Zellulose mit Blindenschrift für Zellen

Künstliche Implantate wie Herzschrittmacher rufen oft Komplikationen hervor, weil der K?rper sie als fremde Objekte erkennt. Forschende der ETH Zürich haben nun eine einfache Methode entwickelt, um mikrostrukturierte und dadurch besonders gut vertr?gliche Beschichtungen für solche Implantate herzustellen.

Vergr?sserte Ansicht: künstlerische Darstellung eine Zellulose-Schicht mit Linienraster
Eine Beschichtung aus mikrostrukturierter Zellulose - wie der dargestellten Schicht mit Linienraster - k?nnte Implantate vertr?glicher machen. (Illustration: Ben John Newton)

Das menschliche Immunsystem unterscheidet K?rpereigenes von K?rperfremdem. Was zur Abwehr von Krankheitserregern sehr nützlich ist, wird zum Problem, wenn ein Patient ein künstliches Implantat braucht, zum Beispiel einen Herzschrittmacher oder eine Herzpumpe. So reagiert der K?rper in manchen F?llen mit einer Entzündung oder gar mit Abstossung des Ger?ts. Forschende der ETH Zürich stellen nun eine vielversprechende Methode vor, ein Material, mit dem sich solche Ger?te umhüllen liessen, besonders gut vertr?glich zu machen: Die Methode erm?glicht es, Zellulose mit spezifischen dreidimensionalen Mikrostrukturen herzustellen, welche die Vertr?glichkeit des Materials stark verbessern.

Forschende hatten bereits früher festgestellt, dass Zellen besser mit strukturierten Oberfl?chen interagieren und sich an diese heften k?nnen als mit glatten. Bisher war es jedoch nicht m?glich, solche Oberfl?chenstrukturen auf einem der vielversprechendsten Materialien für die Medizin anzubringen, n?mlich auf von Bakterien produzierter Zellulose. Bakterielle Zellulose ist in den letzten Jahren in den Fokus des Forschungsinteresses gerückt, da sie haltbar, anpassungsf?hig und im K?rper gut vertr?glich ist. So werden zum Beispiel bereits künstliche Blutgef?sse oder Knorpelersatz daraus hergestellt und für ihren Einsatz in der Praxis geprüft. Auch für Wundverb?nde ist das flexible Material interessant.

Einem Forschungsteam um ETH-Professor Dimos Poulikakos und Aldo Ferrari, Gruppenleiter am Labor für Thermodynamik in Neuen Technologien, gelang es nun, bakterielle Cellulose mit spezifischer Oberfl?chenstruktur herzustellen. Dazu benutzen sie eine Silikonform mit dreidimensionalem, optimiertem Muster (in diesem Fall ein Linienraster) im Mikrometerbereich. Diese Form lassen sie auf der Oberfl?che einer N?hrl?sung schwimmen, in welcher die zelluloseproduzierenden Bakterien wachsen. Die Bakterien bauen am ?bergang zwischen Flüssigkeit und Luft ein dichtes Netz aus Zellulosestr?ngen auf. In Anwesenheit der Silikonform passten sie sich an diese an und produzierten eine Zelluloseschicht samt dem Negativabdruck des Linienrasters.

Oberfl?chenstruktur vermittelt Zellen Signale

Das Linienraster brachte die Bakterien ausserdem dazu, die Zellulosestr?nge vermehrt in der ungef?hren Ausrichtung des Rasters herzustellen. ?Menschliche Zellen haben grunds?tzlich die F?higkeit, Fasern zu erkennen, zum Beispiel das k?rpereigene Kollagen, ein Bestandteil des Bindegewebes?, erkl?rt Aldo Ferrari. Die Zellulosestr?nge und das Rastermuster b?ten Zellen somit eine Orientierung entlang von vorgegebenen Bahnen, die sie erspüren. ?Für Wundpflaster ist das von grossem Vorteil. So k?nnten Hautzellen eine Wunde besser verschliessen, wenn sie sich entlang solch strukturierter Zellulose bewegen.? Die Struktur bliebe sogar erhalten, wenn man das Material zur Aufbewahrung trockne und kurz vor der Anwendung wieder befeuchte.

Es sei nun m?glich, der Zelluloseoberfl?che schon bei ihrer Herstellung eine Nachricht für die sp?ter darauf wachsenden Zellen mitzugeben, erkl?rt Poulikakos. ?Man kann sich das wie Blindenschrift vorstellen.? So lasse sich die optimale ?Nachricht? passend für die sp?tere Anwendung auf der Oberfl?che anbringen.

Weniger Entzündung dank strukturierter Oberfl?che

Solche Strukturen helfen auch, Abstossungsreaktionen des K?rpers gegen das künstliche Implantat zu reduzieren: In Studien mit M?usen verglichen die Forschenden glatte mit strukturierter Zellulose und stellten fest, dass M?use, denen die strukturierte Zellulose unter der Haut eingesetzt worden war, signifikant weniger Anzeichen einer Entzündung aufwiesen.

Diese vielversprechenden ersten Ergebnisse verfolgen die Wissenschaftler nun weiter, um das Material unter komplexeren Bedingungen zu testen. Zum Beispiel k?nnten die Forschenden für künstliche Blutgef?sse die Zelluloseoberfl?che so strukturieren, dass der Blutfluss optimiert wird und solche Gef?sse weniger leicht verstopfen.

Zudem haben die Forschenden um Poulikakos und Ferrari das Spin-Off Hylomorph gegründet, um die Methode zur Marktreife zu bringen. ?Wir planen, die strukturierte Zellulose im ?Zurich Heart?-Projekt am neuen Wyss Center für Translative Medizin einzusetzen?, verr?t Poulikakos. Ziel dieses Projekts ist es, künstliche Herzpumpen zu entwickeln, die Patienten mit schweren Herzleiden helfen, die Zeit bis zum Erhalt eines Spenderherzens zu überbrücken, oder ein Spenderherz sogar dauerhaft ersetzen k?nnten. Zwar gibt es bereits Herzpumpen. Jedoch sind die M?glichkeiten, die sie bieten, bisher eingeschr?nkt, sie sind nicht sehr langlebig und k?nnen Komplikationen hervorrufen. ?Unser Ziel ist es, dass künstliche Implantate vom K?rper des Patienten vollst?ndig akzeptiert werden?, erkl?rt Ferrari. Im ?Zurich Heart?-Projekt werden die Forschenden die Verpackung und die innere Beschichtung für optimierte Herzpumpen beisteuern, durch die es viel weniger Komplikationen geben sollte.

Literaturhinweis

Bottan S, Robotti F, Jayathissa P, Hegglin A, Bahamonde N, Heredia-Guerrero JA, Bayer IS, Scarpellini A, Merker H, Lindenblatt N, Poulikakos D, Ferrari A: Surface-Structured Bacterial Cellulose with Guided Assembly-Based Biolithography (GAB). ACS Nano, online Publikation 19. Dezember 2014, doi: externe Seite 10.1021/nn5036125

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