Wie du mir, so ich dir

Wer Waren bei Internet-Auktionsh?usern ersteigert, kauft oft die Katze im Sack. Einzige Anhaltspunkte, ob ein Verk?ufer vertrauensw¨¹rdig ist, liefern die Bewertungen anderer Nutzer. Bedingung f¨¹r den Erfolg von Auktionsh?usern ist daher, dass sich die Beteiligten die M¨¹he machen, solche Bewertungen ¨¹berhaupt abzugeben.

Forscher der Gruppe von Andreas Diekmann, Professor f¨¹r Soziologie, untersuchten ¨¹ber 350¡¯000 Handy- und DVD-Auktionen auf der deutschen Auktionsplattform Ebay. Unter anderem gingen sie der Frage nach, welche Mechanismen K?ufer und Verk?ufer in virtuellen M?rkten dazu bringen, sich gegenseitig zu bewerten. Eine der wichtigsten Theorien, die sie anhand ihres aussergew?hnlich grossen Datensatzes best?tigen konnten: Bewertungen bei Internetauktionen folgen sogenannten Reziprozit?tsnormen, sprich dem Prinzip ?wie du mir, so ich dir?. Das bedeutet, dass ein gutes Rating der einen Seite in der Regel durch ein gutes Rating der Gegenseite vergolten und schlechte Bewertungen durch ebenso schlechte Bewertungen bestraft werden ¨C wobei die guten Ratings bei weitem ¨¹berwiegen.

Kein rein ?konomisches Verhalten

Dieses Verhalten bei der Bewertung von Onlineauktionen folgt nicht strikt ?konomischen Regeln. Diese w¨¹rden voraussagen, dass die Bewerter stets nur den eigenen Nutzen ¨C also die eigene gute Bewertung ¨C im Auge haben und unn?tigen Aufwand ¨C also ?unn¨¹tze? Fremdbewertung ¨C scheuen. Die Daten der Forscher belegen jedoch, dass zahlreiche Menschen den Aufwand von R¨¹ckmeldungen auf sich nehmen, um gute Ratings zu belohnen und sich f¨¹r schlechte zu r?chen.

Die Analysen der Wissenschaftler ergaben, dass meistens rasch nachdem der erste Interaktionspartner seine Bewertung abgegeben hatte, der zweite folgte, obwohl dieser sein in der Regel gutes Rating ja bereits in der Tasche hatte und die Interaktionen zwischen K?ufer und Verk?ufer in der Regel einmalig sind. Nummer zwei h?tte demnach keinerlei Konsequenzen zu bef¨¹rchten und k?nnte sich daher aus ?konomischer Sicht das Rating sparen.

Schmier?l des Bewertungssystems

?Das Prinzip von ?wie du mir, so ich dir?, liegt offenbar in der Natur des Menschen?, sagt Diekmann. Er bezeichnet dieses reziproke Handeln als ?das Schmier?l von Bewertungssystemen?, das letztendlich erm?glicht, dass der Markt reibungslos funktioniert. Der Anteil der bewerteten Auktionen war denn auch auffallend hoch: Zwischen 80 und 90 Prozent der untersuchten Auktionen wurden mindestens einseitig bewertet.

Die Forscher fanden heraus, dass die Motivation, ¨¹berhaupt zu bewerten, durchaus unterschiedlich sein kann. Sie identifizierten einerseits klar eigenn¨¹tzige Motive, die darauf zielen, die eigene Reputation zu verbessern. Anderseits gab es auch uneigenn¨¹tzige Beweggr¨¹nde: Die bewertenden Personen wollten etwas zum Bewertungssystem beitragen, das letztlich allen n¨¹tzt. Auch strategische Motive spielten eine Rolle. Diese kommen beispielsweise dann zum Tragen, wenn ein Verk?ufer eine positive Bewertung abgibt, weil er erwartet, dass diese vom K?ufer durch eine ebenso gute vergolten wird. Oder wenn jemand kurz vor Ablauf der Frist f¨¹r die Bewertung noch eine schlechte Note vergibt ¨C in der Hoffnung, sie werde nicht erwidert. Letzteres betraf allerdings nur eine relativ kleine Gruppe.

Ein guter Ruf zahlt sich aus

Ausser mit den Mechanismen, wie die Bewertungen zustande kommen, setzten sich die ETH-Soziologen auch intensiv mit den Auswirkungen der Bewertungen auseinander. So konnten sie mit einem grossen Datensatz zeigen, dass es sich f¨¹r Verk?ufer tats?chlich lohnt, in ihren guten Ruf zu investieren: Diejenigen mit guten Bewertungen verkauften mehr Waren zu h?heren Preisen als schlechter bewertete mit identischer Ware.

Aufgrund der guten Datenlage konnten die Forscher sogar die Auswirkungen einer durch positive Bewertungen erworbenen Reputation auf den Preis angeben. Diese ?Reputationspr?mie? wirkt handkehrum als Anreiz f¨¹r den Verk?ufer, sich weiterhin kooperativ zu verhalten. ?Die Reputation ist ein wesentlicher Faktor, der den Markt am Laufen h?lt?, sagt Stefan Wehrli, Mitautor der Studie.

Schrauben am Beurteilungssystem

Seit Diekmann und seine Kollegen die Daten f¨¹r ihre Publikation im American Sociological Review erhoben haben, hat Ebay ¨C ohne Zusammenhang mit der vorliegenden Studie ¨C das Bewertungssystem angepasst. Heute bewerten sich K?ufer und Verk?ufer nicht mehr ganz gleichberechtigt: Vergibt ein K?ufer eine negative Bewertung, kann der Verk?ufer ihn seinerseits nicht mehr negativ bewerten. Das verhindert, dass Kunden aus Angst vor negativen Ratings zu positiv bewerten, hat aber laut den Forschern ansonsten keinen wesentlichen Einfluss auf die Bewertungsfreudigkeit der Ebay-Nutzer.

Diekmanns Team betreibt Grundlagenforschung und ¨¹berpr¨¹ft Theorien zu Vertrauen, Reziprozit?t und Reputation. Damit bereitet es den Boden, um Reputationssysteme, wie sie im Internet in verschiedensten Bereichen verwendet werden, in Zukunft noch vertrauensw¨¹rdiger zu machen. ?Dabei ist es wichtig, die technischen M?glichkeiten, die Regeln und die menschlichen Motive in Einklang zu bringen?, sagt Diekmann.