Ein Resonator für Elektronen

Resonatoren sind ein wichtiges Werkzeug in der Physik. Mit Hilfe von Hohlspiegeln bündeln sie normalerweise Lichtwellen, die dann beispielsweise auf Atome einwirken. Physikern an der ETH Zürich ist es nun gelungen, einen Resonator für Elektronen zu bauen und die damit erzeugten Stehwellen auf ein künstliches Atom zu richten.

Vergr?sserte Ansicht: Elektronenresonator
Elektronenmikroskopische Aufnahme des ETH-Experiments. Zwischen dem Quantenpunkt (links) und der gekrümmten Elektrode (rechts) bilden sich elektronische Stehwellen, die mit den Elektronen des Quantenpunktes wechselwirken. (Bild: R?ssler C et al. Physical Review Letters 2015)

Die Idee, mit einem gekrümmten Spiegel Licht so zu reflektieren, dass es in einem Punkt gebündelt wird, hatte der griechische Naturforscher Archimedes schon vor mehr als zweitausend Jahren – der Legende nach steckte er auf diese Weise feindliche r?mische Schiffe in Brand. Heutzutage spielen solche Hohl- oder Parabolspiegel in vielen technischen Anwendungen eine Rolle, von der Satellitenschüssel bis hin zu Laser-Resonatoren, in denen Lichtwellen zwischen zwei Spiegeln verst?rkt werden. Auch in der modernen Quantenphysik kommen Hohlspiegel-Resonatoren zum Einsatz. Um zum Beispiel einzelne Atome zu studieren, nutzen Forscher die Bündelung des Lichts durch die Spiegel aus, um die Wechselwirkung zwischen den Lichtwellen und den Atomen zu verst?rken. Einem Team von Physikern der ETH Zürich innerhalb des Nationalen Forschungsschwerpunkts Quantenwissenschaften und -technologie (NFS QSIT) ist es nun gelungen, einen Resonator zu konstruieren, in dem nicht Lichtwellen, sondern Elektronen gebündelt werden. In Zukunft k?nnten solche Resonatoren beim Bau von Quantencomputern und in der Erforschung von Vielteilcheneffekten in Festk?rpern zum Einsatz kommen.

Für ihre Experimente nutzten die Postdoktoranden Clemens R?ssler und Oded Zilberberg Halbleiterstrukturen, in denen Elektronen sich nur in einer Ebene bewegen k?nnen. An einem Ende der Ebene befindet sich ein so genannter Quantenpunkt – eine nur hundert Nanometer grosse Falle für Elektronen, die aufgrund der Quantenmechanik genau festgelegte Energiezust?nde ?hnlich denen eines Atoms aufweisen. Man nennt solche Quantenpunkte daher auch ?künstliche Atome?. Auf der anderen Seite, wenige Mikrometer entfernt, bildet eine gekrümmte Elektrode einen Hohlspiegel, von dem Elektronen reflektiert werden, wenn dieser unter Spannung gesetzt wird.

Bessere Materialien

Die M?glichkeit, Elektronen auf diese Weise zu bündeln, wurde bereits 1997 an der Harvard-Universit?t untersucht. Allerdings konnten die ETH-Forscher nun mit wesentlich besseren Materialien arbeiten, die direkt im Labor von Werner Wegscheider, Professor für Festk?rperphysik, hergestellt wurden. ?Diese sind hundertmal reiner als die damals verwendeten?, erkl?rt R?ssler, ?und damit k?nnen sich die Elektronen auch hundertmal so lange ungest?rt bewegen?. Dies wiederum führt dazu, dass sich im Gegensatz zu den früheren Arbeiten die quantenmechanische Wellennatur der Elektronen nun sehr deutlich bemerkbar macht.

In ihrem Experiment sehen das die Physiker daran, dass sich der Strom, der vom Quantenpunkt zum Hohlspiegel fliesst, auf charakteristische Weise mit der angelegten Spannung ?ndert.  ?Unsere Resultate zeigen, dass die Elektronen im Resonator nicht einfach hin und her fliegen, sondern eine Stehwelle bilden und so koh?rent an den Quantenpunkt koppeln?, betont R?ssler, der das Experiment in der Arbeitsgruppe von ETH-Professor Klaus Ensslin entwickelt hat. Anders als bei Lichtwellen sorgt der Spin der Elektronen zudem dafür, dass diese sich wie winzige Magnete verhalten. Tats?chlich konnten die Forscher nachweisen, dass die Wechselwirkung zwischen den Quantenpunkt-Elektronen und der Elektronen-Welle über den Spin stattfindet. ?Diese Spin-koh?rente Kopplung k?nnte es in Zukunft m?glich machen, Quantenpunkte über grosse Distanzen zu verbinden?, sagt Zilberberg, der in der Gruppe von ETH-Professor Gianni Blatter ein theoretisches Modell zu R?sslers Experiment entwickelt hat.

Geeignet für Quantencomputer

Schon l?nger werden Quantenpunkte als m?gliche Kandidaten für so genannte Quanten-Bits oder ?Qubits? gehandelt, mit denen Quantencomputer rechnen. Bisher mussten die Quantenpunkte in einem solchen Rechner sehr nah beieinander stehen, um die n?tige Kopplung für die Rechenvorg?nge zu erreichen. Das wiederum machte es schwierig, einzelne Qubits zu kontrollieren und auszulesen. Eine weitreichende Kopplung über einen entsprechend gestalteten Resonator k?nnte dieses Problem elegant l?sen.

Auch in der Grundlagenforschung k?nnten die Elektronen-Resonatoren der ETH-Forscher nützlich werden, etwa bei der Untersuchung des Kondo-Effekts. Dieser tritt auf, wenn viele Elektronen zusammen mit dem magnetischen Moment einer Verunreinigung im Material wechselwirken. Mit Hilfe eines Quantenpunktes, der eine solche Verunreinigung simuliert, und eines Resonators erhoffen sich die Physiker, den Kondo-Effekt sehr pr?zise studieren zu k?nnen.

Von der Idee für ihre Forschung – die aus Diskussionen w?hrend eines früheren Experiments entstand – und der jetzt erscheinenden Publikation brauchten die jungen Forscher nur etwas mehr als ein Jahr. Dafür, dass es so schnell ging, hat Zilberberg eine einfache Erkl?rung: ?Innerhalb des QSIT-Netzwerks ist es leicht, spontan über Gruppen hinweg zusammenzuarbeiten, da man sich r?umlich und thematisch sehr nah und sowieso in gemeinsamen Projekten involviert ist. Und wenn man zu irgendetwas die Meinung eines Experten braucht, so sitzt dieser meist nur ein paar Büros entfernt.?

Literaturhinweis

R?ssler C, Oehri D, Zilberberg O, Blatter G, Karalic M, Pijnenburg J, Hofmann A, Ihn T, Ensslin K, Reichl C, Wegscheider W: Transport Spectroscopy of a Spin-Coherent Dot-Cavity System. Physical Review Letters, 12. Oktober 2015, doi: externe Seite 10.1103/PhysRevLett.115.166603

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