Widriger Wind auf der Île de la Possession

Heute ist ein besonderer Tag. Es ist der 31.12.2016, der letzte Tag des Jahres. Wir warten ungeduldig ¨C im Gegensatz zur Besatzung des russischen Forschungsschiffs ?Akademik Treshnikov? aber nicht auf die bevorstehende Silvesterparty, sondern auf unseren Helikopterflug zur subantarktischen ?le de la Possession. Diese geh?rt zu den Crozetinseln im s¨¹dlichen Indischen Ozean (siehe Kasten).

Seit langem bereite ich mich darauf vor und freue mich riesig. Pascal Graf (siehe seinen Blogbeitrag) und ich haben Karten studiert, alle Flaschen zum Probensammeln beschriftet und unsere Kleidung innen und aussen genauestens untersucht, um keine fremden Tier- oder Pflanzenarten einzuschleppen. Wir wissen, wie die Helikoptert¨¹r unter Wasser ge?ffnet werden kann, falls wir ins Meer st¨¹rzen, und kennen den Wetterbericht in- und auswendig.

?bers Wasser statt durch die Luft

Nun warten wir bereits seit zwei Stunden. Die Helikopter starten nicht, da der Wind zu stark ist. Viele Teams wollen auf die Insel. Alle sitzen ungeduldig in der engen Kaffee-Ecke. Hier vermischen sich Zweckpessimismus und aufgestaute Energie. Etwas habe ich auf dem Schiff unterdessen gelernt: Wenn so viele Menschen auf engem Raum zusammenleben, entstehen sehr schnell Ger¨¹chte. So auch an diesem Morgen: Es w¨¹rden Abkl?rungen gemacht, ob wir mit den Schlauchbooten zur Insel ¨¹bersetzen k?nnten, heisst es. Die Inselverwaltung hat uns das Landen mit Schlauchbooten nur in Ausnahmef?llen erlaubt. Ist dies nun eine dieser Ausnahmen?

Eine Viertelstunde sp?ter folgt die Best?tigung: Wir k?nnen mit den Schlauchbooten ¨¹bersetzen. Nach drei Stunden Warten und Bangen herrscht endlich wieder reger Betrieb auf dem Schiff. Ich hole meinen Trockenanzug aus der Kabine, bekomme eine Schwimmweste und kann zusammen mit Pascal und Nicolas, einem Meeresforscher, Richtung ?le de la Possession abfahren.

Das Meer ist unruhig. Der Wind peitscht das Wasser stellenweise ¨¹ber die Meeresoberfl?che. Es spritz eiskalt ¨¹ber den Bug. Gl¨¹cklicherweise kommt das Ufer schnell n?her. Das Schlauchboot landet sanft auf dem Strand, welcher uns seinerseits unsanft empf?ngt ¨C der Wind bl?st die Sandk?rner so kraftvoll ¨¹ber den Strand, dass wir fiese Nadelstiche sp¨¹ren (und noch Tage sp?ter Sand in den Haaren finden). Doch endlich sind wir auf der Insel!

Widrige Bedingungen

An Land begr¨¹sst uns Caspar, ein Wissenschaftler der lokalen Forschungsstation. Er wird uns durch die Seenlandschaft f¨¹hren. Schon jetzt ist klar, ein Spaziergang wird das nicht. Die subantarktische Meeresluft str?mt uns immer noch heftig um die Ohren. Statt eines Sonnenbrandes m¨¹ssen wir eher mit ?K?lte-Verbrennungen? aufgrund des starken Windes rechnen. Wir haben drei Stunden Versp?tung, also los!

Doch so einfach geht das nicht. Zum einen erfahren wir, dass es nicht gen¨¹gend Schneeschuhe f¨¹r Pascal, Nicolas und mich gibt. Diese brauchen wir, um abseits der Pfade die Pflanzen und den Boden nicht zu stark zu verletzen. Zum anderen teilt uns die n?chste Ladung Forschender vom Schiff mit, dass keine weiteren Schlauchboote an Land fahren werden, da Wind und Wellengang mittlerweile zu stark sind. Dies stellt einige Teams vor grosse Schwierigkeiten, weil noch nicht alle Mitglieder und alles notwendige Material zur Probenentnahme auf der Insel sind. So nah am Ziel, und doch so weit davon entfernt.

Mit Teamgeist gel?st

Wir finden zum Gl¨¹ck eine L?sung: Nicolas und ich gehen die Wasserproben gemeinsam sammeln, w?hrend Pascal am Strand den anderen Teams hilft. So lassen wir die Pinguinkolonie am Strand hinter uns und wandern durch eine Sumpflandschaft in einem ebenen Tal. Die Schneeschuhe f¨¹hlen sich seltsam an, doch bin ich dankbar um sie, denn ohne w¨¹rde ich knietief im Boden einsinken.

In einer Ebene stossen wir auf viele Seen. Einer liegt etwas abgeschieden auf 100 Meter ¨¹ber Meer und eignet sich wunderbar f¨¹r unsere Zwecke. Die Wasserproben gleichm?ssig auf allen R¨¹cken verteilt, erreichen wir drei Stunden sp?ter wieder den Strand und haben sogar noch Zeit f¨¹r ein Foto mit den Pinguinen. Zum Gl¨¹ck weht der Wind nun etwas schw?cher, und alle kommen heil aufs Schiff zur¨¹ck ¨C rechtzeitig zur Silvesterparty.

F¨¹rs Leben gelernt

Die Inseltage sind eine herausfordernde und sehr lehrreiche Zeit. Die Zusammenarbeit auf der Insel ¨C sowohl mit den Guides als auch unter uns Forschenden ¨C klappt sehr gut. Es ist eindr¨¹cklich zu erfahren, wie sich die Expeditionsteilnehmenden trotz unterschiedlicher Projekte gegenseitig helfen, damit alle ihre Ziele erreichen.