Hologramm für Moleküle
Wissenschaftler der ETH Zürich und von Roche entwickelten eine v?llig neuartige Methode zur Analyse von Molekülen in Flüssigkeiten auf einem Chip. Die Anwendungsm?glichkeiten dieser Technologie sind immens. Unter anderem hat sie das Potenzial, die medizinische Diagnostik zu revolutionieren.
Im Blut oder Urin l?sst sich so einiges nachweisen: Viruskrankheiten, Stoffwechselst?rungen oder Autoimmunerkrankungen beispielsweise lassen sich mit Laboruntersuchungen diagnostizieren. Solche Untersuchungen dauern oft ein paar Stunden und sind ziemlich aufwendig, weshalb ?rzte die Proben spezialisierten Labors übergeben.
Wissenschaftler der ETH Zürich und von der Firma Roche haben gemeinsam eine v?llig neuartige Analysemethode entwickelt, die auf Lichtbeugung an Molekülen auf einem kleinen Chip basiert. Die Technik hat das Potenzial, die Diagnostik zu revolutionieren: ?rzte dürften damit in Zukunft komplexe Untersuchungen einfach und schnell direkt in ihrer Praxis durchführen k?nnen.
Mit Laser-Licht direkt sichtbar gemacht
So wie andere etablierte Diagnoseverfahren nutzt auch die neue Methode das Schlüssel-Schloss-Prinzip der molekularen Erkennung: Um beispielsweise ein bestimmtes im Blut gel?stes Protein (?Schlüssel?) zu bestimmen, muss es an einen passenden Antik?rper (?Schloss?) andocken. W?hrend in etablierten immunologischen Testverfahren der ?Schlüssel im Schloss? mit einem zweiten, farbig markierten ?Schlüssel? sichtbar gemacht wird, ist dieser Schritt im neuen Verfahren nicht mehr n?tig: Mit Laser-Licht kann der ?Schlüssel im Schloss? direkt sichtbar gemacht werden.
Die Wissenschaftler nutzen dazu einen Chip, mit einer speziell beschichteten Oberfl?che: Es liegen darauf kleinste kreisf?rmige Punkte, die ein bestimmtes Streifenmuster aufweisen. Das fragliche Molekül haftet sich an die Streifen, jedoch nicht an die Zwischenr?ume zwischen den Streifen. Wird nun Laser-Licht der Chipoberfl?che entlanggeführt, wird dieses wegen der speziellen Anordnung der Moleküle im Muster gebeugt (abgelenkt) und auf einen Punkt unterhalb des Chips gebündelt. Ein Lichtpunkt wird sichtbar. Geben die Wissenschaftler Proben ohne das fragliche Molekül auf den Chip, wird das Licht nicht gebeugt, und es ist kein Lichtpunkt sichtbar.
Zusammenspiel der Moleküle
?Der Lichtpunkt ist ein Effekt des Zusammenspiels von hunderttausenden von Molekülen in ihrer speziellen Anordnung?, sagt Christof Fattinger, Wissenschaftler bei Roche. ?Wie bei einem Hologramm wird dabei der Wellencharakter des Laser-Lichts gezielt genutzt.?
Janos V?r?s, Professor für Bioelektronik an der ETH Zürich, vergleicht das Prinzip mit einem Orchester: ?Die Moleküle sind die Musiker, das Streifenmuster ist der Dirigent. Er sorgt dafür, dass alle Musiker im Takt spielen.? Die Wissenschaftler nennen das Streifenmuster ?Mologramm? (molekulares Hologramm), die neue Diagnosetechnik ?fokale Molografie?.
Roche-Wissenschaftler Fattinger hat das neue Prinzip erfunden und dessen theoretischen Grundlagen erarbeitet. Vor fünf Jahren machte er ein Sabbatical in der Gruppe von ETH-Professor V?r?s. Aus der damals begonnenen Zusammenarbeit zwischen Wissenschaftlern von Roche und der ETH Zürich ist nun die praktische Umsetzung der Molografie entstanden.
Andere Moleküle st?ren nicht
Ein wesentlicher Vorteil der neuen Methode: Das Signal (der Lichtpunkt) kommt nur aufgrund der sich spezifisch an das Mologramm heftenden Moleküle zustande. Weitere in einer Probe vorhandene Moleküle erzeugen kein Signal. Die Methode ist daher wesentlich schneller als bisherige, auf dem Schlüssel-Schloss-Prinzip beruhende Analysemethoden. Bei letzteren müssen weitere in einer Probe vorhandene Moleküle weggewaschen werden, was die Diagnose verlangsamt und verkompliziert. Die neue Methode eignet sich deshalb hervorragend zur Messung von Proteinen in Blut oder anderen K?rperflüssigkeiten.
?Wir rechnen damit, dass dank dieser Technologie künftig mehr Laboruntersuchungen direkt in Arztpraxen statt in spezialisierten Labors durchgeführt werden. Und in ferner Zukunft benutzen Patienten die Technik vielleicht sogar zu Hause?, sagt ETH-Professor V?r?s.
Grosses Potenzial
Auf einem kleinen Chip sind mehrere Mologramme angeordnet. In der derzeitigen Ausführung messen 40 Mologramme dasselbe Molekül. In Zukunft k?nnte es allerdings m?glich werden, auf einem Chip 40 oder noch mehr unterschiedliche Biomarker gleichzeitig zu messen.
Die Anwendungsm?glichkeiten der neuen Technik sind immens. So k?nnte sie überall dort zum Einsatz kommen, wo man die Wechselwirkung zwischen Molekülen erkennen und untersuchen m?chte. Die Methode ist so schnell, dass sie sich sogar für Echtzeitmessungen eignet. Dies ist für die biologische Grundlagenforschung interessant: Es kann damit beispielsweise untersucht werden, wie schnell sich ein biochemisches Molekül an ein anderes heftet. Die Qualit?tskontrolle bei der Trinkwasseraufbereitung oder die Prozessüberwachung in der biotechnologischen Industrie w?ren weitere Anwendungen.
Mit Hochdruck zur Marktreife
?Dass wir die Idee erfolgreich in die Praxis umsetzen konnten, h?ngt wesentlich damit zusammen, dass unser Projektteam interdisziplin?r war?, sagt V?r?s. An der Arbeit beteiligt waren unter anderem Experten in Fotochemie, Chipherstellung und für Oberfl?chenbeschichtung. Für das Mologramm nutzen die Wissenschaftler auch spezielle Beschichtungspolymere, die unl?ngst im Labor von ETH-Professor Nicholas Spencer entwickelt wurden (ETH News berichtete). ?Ohne diese Polymere und ohne die Zusammenarbeit mit Janos V?r?s w?ren wir noch lange nicht am Ziel?, sagt Fattinger.
Um die Methode weiterzuentwickeln, wird die Zusammenarbeit von Roche und der ETH Zürich weitergehen. In der Gruppe von ETH-Professor V?r?s arbeiten mehrere Wissenschaftler und Doktoranden auf dem Projekt. Auch haben die ETH Zürich und Roche vor, verschiedene Vermarktungsm?glichkeiten für Anwendungen der Methode auszuloten.
Literaturhinweis
Gatterdam V, Frutiger A, Stengele KP, Heindl D, Lübbers T, V?r?s J, Fattinger C: Focal Molography: A new method for the in-situ analysis of molecular interactions in biological samples. Nature Nanotechnology, 25. September 2017, doi: externe Seite 10.1038/nnano.2017.168