschuss und Kosten im Fertigungsprozess reduziert werden.
- Materialeffizienz: Es muss kein Material zerspant werden und Material wird nur dort eingesetzt wo es ben?tigt wird. Ungenutztes Material kann aus dem Druckprozess recycelt werden.
- Massanfertigung: Der Einsatz von 3D-Druck im Baubereich verspricht die Herstellung kundenspezifischer Elemente ohne zus?tzliche Kosten zu generieren.
- Komplexe Geometrie: Mit Hilfe des 3D-Drucks k?nnen komplexe Geometrien, die sonst mehrere, zeit- und arbeitsintensive Fertigungsschritte erfordern würden, oder anderweitig gar nicht herstellbar w?ren, effizient realisiert werden.
Binderjet 3D-Druck
Der Binderjet 3D-Druck folgt einem Verfahren, das Schicht für Schicht mit zunehmender H?he wiederholt wird. Im ersten Schritt wird loser Sand gleichm??ig über das gesamte Druckbett verteilt. Im zweiten Schritt wird ein 2D-Muster aus Bindemittel aufgetragen, welches den Sand selektiv mit den darunter liegenden Schichten verbindet. An den Stellen auf denen kein Bindemittel gedruckt wird, bleibt der Sand lose. Verglichen mit den unterschiedlichen 3D-Druckverfahren, bietet der Binderjet 3D-Druck spezifische Vorteile für die Baubranche:
- Hohe Aufl?sung: Details k?nnen in einer Aufl?sung von einem Bruchteil eines Millimeters gedruckt werden.
- Grosse Abmessungen: Grosses Druckbett von bis zu 4 x 2 x 1 m
- H?chste geometrische Freiheit: Formen mit Auskragungen und Hohlr?umen sind herstellbar da der lose Sand als Unterstützung w?hrend des Druckprozesses dient.
- Schnelle Druckgeschwindigkeit: Durch die Verwendung von Industrie-Druckk?pfen ist die Fertigungszeit unabh?ngig von der Komplexit?t der Geometrie.
- Niedrige Kosten: Die Materialkosten sind im Vergleich zu anderen hochaufl?senden 3D-Druck-Verfahren deutlich niedriger.
Jeder der beiden akustischen Spiegeln konnte mit Hilfe des gr?ssten industriellen Binderjet 3D-Druckers, mit einem Druckbett von 4 x 2 x 1 m bei einer Schichth?he von 0,3 mm, in weniger als 48 Stunden gedruckt werden.
Funktionale Beschichtung
Da die Oberfl?che von 3D-gedrucktem Sandstein por?s und zerbrechlich ist, wurden für die Anwendung im Aussenbereich mehrere Beschichtungsstrategien evaluiert. Die ausgew?hlte Spritzversiegelung, eine dünne Schicht Polyesterharz, schützt die Struktur vor Witterungseinflüssen. Zudem haben Belastungstests gezeigt, dass die 3D-gedruckten Bauteile durch den entstandenen Verbundwerkstoff deutlich verst?rkt wurden. Als Abschluss erhalten die Objekte eine helle Farbschicht. Diese enthüllt alle Details und Ornamente der Installation und garantieren damit hohen Kontrast und Schattenspiel im Sonnenlicht.
Weitere Informationen über das Team der akustischen Spiegel finden Sie im Impressum.
Die Akustischen Spiegel in Zahlen
Entwurfszeit: 12 Wochen
Fabrikationszeit: 2 Tage Druckzeit, pro Spiegel
Dimensionen: 2.2 x 1.2 x 0.8 m
Gewicht: 600 kg
Volumen: 300 Liter Sand-Druck
Fabrikationsdatei: mehr als 5,5 Millionen Dreiecke
Korngr??e Sandpulver: 0.14 mm
Schichtst?rke (Aufl?sung Z-Richtung): 0.3 mm
Druckaufl?sung (Aufl?sung X-Y Richtung): 300 dpi