Ionen beim Wellenreiten

Die Leistungsf?higkeit von für die Industrie wichtigen ionenleitenden Keramikmembranen h?ngt stark davon ab, wie diese verspannt und gewellt sind. Dies zeigten ETH-Materialwissenschaftler auf. Die Forschenden k?nnen nun erstmals deren Wellenmuster und damit deren physikalische Eigenschaften gezielt ver?ndern, was neue technische Anwendungen solcher Membranen erm?glicht.

Vergr?sserte Ansicht: Keramikmembran
Die ETH-Wissenschaftler konstruierten freistehende Keramikmembranen für sogenannte Mikro-Energiewandler. Die Art und Weise, wie die Membranen gewellt sind, beeinflusst ihre Eigenschaften. (Illustration: Shi Y et al. Nature Materials 2015)

?Ionen sind die neuen Elektronen, die Ionik die Elektronik der Zukunft?, sagt Jennifer Rupp, Professorin für Elektrochemische Materialien an der ETH Zürich und bringt damit ihr Forschungsgebiet auf den Punkt. Rupp stellt mit ihrer Gruppe Keramikmaterialien her, welche geladene Atome (Ionen) wie zum Beispiel Sauerstoff- oder Lithium-Ionen sehr schnell leiten k?nnen. Bereits heute werden die elektrochemischen Eigenschaften dieser Materialien genutzt, etwa in Lambdasonden von Autokatalysatoren oder in Festoxidbrennstoffzellen. Und die ETH-Professorin ist davon überzeugt, dass die industrielle Bedeutung dieser Materialien stark zunehmen wird – etwa für Gassensoren, für neue Klassen von Datenspeichern und Computer-Schaltkreisen oder zur Umwandlung von chemischer in elektrische Energie und umgekehrt.

Eine der derzeit wichtigsten Forschungsfragen in ihrem Gebiet sei, wie man diese in der Regel als dünne Membran vorliegenden Materialien optimieren k?nne, damit sich in ihnen die Ionen schneller bewegten, so Rupp. In einer soeben im Fachmagazin ?Nature Materials? ver?ffentlichten Studie haben mehrere Doktoranden aus ihrer Gruppe aufgezeigt, dass der Ionentransport sehr stark von der Art und Weise abh?ngt, wie diese Membranen verspannt sind. Auch ist es ihnen gelungen, die Verspannung der Membranen gezielt zu steuern, was für die Entwicklung künftiger technischer Anwendugen bedeutend ist.

Freistehende Membran

Für ihre Studie arbeiteten die Wissenschaftler mit einer sehr dünnen Keramik-Schicht, konkret mit Gadolinium-dotiertem Ceroxid. ?Das ist einer der in der Industrie am h?ufigsten verwendeten Ionenleiter?, erkl?rt ETH-Doktorand Sebastian Schweiger.

In bisherigen Forschungsarbeiten auf dem Gebiet ist das Material meist als dünner Film auf einem Silizium-Tr?germaterial untersucht worden. Yanuo Shi, ein weiterer Doktorand in Rupps Gruppe und Erstautor der nun ver?ffentlichten Arbeit, erstellte aus dem Material jedoch eine freistehende Membran, indem er das Tr?germaterial unter der dünnen Keramikschicht weg?tzte. Diese blieb danach nicht etwa flach, sondern wellte sich, weil sich die inneren Spannungen in der Schicht beim Weg?tzen ver?nderten. Auf kleinen Stücken solcher Membranen befestige Shi Mikroelektroden und stellte so winzige Bauelemente her, mit welchen man aus Wasserstoff oder organischen Verbindungen sowie Sauerstoff aus der Luft Strom erzeugen kann.

Vergr?sserte Ansicht: Keramikmembranen
Das Wellenmuster von Keramikmembranen h?ngt davon ab, wie Platin-Elektroden auf den Membranen befestigt werden (mikroskopische Aufnahmen). (Bild: Shi Y et al. Nature Materials 2015)

Elektroden beeinflussen Wellenmuster

Dabei konnten die Forschenden zeigen, dass die Anordnung der Elektroden das Wellenmuster der Keramikmembran sowie die Materialstruktur auf Ebene der Atome beeinflusst. Dies wiederum beeinflusst sehr stark die Leitf?higkeit der Membran für Sauerstoff-Ionen. Es gelang den Wissenschaftlern, diesen Effekt im Detail zu beschreiben. ?Damit ist es uns nun erstmals m?glich, Wellenmuster und Ionenleitf?higkeit solcher Membranen gezielt zu steuern?, so Alexander Bork, ein weiterer an der Arbeit beteiligter Doktorand.

In den vergangenen Jahrzehnten haben Wissenschaftler vor allem versucht, die Leitf?higkeit solcher Ionenleiter zu ver?ndern, indem sie das Material bewusst mit bestimmten Fremdatomen ?verunreinigten? – fachsprachlich: dotierten. Die ETH-Forschenden zeigten nun, dass sich die Leitf?higkeit über die Steuerung des Wellenmusters und der Verspannung sehr viel st?rker beeinflussen l?sst als über die Dotierung.

?Schon in früheren Experimenten ist es Wissenschaftlern aufgefallen, dass die Stromerzeugung in Festoxidbrennstoffzellen je nach Aufbau solcher Zellen sehr stark variiert. Wir haben nun im Experiment mit der Verspannung des Ionenleiters eine m?gliche Erkl?rung für dieses Verhalten gefunden?, sagt Rupp. Es sei nun m?glich, ionenleitende Membranen gezielt zu optimieren. Dies f?rdere die Entwicklung künftiger Gassensoren, ionenbasierten Datenspeichern sowie sogenannter Mikro-Energiewandlern wie beispielsweise Brennstoffzellen – und wom?glich einer ganzen Reihe noch unbekannter Anwendungen in der zukunftstr?chtigen Ionik.

Literaturhinweis

Shi Y, Bork AH, Schweiger S and Rupp JLM: The effect of mechanical twisting on oxygen ionic transport in solid-state energy conversion membranes. Nature Materials, 15. Juni 2015, doi: externe Seite 10.1038/nmat4278

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