Wie frühe Traumata das Verhalten prägen
Traumatische Erlebnisse in der Kindheit erh?hen das Risiko für psychische Krankheiten. Zu einem gewissen Grad k?nnen sie aber helfen, im sp?teren Leben besser mit schwierigen Situationen umzugehen. Forschende haben an M?usen untersucht, wie sich solche Effekte auch auf die n?chste Generation übertragen.
Traumatische Erlebnisse hinterlassen ihre Spuren. Menschen, die in frühester Kindheit Schlimmes erfahren haben, leiden h?ufiger unter psychischen Erkrankungen wie dem Borderline-Syndrom oder Depressionen. Allerdings k?nnen solche schlimmen Erlebnisse unter gewissen Umst?nden auch positive Auswirkungen haben. So scheint leichter bis mittelschwerer Stress in der frühen Kindheit Betroffenen zu helfen, Strategien zu entwickeln, um im sp?teren Leben besser mit Stress umzugehen.
In der Psychologie und Psychiatrie ist schon l?nger bekannt, dass negative Folgen eines Traumas auch noch bei den Kindern der Betroffenen auftreten k?nnen. Die molekularen Mechanismen hinter dieser Vererbung kommen erst langsam zutage. Ein Forscherteam um Isabelle Mansuy, Professorin für Neuroepigenetik der Universit?t und ETH Zürich, hat nun erstmals an M?usen untersucht, inwiefern sich auch die positiven Effekte von Stress auf die Nachfolge-Generation übertragen.
Zielorientiert in schwierigen Situationen
Die Forschenden setzten neugeborene M?usem?nnchen traumatischem Stress aus, indem sie sie in unregelm?ssigen Abst?nden von ihren Müttern trennten. Zus?tzlich setzten sie die Muttertiere extremem Stress aus. Dann untersuchten sie in Tests das Verhalten der herangewachsenen M?use und ihrer Nachkommen im Vergleich zu Kontrolltieren, die weder selbst noch in der Elterngeneration Stress erfahren hatten. Tats?chlich konnten die Nachkommen der gestressten Tiere auf komplexe Aufgaben effizienter reagieren als die Kontrollm?use.
Beispielsweise passte sich der Nachwuchs gestresster V?ter besser an sich unvorhersehbar ?ndernde und komplexe Regeln einer Aufgabe an, um bei Durst eine Ration Wasser zu erhalten. Sie reagierten also flexibler. Bei einem anderen Test sollten sie nach einem Lichtsignal die Schnauze in eine ?ffnung stecken, allerdings mit einer vorgegebenen zeitlichen Verz?gerung von 6, 12 oder 18 Sekunden. Bei der l?ngsten Verz?gerung von 18 Sekunden, was eine sehr schwierige Aufgabe darstellt, schnitten die gestressten M?use und ihr Nachwuchs besser ab als die Kontrolltiere. Dies interpretieren die Forschenden als ein verbessertes zielorientiertes Verhalten in schwierigen Situationen. Da die M?usev?ter getrennt von ihrem Nachwuchs und deren Müttern gehalten wurden, k?nnen die Jungtiere das Verhalten nicht erlernt haben, sondern müssen es auf molekularem Wege über die Keimzellen vererbt erhalten haben.
Um herauszufinden, wie genau es zum ver?nderten Verhalten kommt, und wie es sich auf die n?chste Generation übertr?gt, untersuchten die Forschenden die Aktivit?t eines Gens, für dessen Zusammenhang mit Verhaltensflexibilit?t es bereits Hinweise gibt. Sowohl im Gehirn als auch in Spermien der gestressten Tiere fand das Team um Mansuy ver?nderte, sogenannte epigenetische, Markierungen an diesem Gen, welche festlegen, wie stark es abgelesen wird. Die ver?nderten Markierungen übertragen sich vermutlich durch die Spermien auch auf die Nachfolgegeneration und k?nnten somit für deren ver?ndertes Verhalten mitverantwortlich sein. Bei dem Gen handelt es sich um die Erbinformation für den Mineralocorticoid-Rezeptor, der Signalstoffe wie das Stresshormon Cortison bindet und daraufhin eine Signalkaskade in Nervenzellen ausl?st.
Probleme überwinden helfen
?Unsere Ergebnisse zeigen, dass Umwelteinflüsse das Verhalten ver?ndern, und sich diese Ver?nderungen auch auf die Nachfolge-Generation übertragen k?nnen?, erkl?rt Mansuy. Die Erkenntnis, dass sich nicht nur die Anf?lligkeit für psychische St?rungen von traumatisierten Eltern auf ihre Kinder übertr?gt, sondern auch das verst?rkte zielorientierte Verhalten in schwierigen Situationen, k?nnte auch für die Klinik interessant sein. Um Probleme wie Depressionen zu überwinden, k?nnten ?rzte den Betroffenen helfen, allenfalls auf St?rken wie diese zu bauen. Auch liefern die Ergebnisse zu den Ver?nderungen des Mineralcorticoid-Rezeptor-Gens wichtige Hinweise dafür, dass dort ein Ansatzpunkt für zukünftige Medikamente liegen k?nnte.
?Wir sagen keinesfalls, dass frühkindliche Traumata etwas Positives sind?, betont Mansuy. Ihre Studie an M?usen zeige aber auf, wie extremer Stress das Gehirn und damit das Verhalten über Generationsgrenzen hinweg ver?ndern k?nne, sowohl was negative als auch gewisse positive Aspekte angehe.
Literaturhinweis
Gapp K, Soldado-Magraner S, Alvarez-Sánchez M, Bohacek J, Vernaz G, Shu H, Franklin TB, Wolfer D, Mansuy IM: Early life stress in fathers improves behavioural flexibility in their offspring. Nature Communications, 18. November 2014. doi: externe Seite 10.1038/ncomms6466.