Vernetzte Farben
Ein Team mit Beteiligung von ETH-Wissenschaftlern nutzten erstmals Materialien mit einer netzwerkartigen Nanostruktur, um damit eine ganze Palette an intensiven Farben herzustellen. Die Natur wendet das Prinzip schon lange an: bei der Gefiederfarbe bestimmter Vogelarten in Südamerika.
Ein internationales Forscherteam entwickelte ein neuartiges Prinzip, um verschiedenfarbige Beschichtungen für Metalle herzustellen. Die Farben kommen aufgrund einer auf der Nanometer-Skala speziellen Feinstruktur des Beschichtungsmaterials zustande. Im Gegensatz zu anderen, bestehenden Strukturfarben (siehe Kasten) l?sst sich das neue Herstellungsprinzip sehr einfach grossfl?chig anwenden. Ausserdem sind die Farben ausgesprochen intensiv und das Material ?usserst kratzfest.
Beim verwendeten Material handelt es sich um einen Zwei-Schichten-Designer-Werkstoff. Die untere Schicht ist ein von winzigen Hohlr?umen durchsetztes metallisches Netzwerk. Es besteht aus einer Legierung aus Platin, Yttrium und Aluminium. Die Forschenden erzeugten die Hohlr?ume durch einen einfachen ?tzprozess. Auf dieses ?Nano-Schwamm-Netzwerk? trugen die Wissenschaftler eine sehr dünne Oxidschicht.
Farbe h?ngt von Schichtdicke ab
Interessant ist, dass der entstehende Farbeindruck von der Dicke dieser Aluminumoxid-Schicht abh?ngt: Eine 12-Nanometer-Schicht macht das Material grünlich, eine 24-Nanometer-Schicht gelb, eine 28-Nanometer-Schicht orangefarben, eine 48-Nanometer-Schicht blau und eine 53-Nanometer-Schicht violett.
?Die Farbe entsteht aufgrund der Wechselwirkung des Umgebungslichts mit den beiden Materialschichten und insbesondere der ungeordneten Grenzschicht zwischen den beiden Materialien?, erkl?rt der Physiker Henning Galinski. ?In dieser Grenzschicht k?nnen wir sehr gezielt Licht bestimmter Wellenl?ngen einfangen und konzentrieren.? Galinski ist Erstautor der aktuellen Studie und arbeitet in den Labors von ETH-Professor Ralph Spolenak und Federico Capasso, Professor an der Harvard University. Zur theoretischen Erkl?rung des Funktionsprinzips trug die Gruppe von Andrea Fratalocchi, Professor an der King Abdullah University of Science and Technology (KAUST) in Saudi-Arabien, mit umfangreichen Computersimulationen bei.
Chaotische Netzwerkstruktur
Bisherige Strukturfarben haben in der Regel einen sich periodisch wiederholenden Aufbau, welcher den Farbeindruck bestimmt. Dies hat den Nachteil, dass bereits kleinste Defekte die optischen Eigenschaften massiv ver?ndern.
Die von Galinski und seinen Kollegen entwickelten Netzwerke folgen hingegen keiner klaren Ordnung: die Hohlr?ume des Netzwerks sind zwar ?hnlich gross, aber nicht genau gleich gross. Die physikalischen Eigenschaften werden von der durchschnittlichen Hohlraumgr?sse bestimmt, nicht jedoch von der Gr?sse jedes einzelnen Hohlraums.
?Unser Ansatz beruht auf Unordnung, nicht auf der pr?zisen Herstellung von sich millionenfach repetierenden Untereinheiten. Daher ist unser Ansatz extrem fehlertolerant?, so Galinski. ?Ausserdem kann man unseren ?tz- und Beschichtungsprozess grossfl?chig anwenden, auch auf mehreren Quadratmeter grossen Fl?chen.? Bisherige Strukturfarben seien wegen ihrer aufw?ndigen und teuren Herstellung meist auf einen kleineren Massstab beschr?nkt gewesen.
Farbige Netzwerkmaterialien gibt es auch in der Natur. So sind in Südamerika Vogelarten heimisch, bei welchen Keratin-Netzwerke für die Gefiederf?rbung verantwortlich sind. ?Wir sind jedoch die ersten, die zeigen, dass man solche Netzwerkmaterialien technisch als Strukturfarben anwenden und dabei den Farbeindruck steuern kann?, sagt Galinski.
Geldscheine und Flugzeuge
Anwenden k?nnte man die neuen Strukturfarben zum Beispiel für sehr dünne Sicherheitsmerkmale in Geldscheinen oder um damit Fahrzeug- oder Flugzeug-Carosserien zu f?rben, im Milit?rbereich auch für Tarnanstriche. ?Wir verstehen unser System aber auch als Plattform, auf deren Basis zahlreiche Weiterentwicklungen m?glich sind?, sagt Galinski.
Das neue Metamaterial – so bezeichnen Wissenschaftler künstlich hergestellte Werkstoffe mit optischen, elektrischen oder magnetischen Eigenschaften, die in der Natur nicht vorkommen – sei auch für Energiesysteme wie Dünnschicht-Solarzellen interessant. ?Wir haben ein extrem dünnes Material entwickelt, in dem an einzelnen Punkten Licht konzentriert und perfekt absorbiert wird?, so Galinski. Damit k?nne man eine ?usserst effiziente Lichtsammelfalle entwickeln. Die Lichtkonzentration sei ausserdem weitgehend unabh?ngig vom Lichteinfallswinkel, ein weiterer Pluspunkt für eine Anwendung in Solarzellen.
Pigmentfarben und Strukturfarben
Die meisten Lackierungen und Malerfarben enthalten Farbpigmente. Das sind chemische Verbindungen, welche Licht bestimmter Wellenl?ngen absorbieren. Die vom Pigment nicht absorbierten Anteile des Umgebungslichts werden reflektiert, sie bestimmen den Farbeindruck. Physikalisch gesehen entsteht die Farbe durch Abschw?chung des Lichts an den einzelnen Farbpigmenten.
Strukturfarben hingegen kommen aufgrund der speziellen Oberfl?chenstruktur eines Materials zustande. Entsprechende Materialien haben ein ausgeklügeltes Design und sind oft mehrschichtig aufgebaut. Der Farbeindruck entsteht durch die gezielte Ausl?schung des Lichts innerhalb dieser Materialschichten und ihrer Grenzfl?chen.
Literaturhinweis
Galinski H, Favraud G, Dong H, Totero Gongora JS, Favaro G, D?beli M, Spolenak R, Fratalocchi A, Capasso F: Scalable, ultra-resistant structural colors based on network metamaterials. externe Seite Light: Science & Applications, published ahead of advance online publication 27 September 2016