Der Drang des Entdeckens

Viele Mineralien, die den Arbeitstisch von Detlef G¨¹nthers B¨¹ro zieren, haben ihre eigene Geschichte. Den Bergkristall hat er oberhalb von V?ttis im Taminatal gefunden, der Kassiderit stammt aus Bolivien und die Tourmaline aus Brasilien sind Souvenirs an eine ganz besondere Reise, die ihn auch nach Mexiko f¨¹hrte. 2009 war er mit Doktoranden und Postdocs in der Naica-Mine, und was er dort im Untergrund zu sehen bekam, verschlug ihm die Sprache. Baumstammgrosse Gipskristalle von atemberaubender Sch?nheit t¨¹rmten sich vor ihm auf. Allerdings halte man es nicht lange in der H?hle aus, erz?hlt G¨¹nther, denn es herrschen Temperaturen um 60 Grad und eine Luftfeuchtigkeit von nahezu 100 Prozent. Der Mann ist viel gereist und hat viel zu erz?hlen.

G¨¹nther spricht von einem Tempel, den die ETH f¨¹r ihn als Chemiestudenten im Osten Deutschlands Mitte der 80er Jahre darstellte. Unerreichbar, eine Hochschule mit Tradition und grossem Renomee in der Chemie. Und doch sollte G¨¹nther schneller nach Z¨¹rich kommen, als er es sich h?tte jemals vorstellen k?nnen, wenn auch mit einem Umweg ¨¹ber Neufundland. 1994 verbrachte er als Postdoc ein Jahr an der Memorial University in St. Johns, einem ?wundersch?nen, kalten und sehr abgelegen Ort?. Ideal, um sich in die Arbeit reinzuknien. In Neufundland lernte er den Erdwissenschaftler und ETH-Professor Christoph Heinrich kennen. Heinrich, der an den Bildungsprozessen mineralischer Rohstoffe im Erdinnern interessiert war, machte G¨¹nther ein Angebot, nach Z¨¹rich zu kommen, um dort eine laserbasierte Methode f¨¹r die Mikroanalytik aufzubauen.

Aus zwei mach eins

In der Gruppe von Christoph Heinrich suchte Detlef G¨¹nther nach neuen M?glichkeiten, um die Analyse von Fl¨¹ssigkeitseinschl¨¹ssen in Quarzen zu verbessern. Er hatte dann auch eine Idee, wie man diesem Ziel n?herkommen k?nnte, wenn auch eine unkonventionelle. ?Ich schlug meinem Chef vor, eine Laser-Mikroskop-Kopplung zu entwickeln, f¨¹r die wir zwei Mikroskope zers?gen mussten und zu einem neuen zusammenbauten. So einen Vorschlag kann man wohl nur an der ETH machen?, sagt er. Mit dieser Maschine Marke Eigenbau gelang es ihm, mit einem Laserstrahl feinste L?cher in Quarze zu boren und damit erstmals die chemischen Elemente von Mikroeinschl¨¹ssen zu quantifizieren. Das Laser Ablation System wird heute weltweit zur Festk?rperanalyse eingesetzt.

Eine Aufbruchsstimmung habe geherrscht, erinnert sich G¨¹nther an diese Zeit Mitte der 90er Jahre, in der Postdocs, Doktoranden und Mechaniker im Departement Erdwissenschaften tage- und n?chtelang an der Instrument- und Methodenentwicklung gefeilt h?tten. ?berhaupt haben es ihm die Mechaniker der ETH angetan, die Professoren der Werkstatt, wie er sie nennt. Es fasziniere ihn immer wieder, wenn er in die Werkstatt gehe und so ein neues Teil in der Hand halte, das hier an der ETH gebaut worden sei, sagt er. Am Anfang stehe oft eine einfache Skizze des Forschers, und die Spezialisten in der Werkstatt schafften es immer wieder, einen Prototypen daraus zu entwickeln, der die Forschung wieder ein St¨¹ck weiter bringe.

Zur¨¹ck zur Chemie

Nach drei Jahren im Departement Erdwissenschaften zog es den analytischen Chemiker dann wieder in die Chemie, um eigene Instrumente und Methoden f¨¹r die Spurenanalytik zu entwickeln und die Grundlagenforschung auf diesem Gebiet weiter voranzutreiben. Als das damalige Departement Chemie 1998 eine Assistenzprofessur ausschrieb, bewarb sich G¨¹nther f¨¹r die Stelle und bekam sie. Die Kollegen h?tten ihn sehr gut aufgenommen, und von Beginn an unterst¨¹tzt. G¨¹nther wusste, dass seine Professorenstelle ¨C weil ohne Tenure Track ¨C nach sechs Jahren auslaufen w¨¹rde. So machte er sich gegen Ende der Laufzeit daran, ¨¹ber seine weitere Zukunft ausserhalb der ETH nachzudenken. Um ein Haar h?tte er 2003 eine Stelle an der Humboldt Universit?t Berlin angetreten, wenn ihm die ETH, mit grosser Unterst¨¹tzung aus dem Departement Chemie, nicht ein Angebot f¨¹r eine ausserordentliche Professur in Z¨¹rich gemacht h?tte.

Drei Jahre sp?ter ¨¹bernimmt er die Aufgabe des Institutsvorstehers im Laboratorium f¨¹r anorganische Chemie, und offensichtlich machte Detlef seine Sache so gut, dass man 2009 wieder bei ihm anklopfte, als es um die Besetzung des neuen Departementsvorstehers ging. ?Bei uns gilt die Regel, die im Vorfeld solcher Wahlen immer mal wiederholt wird, dass ein solches Angebot nicht wirklich abgelehnt werden kann?, vermerkt G¨¹nther mit einem L?cheln auf den Stockz?hnen. Er stand 2010 bis 2012 dem neuen Departement Chemie und Angewandte Biowissenschaften mit seinen 40 Professuren vor. Auch hier ist er des Lobes voll f¨¹r die Mitarbeiter in seiner Forschungsgruppe und die administrativen Mitarbeitenden im Departement, die alle mit profundem Wissen, Witz und voller Engagement ihre Aufgaben erf¨¹llt h?tten, und die es ihm dadurch erst erm?glicht h?tten, diese Zusatzaufgabe gut zu bew?ltigen.

Vom H?nggerberg ins Zentrum

Wie externe Seite heute mitgeteilt, hat der ETH-Rat Detlef G¨¹nther auf Antrag von ETH-Pr?sident Ralph Eichler zum neuen Vizepr?sidenten Forschung und Wirtschaftsbeziehungen gew?hlt. In den kommenden drei Monaten stehen verschiedene Anl?sse an, die G¨¹nther daran erinnern werden, dass f¨¹r ihn eine Etappe in seiner ETH-Karriere zu Ende geht und bald eine neue beginnt. Vor allem freut er sich auf die vier anstehenden Dissertationsverteidigungen seiner derzeitigen Doktoranden und Doktorandinnen. Solche Anl?sse seien auch eine Art Ehemaligentreffen, denn viele der insgesamt 25 Doktoranden, die er in all den Jahren als Chemieprofessor begleitet hat ¨C und auf die er ganz besonders stolz ist ¨C, kommen bei diesen Gelegenheiten zur¨¹ck nach Z¨¹rich.

Ende Jahr wird Detlef G¨¹nther einen Teil seiner Mineraliensammlung aus seinem B¨¹ro in Schachteln verpacken m¨¹ssen. Eine weitere Reise, kurz an Distanz aber gross an Bedeutung, steht an: Er z¨¹gelt vom H?nggerberg ins Zentrum, wo er ab Januar 2015 als Mitglied einer erneuerten Schulleitung f¨¹r alle Belange der Forschung und des Wissens- und Technologietransfers der ETH Z¨¹rich verantwortlich sein wird. Mitten im Tempel.