Ein Mikroskop für magnetische Atome

Schon die Philosophen im antiken Griechenland vermuteten, dass Materie aus Atomen besteht. Direkt sichtbar gemacht wurden Atome allerdings erst vor knapp 35 Jahren ¨C in Z¨¹rich. Mit dem von Gerd Binnig und Heinrich Rohrer entwickelten Rastertunnelmikroskop konnten Materialoberfl?chen mit einer r?umlichen Aufl?sung von weniger als einem Nanometer untersucht werden ¨C genug, um einzelne Atome zu sehen.

Forscher um Urs Ramsperger und Danilo Pescia am Labor f¨¹r Festk?rperphysik der ETH Z¨¹rich haben nun gemeinsam mit einem Kollegen der Istanbul Technical University die M?glichkeiten solcher Extrem-Mikroskope um ein entscheidendes Detail erweitert. Wie sie im Fachmagazin Scientific Reports berichten, ist es ihnen gelungen, die Magnetisierung eines Materials mit einer r?umlichen Aufl?sung von wenigen Nanometern zu messen. In Zukunft k?nnte diese Technologie sowohl f¨¹r das Abbilden magnetischer Materialien als auch f¨¹r die Entwicklung neuer Methoden der Informationsverarbeitung n¨¹tzlich sein.

Eine Technologie, die es gar nicht geben d¨¹rfte

Das Besondere an der neuen Technologie ist, dass sie eigentlich gar nicht funktionieren d¨¹rfte. Um einzelne Atome aufzul?sen, wird n?mlich in einem Rastertunnelmikroskop eine Metallspitze der Materialoberfl?che bis auf atomare Abst?nde im Bereich eines Nanometers gen?hert. Nach den Regeln der Quantenmechanik k?nnen bei derart kurzen Entfernungen Elektronen aus der Metallspitze in das Material tunneln und so einen Strom erzeugen, mit dem sich dann ein Abbild der Oberfl?che herstellen l?sst.

Die ETH-Forscher erh?hten nun diesen Abstand auf mehrere Nanometer und erlebten dabei gleich zwei ?berraschungen, wie Danilo Pescia erkl?rt: ?Zum einen hatten wir trotz des h?heren Abstands noch eine sehr gute r?umliche Aufl?sung, und zum anderen konnten wir Elektronen aus der Tunnelregion extrahieren ¨C obwohl Rechnungen gezeigt hatten, dass dies praktisch nicht m?glich sein sollte.? Normalerweise sind die Elektronen, die von der Metallspitze aus in das Material tunneln, in diesem Zwischenraum gefangen und sollten selbst bei gr?sseren Abst?nden der Theorie zufolge die Tunnelregion nur ?usserst selten verlassen.

Informationen im Elektronenspin

Die extrahierten Elektronen enthalten allerdings wertvolle Informationen. Insbesondere ihr Spin ist f¨¹r die Forscher interessant, denn er gibt Aufschluss dar¨¹ber, ob und in welche Richtung die Atome des zu untersuchenden Materials magnetisiert sind. Der Spin gleicht einem inneren Drall der Elektronen, f¨¹hrt in der Praxis aber nur zu einem sehr kleinen Messsignal. Ihn nachzuweisen ist daher eine grosse technische Herausforderung, insbesondere unter den schwierigen Umst?nden eines Tunnelexperimentes.

In ihrem Experiment legten die Wissenschaftler eine geeignete elektrische Spannung an die Metallspitze eines Rastertunnelmikroskops, wodurch Elektronen ohne eine bestimmte Spinrichtung austraten. Trafen diese auf magnetische Atome ¨C auf Atome also, die selbst einen Spin haben ¨C so wurde deren Spinrichtung auf die aus der Tunnelregion extrahierten Elektronen ¨¹bertragen. Schliesslich wurde die Spinrichtung dieser Elektronen mit einem Spin-Detektor nachgewiesen. Auf diese Weise gelang es, die Magnetisierung im Material mit einer r?umlichen Aufl?sung von f¨¹nf Nanometern zu messen.

Fr¨¹here Versuche scheiterten

Schon vor knapp dreissig Jahren wurde sowohl bei IBM Z¨¹rich als auch am National Institute of Standards and Technology in den USA ein ?hnliches Experiment versucht. Das Ziel, ein r?umlich aufgel?stes Bild des magnetischen Zustandes zu erhalten, wurde aber verfehlt. Die ETH-Forscher sind zufrieden, dass ihnen das jetzt trotz der negativen Voraussagen gelungen ist. Nun arbeiten sie daran, den unerwarteten Erfolg auch theoretisch zu verstehen und die Grenzen der neu entstandenen Technologie zu erweitern. Auch in den USA gibt es derzeit wieder starkes Interesse an ?hnlichen Instrumenten wie dem an der ETH entwickelten, und die National Science Foundation f?rdert entsprechende Projekte grossz¨¹gig.

Vielf?ltige Anwendungen m?glich

F¨¹r Urs Ramsperger und Danilo Pescia enth?lt diese Geschichte eine klare Lehre: ?In der Forschung darf man sich nicht scheuen, auch mal das Unm?gliche zu probieren?, sagen sie und f¨¹gen hinzu: ?Manchmal klappt es in der Praxis besser als in der Theorie ¨C Papier ist eben nur Papier.? Dieser Mut hat sich nun ausgezahlt und wird, so hoffen die Forscher, zu vielerlei Anwendungen f¨¹hren. Man k?nnte zum Beispiel die magnetischen Eigenschaften von Materialien in Echtzeit mit einer Aufl?sung von Billionstel Sekunden untersuchen. Da im jetzigen Experiment im Endresultat eine elektrische Spannung in einen Spin umgewandelt wurde (womit es ein Beispiel der modernen ?Spintronik? darstellt), sollte auch die gezielte Manipulation der Magnetisierung einzelner Atome m?glich sein.