Netz-Werkerin mit Optimierungsdrang

Gabriela Hug ist eine kleine, zierliche Person mit hellem, wachem Blick. Wenn sie spricht, f?llt sie hin und wieder ins Englische zur¨¹ck ¨C wohl ein Relikt aus der Zeit, die sie nach der Dissertation mit ihrem Mann in Kanada und den USA verbrachte. Und viele wollen sie zurzeit sprechen h?ren: Vortr?ge, Konferenzen, Kontakte mit der Industrie ¨C Hug wird mit Anfragen ¨¹berh?uft. Das liegt an ihrem Spezialgebiet: Sie optimiert Energienetze. Am Institut f¨¹r Elektrische Energie¨¹bertragung und Hochspannungstechnik (EEH) der ETH Z¨¹rich entwickelt sie rechnerische Methoden, um moderne Stromnetze sicher und zuverl?ssig zu betreiben. Aufgrund ihrer Forschung hat das World Economic Forum (WEF) sie unl?ngst zum Mitglied der Young Scientists ernannt, einem Kreis von jungen Forschenden, die in ihrem Fachgebiet auf kreative Weise Grenzen ausloten.

Soeben hat sie an einem von WEF organisierten Treffen der Young Scientists im chinesischen Tianjin referiert (siehe Artikel von ETH Global). In ihrer Forschung geht Hug der Frage nach, wie sich erneuerbare Energien in die bestehende Strominfrastruktur integrieren lassen, damit eine Abkehr von atomaren und fossilen Energietr?gern m?glich wird. Ein grosses Thema, zu dem sie viel zu sagen hat. ?Das Interesse gilt meinem Fachgebiet, nicht meiner Person?, schmunzelt sie bescheiden.

Das Stromnetz schlauer machen

Ihr B¨¹ro an der Physikstrasse oberhalb des ETH-Hauptgeb?udes ist schlicht und aufger?umt ¨C elektronische Komponenten, Kabel oder Pl?ne komplizierter Schaltkreise findet man hier keine. Hug arbeitet mit dem Computer, entwickelt Steuerungssoftware und programmiert Algorithmen. Diese sollen die Optimierungsprobleme im Stromnetz l?sen, die sich durch die Energiewende ergeben.

Hug erkl?rt: ?Die bestehenden Energienetze und deren Regelung sind f¨¹r die traditionelle Stromversorgung ausgelegt und deshalb zu starr ¨C im Wesentlichen fliesst der Strom von A nach B, n?mlich von zentralen Kraftwerken zum Verbraucher.? K¨¹nftig sollen vor allem Sonne und Wind Energie liefern, das heisst Strom wird dezentral und mit Schwankungen produziert. Es wird verschiedenartige Energiespeicher geben, und Einfamilienh?user k?nnen gar selber Elektrizit?t produzieren. ?Um all diese Elemente in Echtzeit zu koordinieren, braucht es ausgekl¨¹gelte Steuerungssysteme, die Erzeugung und Verbrauch im Netz ausbalancieren?, sagt Hug. Als Beispiel nennt sie Elektromobile: Wenn all diese fahrenden Batterien gleichzeitig Strom tanken, belasten sie das Netz. K¨¹nftig sollen sie mit dem Energienetz kommunizieren und dynamisch entscheiden, wann sie Strom laden oder abgeben. So k?nnen E-Mobile als verteilter Puffer wirken und das Netz bei Bedarf unterst¨¹tzen.

Ein Roboterhund stellt die Weichen

Hug ist 37 Jahre alt und wuchs im Aargau und in Solothurn auf. Bereits fr¨¹h im Gymnasium war f¨¹r sie klar, dass sie Mathematik studieren will. Dass es dennoch anders kam, verdankt sie ihrem Physiklehrer, der sie vor der Matura in eine Schnupper-Studienwoche f¨¹r Ingenieurwissenschaften schickte. Hug baute einen fahrenden Roboterhund mit blinkenden Augen ¨C ein Schl¨¹sselerlebnis, wie sie lachend betont: ?Von da an interessierte ich mich f¨¹r die Elektrotechnik. Die praktische Anwendung, das Basteln haben mir enorm gefallen?.

Aus Interesse wurde Leidenschaft: Hug begann an der ETH Z¨¹rich Elektrotechnik zu studieren. Nach dem Grundstudium besuchte sie Vorlesungen von Professor G?ran Andersson am Power Systems Lab des EEH und war von seinem Unterricht und der Thematik begeistert. ?Strom ist absolut zentral f¨¹r unsere Gesellschaft, ohne ihn l?uft nichts. Das hat mich enorm fasziniert?, schw?rmt sie. So erstaunt es kaum, dass sie sp?ter bei Andersson doktorierte.

Sieben Jahre Nordamerika

2008 zog Hug mit ihrem Mann nach Toronto, wo sie ein Jahr lang als Ingenieurin f¨¹r Energienetze  f¨¹r eine kanadische Energiefirma t?tig war. Dann nahm sie eine Stelle als Assistenzprofessorin an der Carnegie Mellon University in Pittsburgh, Pennsylvania, an. Sie blieb sechs Jahre, in denen sie nicht nur den Grundstein f¨¹r ihre akademische Karriere legte, sondern auch drei Kinder bekam. ?Es war eine sehr sch?ne, aber auch intensive Zeit ¨C viele Vorlesungen habe ich mit sehr wenig Schlaf gehalten?, erinnert sie sich.

Zur¨¹ck zu den Wurzeln

Obwohl auf sich alleine gestellt, h?tte es die junge Familie durchaus noch l?nger in Pittsburgh ausgehalten ¨C Job und Lebensstil haben ihr gefallen. Doch der Wunsch, die Kinder mit den Grosseltern aufwachsen zu sehen, wuchs stetig. Als Hug von der bevorstehenden Pension von Andersson erfuhr, z?gerte sie nicht und bewarb sich f¨¹r die frei werdende Stelle. ?Das war eine einmalige Gelegenheit!?

Es hat geklappt: Seit einem Jahr ist Hug Ausserordentliche Professorin am selben Institut, das sie vor acht Jahren verlassen hatte. Im Juli tritt sie die Nachfolge ihres Doktorvaters an. ?Andersson ist eine Koryph?e im Bereich Energiesysteme ¨C ich f¨¹hle mich geehrt, seine Professur weiterzuf¨¹hren. Gleichzeitig ist es wie nach Hause kommen. Die ETH steht f¨¹r hochstehende Forschung ¨C ich bin stolz, Teil davon zu sein?, sagt sie.

Netzwerken f¨¹r Netzwerke

Hugs Arbeiten zum Design und Betrieb k¨¹nftiger Stromnetze erlangten in Fachkreisen viel Beachtung. Ein Beispiel sind neuartige Ans?tze der verteilten Optimierung, die sie auf die Teilnehmer in Energienetzen anwandte. Aber nicht nur wie Elemente im Stromnetz miteinander kommunizieren ist zentral, das Gleiche gilt auch f¨¹r Menschen. In den USA habe sie eine ausgepr?gte Kultur der wissenschaftlichen Zusammenarbeit kennengelernt ¨C Netzwerken leicht gemacht. ?Sich mit Menschen aus unterschiedlichen Fachgebieten auszutauschen, um auf neue Ideen zu kommen ¨C diese Kultur m?chte ich an der ETH weiterleben?, sagt Hug. Dazu geh?rt f¨¹r sie auch, Doktoranden gemeinsam mit anderen Professoren zu betreuen.  

?Nicht ohne meinen Mann?

Ein Lehrstuhl mit Vollzeitpensum, h?ufiges Reisen, eine f¨¹nfk?pfige Familie ¨C wie machen Sie das, Frau Hug? Sie lacht: ?Mein Mann ist Hausmann und Vater. Er kocht und sorgt sich um die Kinder.? Sicher sei sie gut organisiert und arbeite diszipliniert, und die Wochenenden geh?rten strikt der Familie. ?Aber ohne meinen Mann ginge das alles nicht. Daf¨¹r bin ich ihm unendlich dankbar?.