Heisse Nanopartikel für Krebs-Therapien
Nanopartikel besitzen ein grosses Potenzial in der Medizin: für die Diagnostik, als Wirkstoffvehikel oder als Werkzeug, um Tumorzellen mittels Hitze den Garaus zu machen. ETH-Forschende haben nun Partikel entwickelt, die einfach herzustellen und vielfältig einsetzbar sind.
Schliesst man die Hand um eine Taschenlampe, scheint die Hand rot zu leuchten. Das liegt daran, dass langwellige rote Lichtstrahlen besser durch menschliches Gewebe dringen als kurzwelliges blaues Licht. Diesen Umstand machen sich ETH-Forschende bei einer neuen Art von Nanopartikeln zunutze: Diese sogenannten plasmonischen Partikel absorbieren Licht im nahen Infrarot-Bereich und heizen sich dabei auf. So k?nnten sie beispielsweise Tumorgewebe durch Hitze abt?ten.
Für solche therapeutisch eingesetzten Nanopartikel ist Gold ein beliebtes Material. Es ist gut vertr?glich und ruft in der Regel keine unerwünschten Reaktionen hervor. In der für Nanopartikel typischen Kugelform hat Gold jedoch nicht die n?tigen Eigenschaften, um als plasmonischer Partikel zu funktionieren, der genug Licht im Infrarotbereich absorbiert, um sich aufzuheizen. Dazu muss es in eine spezielle Form gebracht werden, zum Beispiel in St?bchen- oder Schalenform. Dadurch nehmen die Goldatome eine Konfiguration ein, die Licht nahe des Infrarotbereichs absorbiert und W?rme erzeugt. Solche Nanost?bchen oder -schalen in ausreichender Menge herzustellen, ist aber aufwendig und teuer.
Aggregate statt St?bchen
Ein Forscherteam unter der Leitung von Sotiris Pratsinis, Professor für Partikeltechnologie am Institut für Verfahrenstechnik, hat nun einen Trick gefunden, plasmonische Goldteilchen in grosser Menge herzustellen. Sie nutzten ihr vorhandenes Know-how für plasmonische Partikel (siehe ETH Life Artikel: Nano-Silber für Therapie und Diagnostik) und stellten kugelf?rmige Goldpartikel her, welche die gewünschten nahe-Infrarot plasmonischen Eigenschaften besitzen: dazu liessen sie die Partikel aggregieren. Zuvor wurde jedes einzelne Teilchen mit einer Siliziumdioxid-Schicht überzogen, die als Platzhalter zwischen den einzelnen Kugeln im Aggregat dienten. Durch den genau bestimmten Abstand zwischen mehreren Goldpartikeln bringen die Forschenden die Teilchen in eine Konfiguration, die Infrarotlicht absorbiert und Hitze erzeugt.
?Die Siliziumdioxid-Hülle hat noch einen weiteren Vorteil?, erkl?rt Georgios Sotiriou, Erstautor der Studie, bis vor kurzem Postdoc bei Pratsinis und inzwischen Forscher an der Harvard Universit?t. ?Sie verhindert, dass sich die Teilchen beim Erw?rmen verformen.? Dies sei insbesondere bei Nanost?bchen ein Problem. Verlieren die St?bchen beim Erhitzen mit Infrarotlicht ihre Form, verlieren sie die spezifisch gewünschten plasmonischen Eigenschaften und k?nnen nicht mehr genug Licht im nahen Infrarotbereich absorbieren.
Die Forschenden testeten die neuen Partikel bereits an Brustkrebszellen in der Petrischale und konnten nachweisen, dass sich die Nanoteilchen nach Bestrahlung mit Infrarotlicht genug erw?rmten, um die Zellen abzut?ten. Dagegen überlebten Zellen in Kontrollversuchen: mit Partikeln, aber ohne Bestrahlung, sowie mit Bestrahlung, aber ohne Nanoteilchen.
Kombination mit grossem Potenzial
Um die Partikel gezielt zu Krebsgewebe lenken zu k?nnen, mischten die Forschenden zus?tzlich superparamagnetische Eisenoxid-Partikel unter die Goldteilchen. Dadurch lassen sich die Nanoaggregate durch Magnetfelder steuern und k?nnten so in einem Tumor angereichert werden. Ausserdem er?ffnet sich damit die M?glichkeit, die Aggregate in tiefliegenden Gewebeschichten, wohin auch Infrarotlicht nicht mehr vordringt, durch Magnet-Hyperthermie aufzuheizen. Dabei wird W?rme erzeugt, indem ein Magnetfeld, dessen Plus- und Minuspole in schnellem Rhythmus abwechseln.
?Bis die Partikel im Menschen zum Einsatz kommen, sind noch viele Fragen zu kl?ren?, sagt Jean-Christophe Leroux, Professor für Drug Formulation and Delivery am Institut für Pharmazeutische Wissenschaften und ebenfalls an der Forschungsarbeit beteiligt. Zwar seien Gold, Siliziumoxid und Eisenoxid gut vertr?glich, dennoch müsse untersucht werden, was mit den Partikelaggregaten im K?rper im Laufe der Zeit geschehe, ob sie sich beispielsweise in der Leber ansammelten oder zerfallen und ausgeschieden würden.
Die Eisenoxid-Gold-Nanopartikel k?nnen nicht nur Tumorzellen durch Hitze abt?ten, sie k?nnten auch als Kontrastmittel für bildgebende Verfahren in der Diagnostik per Magnetresonanztomographie genutzt werden, was in einer Kollaboration mit dem Universit?tsspital Zürich geprüft wird, oder sie k?nnten als Bestandteil von Wirkstoffvehikeln dienen. ?Man k?nnte die Teilchen mit temperatursensitiven Wirkstofftr?gern koppeln, die das gewünschte Medikament dann freisetzen, wenn eine bestimmte Temperatur überschritten wird?, erkl?rt Sotiriou. Die Nanopartikel k?nnten über Magnetfelder an den gewünschten Ort im K?rper, zum Beispiel zu einem erkrankten Organ, gelenkt und dort ein Medikament gezielt freisetzen. Dadurch liessen sich unerwünschte Nebenwirkungen auf den Rest des K?rpers reduzieren oder sogar vermeiden.
Literaturhinweis
Sotiriou GA, Starsich F, Dasargyri A, Wurnig MC, Krumeich F, Boss A, Leroux JC, Pratsinis SE: Photothermal Killing of Cancer Cells by the Controlled Plasmonic Coupling of Silica-Coated Au/Fe2O3 Nanoaggregates. Adv. Funct. Mater., January 13, 2014. DOI: externe Seite 10.1002/adfm.201303416