Preisgekrönte künstliche Darmflora
Ein Forschungsteam um den Mikrobiologen Tomas de Wouters gewinnt den ?Spark Award 2018? für die Entwicklung einer künstlichen Darmflora. Mit ihrem ETH-Spin-off Pharmabiome wollen die Wissenschaftler ihre Erfindung so weiterentwickeln, dass sie zur Behandlung von entzündlichen Darmerkrankungen und Infekten eingesetzt werden kann.
Wie lassen sich Erfindungen aus so unterschiedlichen Bereichen wie Medizin, Biologie oder Informatik gegeneinander abw?gen? Nach intensiven Diskussionen entschied sich die Spark-Award-Jury für den standardisierten Bakterienmix, den Tomas de Wouters zusammen mit einem Team von Forscherinnen und Forschern zur Stabilisierung des Darm?kosystems entwickelt haben. ?Diese Erfindung zeigt den Erfolg multidisziplin?rer Zusammenarbeit?, betonte Detlef Günther, ETH-Vizepr?sident für Forschung und Wirtschaftsbeziehungen, gestern in seiner Laudatio vor rund 200 G?sten im Audimax. ?Ihr Ansatz hat hohes Marktpotenzial und kann in absehbarer Zeit weiterentwickelt werden?.
Die Analyse und Vermehrung der komplexen Darmflora ist sehr anspruchsvoll, zumal die meisten ihrer Bakterien nur in einem sauerstofffreien Umfeld erforscht werden k?nnen. Anders als bei den Bakterien, die beispielsweise zum Verkauf von Joghurts beworben werden, wollen de Wouters und seine Kollegen nicht nur die gesunde Darmflora st?rken, sondern schweren Durchfall oder chronische Darmerkrankungen behandeln.
Multidisziplin?res Team
Damit der Schritt von der Wissenschaft in den Markt gelingt, hat das Team aus Bioinformatikern, Mikro- und Molekularbiologen sowie Medizinern von der ETH und dem Universit?tsspital Zürich das Spin-off Pharmabiome gegründet. Aktuell werben sie Mittel für die pr?klinische Phase ein. L?uft alles wie geplant, hoffen sie, schon 2020 erste klinische Tests machen zu k?nnen.
Insgesamt kamen fünf Erfindungen in die Endrunde für den ?Spark Award 2018?, der in diesem Jahr von der ETH Zürich zum siebten Mal für eine vielversprechende Erfindung verliehen wurde. An der Hochschule wurden allein im vergangenen Jahr 191 Erfindungen gemacht und 84 Patente angemeldet. Die Zahl der Innovationen bewegt sich damit seit einigen Jahren auf konstant hohem Niveau.
Tempo der Erfindungen steigt
Wie sehr sich das Tempo der Erfindungen seit Jahrhunderten, ja Jahrtausenden beschleunigt hat, hob Gastredner Fritz Fahrni hervor. Der Pr?sident des Verwaltungsrates von u-blox und emeritierte ETH-Professor für Technologiemanagement und Unternehmensführung, spannte den Bogen vom Beginn menschlicher Zivilisation bis hin zu den Innovationen der Zukunft. ?Der denkende Mensch wird zunehmend von Datennetzwerken und eines Tages vielleicht von künstlicher Intelligenz ersetzt werden?, sagte er voraus und nannte die st?ndige Verfügbarkeit von Energie als eine wichtige Grundlage für das steigende Tempo der Erfindungen.
Das Siegerprojekt
Bakterienmix für einen gesunden Darm: Ger?t die Darmflora aus dem Gleichgewicht, kann dies sogar Erkrankungen wie Asthma oder Diabetes ausl?sen. Tomas de Wouters, Mikrobiologe und CEO von Pharmabiome, hat mit Forschenden des Unispitals und der Universit?t Zürich eine Methode entwickelt, um einen Minimalmix aus Bakterien zu identifizieren, der das Darm?kosystem wieder stabilisiert. Der Bakterienmix wird auf die Person und die Krankheit abgestimmt und soll in Zukunft Menschen mit Infekten oder chronischen Erkrankungen des Darms helfen.
Die weiteren Finalisten
Neuartiger Mechanismus für portablen Radarreflektor: Cornelius Senn hat einen Reflektor für Radarmessungen entwickelt, dessen Einzelteile mit einem zum Patent angemeldeten System aus Laschen, die miteinander verzahnt werden, zusammengesetzt werden. Dadurch ist der Reflektor leicht zu transportieren und zusammenzusetzen. Solche Reflektoren kommen zum Beispiel in Eis und Schnee als Referenzpunkte für H?henmodelle und zum Scharfstellen des Radarfokus zum Einsatz.
Schwache Herzen st?rken: Wird das Herz bei einer Herzinsuffizienz mit zu wenig Sauerstoff versorgt, verbrennt es statt Fett Zucker. Infolge dessen lagert sich Fett im Herz ab und sch?digt das geschw?chte Organ weiter. Die Gruppe um Ursula Quitterer hat das Enzym identifiziert, das für die Umstellung von Fett- auf Zuckerverbrennung verantwortlich ist. Sie entwickelten einen Wirkstoff, der die Funktion des Enzyms beeinflusst, und künftig Patienten mit Herzinsuffizienz helfen soll.
Einschalten durch Berühren: Auch im Stand-by verbrauchen Ger?te Strom, weil sie auf das Aktivierungssignal warten. Michele Magno hat einen Null-Energie-Empf?nger entwickelt, der seine Energie aus dem Aktivierungssignal bezieht. Um ein Auto zu ?ffnen oder den TV anzuschalten, muss der Benutzer ein spezielles Armband mit einem Sender tragen. Berührt der Benutzer das Ger?t, wird es eingeschaltet. Diese Touch-Kommunikation kann in Zukunft auch codiert und zum Bezahlen oder zum Einschalten des Telefons genutzt werden.
Algorithmus für Actionszenen: Tobias N?geli und Otmar Hilliges haben einen Algorithmus entwickelt, mit dem Drohnen in Zukunft dynamische Filmszenen selbst?ndig aufnehmen k?nnen. Dazu muss der Regisseur schon bald nur noch die gewünschte Bildkomposition sowie einige Parameter, wie die zu verfolgende Person oder Kran- und Kamerafahrten, vorgeben. Die Drohne setzt dies dann eigenst?ndig w?hrend der Dreharbeiten um. Die Technologie wird aktuell zum Einsatz am Filmset verfeinert.