Vorkämpfer, Vordenker und Vorbilder für die Raumplanung Schweiz

Die Raumplanung Schweiz steht zur Zeit vor einer ganzen Reihe von Herausforderungen: Siedlungsentwicklung nach innen, Schutz des Kulturlandes, Umsetzung der Zweitwohnungsinitiative, zweite Etappe der Revision des Raumplanungsgesetzes. Hinzu kommt das Ziel, Agglomerationen, l?ndliche R?ume und Berggebiete koh?rent zu entwickeln. Wenn man vor neuen Aufgaben steht, lohnt sich oft ein Blick zur¨¹ck ¨C um die wesentlichen bisherigen Trends und Treiber zu erkennen und R¨¹ckschl¨¹sse auf die zuk¨¹nftige Entwicklung machen zu k?nnen.

Harziger Start f¨¹r die Schweizer Raumplanung

Die Geschichte der Raumplanung Schweiz nahm ihren Anfang in der Sorge um die Verschandelung der Landschaft und die unwiderrufliche Zerst?rung unseres Lebensraumes. Die St?dte wuchsen rasch ins Umland, viele Seeufer wurden verbaut. Nach dem Zweiten Weltkrieg breitete sich das Automobil rasant aus. Dies l?ste in den St?dten und auf dem Land schon bald einen regen Neubau von Strassen aus. Obwohl es bereits in den 1930er Jahren Bem¨¹hungen gab, eine institutionalisierte Raumplanung zu etablieren, trat das Eidgen?ssische Raumplanungsgesetz erst Anfang 1980 in Kraft. Vor allem w?hrend des Wirtschafts- und Baubooms der 1950er und 1960er Jahre ?passierte? daher vieles einfach, weil die n?tigen Rechtsgrundlagen fehlten und zahlreiche Gemeinden auf die rasche Entwicklung nicht vorbereitet waren.

Raumplaner hatten es in der damaligen Zeit schwer: Raumplanung war wegen der damit verbundenen Eingriffe ins Eigentum politisch nicht salonf?hig, ein wirksames rechtliches Instrumentarium war nicht zur Hand, und es gab auch keine Ausbildungsm?glichkeiten in der Schweiz. Trotzdem finden sich in der Raumplanungsgeschichte Pers?nlichkeiten, die sich leidenschaftlich und beherzt f¨¹r einen verantwortungsvollen Umgang mit dem Lebensraum einsetzten. Sie engagierten sich f¨¹r das Wohl der Menschen und f¨¹r den Schutz der Landschaft, der Gew?sser und der nat¨¹rlichen Ressourcen. Es war ihnen ein zentrales Anliegen, sch¨¹tzenswerte Geb?ude und Ortsbilder sowie wertvolles Kulturland zu erhalten und Landwirtschaftsfl?chen zu sichern.

?Macher? bereiteten den Weg

In den vergangenen zehn Jahren hatte ich im Rahmen des Projektes ?Ideengeschichte der Raumplanung Schweiz? die Gelegenheit, Zeitzeugen zu interviewen (siehe externe Seite Buch). Die Begegnungen mit den Pionieren, die sich in einer Zeit mit denkbar schlechten Rahmenbedingungen ¨¹beraus mutig und ideenreich f¨¹r die Anliegen der Raumplanung Schweiz engagierten, haben bei mir einen tiefen Eindruck hinterlassen.

Es waren ?Macher?, die neue Wege gingen, neuartige Instrumente entwickelten und sich mit Nachdruck f¨¹r die Menschen, die Natur und den Lebensraum als Ganzes einsetzten. Es sind bewegte Biographien, aber auch mitreissende Geschichten. Sie erz?hlen nicht nur von der Not, kein rechtliches Instrumentarium zur Verf¨¹gung zu haben, sondern auch von den Freiheiten, die man f¨¹r Innovationen nutzte. Argumente mussten schlagkr?ftig sein, Verhandlungen hartn?ckig gef¨¹hrt werden. Einig sind sich alle damaligen Akteure ¨¹ber die Bedeutung des Bundesbeschlusses ¨¹ber dringliche Massnahmen auf dem Gebiet der Raumplanung von 1972: Er war ein Meilenstein in der Geschichte der Raumplanung. Marius Baschung, erster Direktor des 1980 neu gegr¨¹ndeten Bundesamts f¨¹r Raumplanung, stellte r¨¹ckblickend fest: ?er [der Bundesbeschluss] war ein Hammerschlag, ein revolution?rer Akt bez¨¹glich des F?deralismus. Er kam aus heiterem Himmel.¡­ [und] ist etwas vom Besten, das der Bund in Sachen Raumplanung und Umwelt je geleistet hat.?

ETH bildet ab 1965 Planer aus

Auch die Ausbildung f¨¹r Raumplanung an der ETH Z¨¹rich wurde ab 1965 mit grosser Experimentierfreudigkeit aufgebaut ¨C zuerst mit Kursen f¨¹r Ortsplaner, ab 1967 mit einem eigentlichen Nachdiplomstudium in Raumplanung. Praxisbezug und Interdisziplinarit?t standen von Anfang an im Zentrum. Hans Rudolf Isliker, Absolvent des Kurses 1965/67 und sp?ter stellvertretender Direktor des Bundesamtes f¨¹r Verkehr, erinnert sich: ?Wir, die Vork?mpfer, st?rten uns nicht daran [dass wir Versuchskaninchen waren]. Wir hatten von vielen Freiheiten profitiert und reichlich Selbstbewusstsein gewonnen, so dass wir uns nahtlos in die aufkommende grosse Pionierzeit der schweizerischen Raumplanung einbringen konnten.?

Heute haben wir ein Raumplanungsgesetz mit zugeh?riger Verordnung, ein etabliertes Instrumentarium, erprobte Aus- und Weiterbildungsangebote und auf geographischen Informationssystemen basierte Datengrundlagen. Das sind ¨C verglichen mit den fr¨¹hen Jahren der Raumplanung ¨C komfortable Ausgangsbedingungen, um die anstehenden Herausforderungen erfolgreich in Angriff zu nehmen. Und trotzdem k?nnen uns die Raumplanungspioniere etwas mit auf den Weg geben: ihren Mut, ihre Entschlossenheit, ihre Experimentierfreudigkeit und den Willen, neue L?sungen zu (er)finden, um f¨¹r uns und k¨¹nftige Generationen den Lebensraum nachhaltig zu planen und zu gestalten.