Wenn weniger tatsächlich mehr ist
Wird Eisen zu therapeutischen Zwecken in zu rascher Folge verabreicht, k?nnte es weniger Wirkung haben: Ein Eiweissmolekül blockiert selbst 24 Stunden nach der letzten Gabe die Aufnahme des Eisens im Darm, zeigen Forschende der ETH Zürich in einer neuen Studie.
Leidet jemand an Blutarmut, steckt oft Eisenmangel dahinter. In dem Fall werden der betroffenen Person – meist ist das eine Frau – Eisentabletten zur t?glichen Einnahme verschrieben. Bei starkem Mangel wird die Dosis auf mehrere Tabletten t?glich erh?ht.
Eine neue Studie, die soeben in der Fachzeitschrift Blood ver?ffentlicht wurde, zeigt nun aber auf, dass der K?rper Eisen, das ihm im 24-Stunden-Rhythmus zugeführt wird, m?glicherweise gar nicht in den gewünschten und ben?tigten Mengen aufnehmen kann.
Schuld daran ist ein kleines, eiweiss?hnliches Molekül namens Hepcidin. Sobald der K?rper Eisen erh?lt, setzt in der Leber die Hepcidin-Produktion ein. Das winzige Eiweiss – es besteht nur gerade aus 25 Aminos?ure-Bausteinen – gelangt über das Blut auch in den Darm. Dort reguliert es unter anderem, wie viel Eisen aus dem Nahrungsbrei in den K?rperaufgenommen wird. Wie eine Gruppe von Forschenden um Diego Moretti, Oberassistent bei ETH-Professor Michael B. Zimmermann nun zeigt, hemmt Hepcidin bei der Eisensupplementierung die Eisenaufnahme im Darm st?rker als bisher angenommen.
Hepcidin macht Strich durch die Rechnung
In ihrer Studie untersuchten die Wissenschaftler über 50 junge Frauen, deren Eisenvorrat ersch?pft war, die jedoch noch nicht an Blutarmut litten. Die Frauen erhielten eine t?gliche Dosis von mindestens 40 Milligramm Eisen, wie sie üblicherweise bei Eisenmangel verabreicht wird. Danach massen die Forschenden, wie sich die Hepcidin-Konzentration entwickelte und quantifizierten deren Effekt auf die Absorption der nachfolgenden Eisendosen.
Dabei zeigte sich, dass die Hepcidin-Konzentration nach sechs bis acht Stunden ihren H?hepunkt erreichte, aber auch 24 Stunden nach der ersten Eisengabe noch immer in genügend hohen Mengen vorlag, um die Aufnahme der zweiten Eisendosis markant zu reduzieren. Diese zweite Dosis, die entweder schon am gleichen Tag oder 24 Stunden nach der ersten verabreicht wurde, konnte der K?rper demnach verglichen mit der ersten Gabe nur in verminderter Menge absorbieren.
Kleckern besser als Klotzen?
Bei der herk?mmlichen Eisensupplementierung treten oft unerwünschte Nebenwirkungen wie Magen-Darm-Beschwerden auf. Diese stehen in einem engen Verh?ltnis zur verabreichten Eisenmenge und sind mit ein Grund, weshalb viele Patientinnen die Eisenerg?nzung abbrechen.
K?nnte man die Absorptionseffizienz verbessern, w?re es m?glich, mit einer kleineren Eisendosis einen gr?sseren biologischen Effekt zu erzielen, und dies bei verminderten Nebenwirkungen. ?Wahrscheinlich w?re es effizienter, mit der n?chsten Dosis l?nger zu warten, um die prozentuale Absorption zu verbessern?, sagt Moretti.
Er r?umt jedoch ein, dass die Aussagekraft dieser Studie aus zwei Gründen begrenzt ist: Bei den Testpersonen handelte es sich ausschliesslich um gesunde, junge Frauen, und die Eisenabsorption wurde nur w?hrend zwei Tagen untersucht. Wie sich die Hepcidin-Konzentration w?hrend einer mehrw?chigen Eisensupplementierung verh?lt, wird in einer Folgestudie, die bereits in Arbeit ist, untersucht. Dabei testen die Wissenschaftler die Eisensupplementierung w?hrend zwei respektive vier Wochen.
Um die Eisenresorption zu untersuchen, verwendeten die Forscher stabile Eisenisotope als Indikatorsubstanzen. Diese Stoffe haben ein modifiziertes Verh?ltnis von stabilen Eisen-Isotopen. In der Natur ist Eisen-56 das h?ufigste stabile Eisen-Isotop (91,7 Prozent), gefolgt von Eisen-54 (5,8 Prozent) und Eisen-57 (2,1 Prozent). Eisen-58 liegt nur in Spuren vor. Für ihre Untersuchung benutzen die Wissenschaftler Tabletten mit einem erh?hten Gehalt an Eisen-57, Eisen-54 und Eisen-58. Anhand der Ver?nderung des Isotopen-Verh?ltnisses im K?rper konnten die Forschenden die k?rpereigene Eisenabsorption bestimmen.
Hunderte Millionen Betroffene
Weltweit leiden hunderte Millionen von Menschen an Eisenmangel. H?ufigste Ursachen sind hohe Eisenverluste etwa durch Blutungen (insbesondere bei Frauen durch die Regelblutung) und eine einseitige Ern?hrung, die arm ist an Vitamin C und tierischen Produkten. Nahrungsmittel mit einem hohen Eisengehalt sind beispielsweise Fleisch, Leber, Blutwurst, Hülsenfrüchte oder Vollkornprodukte. In grossen Mengen ist Eisen als Erg?nzung jedoch toxisch, weshalb es der K?rper nur schlecht resorbiert. Im Durchschnitt liegen im menschlichen K?rper 5 bis 7 Gramm Eisen vor, 60 Prozent davon im roten Blutfarbstoff, dem H?moglobin.
Literaturhinweis
Moretti D, Goede JS, Zeder C et al. (2015) Oral iron supplements increase hepcidin and decrease iron absorption from daily or twice-daily doses in iron-depleted young women. Blood 126, 1981-1989. DOI: externe Seite 10.1182/blood-2015-05-642223
Schrier SL (2015). So you know how to treat iron deficiency anemia. Blood 126, 1971-1971. externe Seite 10.1182/blood-2015-09-666511