Wo die Solarenergie boomt
Der Durchbruch der Sonnenenergie wird hierzulande seit Jahren verkündet – und wieder abgeblasen. Doch für viele Menschen in Entwicklungsl?ndern ist Solarenergie heute schon günstiger, praktischer und sauberer als alle Alternativen. In Bangladesch und Kenia findet gerade ein dramatischer Ausbau statt. Eine entscheidende Rolle spielen dabei passende Kreditmodelle.
Spekulationen über die Energie-Zukunft haben stets Hochkonjunktur [1] [2] – doch w?hrend wir in westlichen L?ndern noch heftig diskutieren, auf welche erneuerbare Energien wir künftig setzen sollten, ist in anderen Teilen der Welt eine wahre solare Revolution im Gang: Für Regionen ohne Anschluss an ein zentrales Stromnetz ist Solarenergie schon heute die günstigste und sinnvollste Technologie, um dezentral Strom zu erzeugen. Gerade in Entwicklungsl?ndern geht der Netzausbau nur schleppend voran, und das bestehende Stromnetz ist von regelm?ssigen Ausf?llen geplagt. Dazu kommt: Nur schon die Kosten für Kerzen und Lampen-Kerosin für ein Jahr sind h?her als die einer kleinen Solaranlage. Und das ist eigentlich überall so, wo es Haushalte ohne Anschluss ans Stromnetz gibt – weltweit betrifft das gut eine Milliarde Menschen.
Fotovoltaik floriert in Bangladesch und Kenia
Im Rahmen meiner T?tigkeit als Experte für Klima und Entwicklung beim United Nations Environmental Program (UNEP) hatte ich unl?ngst das Privileg, eine Lehreinheit über die Finanzierung erneuerbarer Energien für eine Gruppe von 16 hoch motivierten ?DANIDA Fellows? zu unterrichten. DANIDA [3] ist die d?nische Entwicklungshilfs-organisation, und ihre Fellows sind junge Hoffnungstr?ger aus Entwicklungs- und Schwellenl?ndern, in diesem Fall aus Indonesien, Uganda, Kolumbien, Tansania, Kenia und Bangladesch. Ich muss zugeben, dass ich vermutlich mehr von ihnen gelernt habe als sie von mir.
Denn gerade Kenia und Bangladesch sind weltweit führende Nationen der solaren Revolution: In Bangladesch haben mittlerweile rund vier Millionen Haushalte eine Solaranlage installiert. Das entspricht etwa 20 Millionen Menschen, die ihren gesamten (wenn auch niedrigen) Strombedarf vom eigenen Dach her decken. In Kenia ist die Bewegung noch etwas jünger und die Zahlen ungenauer, aber auch hier gehen zurzeit jeden Tag zwischen 500 und einigen Tausend Solarsysteme an die Sonne. In beiden L?ndern wurden dazu Programme mit Entwicklungshilfsgeldern gestartet (Weltbank in Bangladesch [4], Shell Foundation in Kenia [5]). Mittlerweile sind beide selbst tragf?hig.
Finanzierungsmodelle als Schlüssel zum Erfolg
Kenia und Bangladesch sind nur deshalb herausragend, weil sich in beiden L?ndern funktionierende und faire Kreditsysteme für Solaranlagen entwickelt haben. Und diese sind so unterschiedlich wie die L?nder selbst.
Das Bangladeshi-Programm wird von der Regierung verwaltet und von Mikrokreditorganisationen wie der Grameen-Shakti Bank [6] finanziert – einer Tochtergesellschaft der Grameen Bank von Friedensnobelpreistr?ger Muhammad Yunus. Das Programm nutzt die starken landwirtschaftlichen Kooperativen im Land und setzt auf eine zentrale, staatliche Qualit?tskontrolle für die Technik. Es gilt als das erfolgreichste solare Elektrifizierungsprogramm der Welt. Ein interessanter Nebenaspekt: Die Kunden k?nnen die Anlage zurückgeben, wenn sie vor der Abbezahlung des Kredits ans Stromnetz angeschlossen werden. Man beobachtet jedoch, dass die meisten Haushalte ihre Solaranlage behalten, auch wenn sie Zugang zum Stromnetz erhalten – als Backup, wenn der Strom ausf?llt, aber auch weil die Anlagen langfristig oft günstiger sind als Netzstrom.
Im Gegensatz dazu geht die Revolution in Kenia vom Privatsektor aus: Firmen wie M-Kopa Solar [7] verkaufen Solarsysteme gegen eine kleine Anzahlung. Anstelle eines komplexen traditionellen Kredits setzen sie jedoch auf einen technischen Trick: Die Ratenzahlung erfolgt über ?Mobile Money?, wenn sie ausbleibt, wird das Solarsystem über eine eingebaute SIM-Karte einfach abgeschaltet. Damit erzielen die Solarfirmen Rückzahlquoten von über 90 Prozent. Umgekehrt kann der Kunde einfach seine Zahlung einstellen, wenn das System ausf?llt. Einen offiziellen Kreditvertrag gibt es nicht, auch keine Schuldeneintreiber. Ist die Anlage schliesslich abbezahlt, wird die SIM-Karte inaktiviert und die Anlage geh?rt dem Kunden.
L?nderspezifische St?rken nutzen
Beide Solar-Programme haben gemeinsam, dass sie optimal auf die nationale St?rken des Landes angepasst sind: Kenia ist eine dynamische Marktwirtschaft, in der mehr Geld über mobile Zahlungssysteme (mobile payment) fliesst als über traditionelle Banken. Bangladesch wiederum hat den gr?ssten und erfolgreichsten Mikrokreditsektor der Welt. In beiden Finanzierungsmodellen entspricht die Ratenzahlung in etwa den durchschnittlichen Haushaltskosten für Kerosin, Kerzen und das Aufladen der Mobiltelefone am Kiosk. Dabei ist die Qualit?t des elektrischen Lichts den Kerosinlampen deutlich überlegen, mit den entsprechenden positiven Effekten für die Wirtschaft und die Bildung.
Und was ist der n?chste Schritt? Ich halte in diesem Fall nicht viel von Prognosen. Denn ob es nun gr?ssere Inselanlagen, bessere Speicher, Integration in ein nationales Netz oder Minigrids sind – für die eine Milliarde Menschen ohne Strom ist das erst mal egal. Sicher aber ist: In diesen L?ndern der Welt ist die solare Revolution nicht mehr aufzuhalten.
Weiterführende Informationen
[1] externe Seite Beitrag SRF
[2] externe Seite Artikel NZZ
[4] Weltbank: Programm externe Seite Bangladesch
[5] Shell Foundation: externe Seite Kenia