«Das ist, wie wenn man die A-Jugend von Barcelona spielen sieht»

ETH-News: Welche Art von Forschung f?rdert die Forschungskommission der ETH Z¨¹rich?
Uwe Sauer: Wir f?rdern grundlegende Forschung aus allen Disziplinen der ETH Z¨¹rich, und explizit auch die Zusammenarbeit innerhalb und zwischen Disziplinen. Unsere F?rderung ber¨¹cksichtigt die Naturwissenschaften genauso wie die Ingenieur- und Sozialwissenschaften, und sie umfasst die Anwendung ebenso wie Methodenentwicklung und Grundlagenforschung. Unser Anspruch ist: Wir wollen eine T¨¹r ?ffnen f¨¹r originelle Forschungsideen, die langfristig neue Forschungsgebiete erschliessen k?nnen.

Gibt es dazu ein Beispiel?
In der Nanotechnologie entstehen derzeit viele Anwendungen, die f¨¹r Materialwissenschaften, Chemie und Biologie interessant sind. In diesem Bereich haben wir in letzter Zeit einige Projektantr?ge gef?rdert, die ausprobieren wollen, wie diese Technologie sinnvoll eingesetzt werden kann. F¨¹r eine solche Anschubfinanzierung haben wir die ?ETH Grants?.

Ausser der ETH Z¨¹rich kennt einzig die Max-Planck-Gesellschaft eine interne Forschungsf?rderung.
Das hat systematische und historische Gr¨¹nde: Als finanzielle Einschnitte anstanden, traf die ETH Entscheidungen, die in die Zukunft wiesen. Schulleitung und Professoren teilten die Meinung, dass es besser sei f¨¹r die Forschung an der ETH Z¨¹rich, wenn die Forschungskommission einen Teil der Mittel kompetitiv vergebe.

Welche Bedeutung hat die Forschungskommission f¨¹r die ETH Z¨¹rich?
Die gute Grundausstattung ist eine St?rke der ETH Z¨¹rich. Sie erlaubt es den Professuren, autonom ihren Forschungsideen zu folgen. Ein Gutteil der Grundausstattung wird jedoch gebraucht, um die komplexen Forschungsger?te und Technologien zu unterhalten und das kompetente wissenschaftliche und administrative Personal zu entlohnen. Unsere kompetitive F?rderung gibt erg?nzend dazu den Forschenden die Chance, neue Ideen zu testen und neue Forschungslinien zu entwickeln. Die Qualit?t der Forschung an der ETH Z¨¹rich steigt dadurch insgesamt.

Weshalb?
Wem die Forschungskommission zu einem fr¨¹hen Zeitpunkt eine Startfinanzierung gew?hrt, hat sp?ter sehr gute Chancen, bei grossen F?rderorganisationen wie dem Schweizerischen Nationalfonds SNF oder dem Europ?ischen Forschungsrat ERC zu re¨¹ssieren. Das ist speziell f¨¹r Assistenzprofessorinnen und -professoren und f¨¹r den Mittelbau wichtig.

Wie unterst¨¹tzt die Forschungskommision junge Forschende am Anfang einer wissenschaftlichen Karriere?
F¨¹r junge Forschende ist es eine grosse Herausforderung, als selbst?ndige Wissenschaftler wahrgenommen zu werden. Die ETH Z¨¹rich m?chte das Innovationspotenzial auf allen Stufen nutzen. Entsprechend k?nnen Forschende aus dem Mittelbau, die keine Professur haben, bei uns kompetitive F?rdermittel f¨¹r eigene Forschung einwerben. Diese Chance haben sie zu Beginn ihrer Karriere fast nur bei uns. Damit tr?gt die Forschungskommission zur Karriereentwicklung und zum Erfolg von wissenschaftlichen Talenten bei.

Wieso ist Selbst?ndigkeit f¨¹r Jungforschende wichtig?
Weil sie ihr eigenes Forschungsgebiet wissenschaftlich entwickeln und dazu auch publizieren m¨¹ssen ¨C und zwar in eigenem Namen. Nat¨¹rlich k?nnen junge Forschende innerhalb einer Professur ihre Karriere starten. Oft leiten sie eine Gruppe, die eine f¨¹r die Professur wichtige, neue Technologie entwickelt oder ein Thema untersucht. Die Finanzierung der Forschungskommission erm?glicht es ihnen jedoch, ihre Forschungsidee v?llig selbst?ndig umzusetzen.

F?rdern Sie den Mittelbau in die Breite oder in die Spitze?
Wir f?rdern Spitzenforschung. Also immer in die Spitze. Wir beurteilen alle Antr?ge nach dem gleichen Massstab der Qualit?t und der Originalit?t ¨C f¨¹r eine gezielte Anschubfinanzierung von neuen Ideen. Unser Juwel sind dabei die ?ETH Fellowships?. Das sind Stipendien, f¨¹r die sich herausragende, ¨¹berwiegend ausl?ndische Postdoktorierende bewerben, um ihre Idee an der ETH umzusetzen. Das ist, wie wenn man die A-Jugend des FC Barcelona spielen sieht und entscheiden kann, wer zu uns in die erste Mannschaft kommt.

Wie stellt die Forschungskommission sicher, dass sie wirklich die qualitativ besten und originellsten Ideen f?rdert?
Alle Antr?ge durchlaufen ein mehrstufiges Evaluationsverfahren. Bei den ?ETH Grants? diskutieren wir die Projekte und die dazu eingeholten externen Fachgutachten sowohl in den fachnahen Subkommissionen als auch im Plenum, um die originellsten zu identifizieren. Im Plenum sind die verschiedenen Forschungsbereiche der ETH Z¨¹rich ausgewogen vertreten, und es z?hlen die Argumente. Dieses System funktioniert gut. Bei den ?ETH Fellows? treten die Kandidierenden zum Interview an. Dabei trennt sich die Spreu vom Weizen, weil wir sehen, wer mit uns auf Augenh?he argumentiert und wessen Idee wirklich kreativ und exzellent ist.

Zum Schluss: In der Forschungskommission sitzen Sie sozusagen wie vor einem Fenster mit Ausblick auf die kommenden Forschungstrends. Sehen Sie einen solchen Trend?
Tats?chlich sind wir sehr nah an den aktuellen ?Brennpunkten? der Forschung. Einer von diversen Trends betrifft die Drohnentechnologie. Wir sehen bei den Antr?gen, dass die ETH Z¨¹rich in der Robotik und bei Drohnen extrem stark ist. Die Drohnentechnologie ist jetzt soweit, dass man sie f¨¹r vielf?ltigste Aufgaben in der Forschung entwickeln kann. Zum Beispiel lassen sich Drohnen einsetzen, um die Qualit?t von Infrastrukturen wie Br¨¹cken zu ¨¹berpr¨¹fen ¨C oder um Gletscher in Polarregionen zu ¨¹berwachen.