Den Jüngsten die Weltsprache beibringen

ETH-Informatiker Bernd G?rtner erkl?rt, warum sich schon die Kleinen mit Informatik befassen sollten. 

Bernd Gärtner

Informatik geh?rt zur Allgemeinbildung. Nehmen wir dies ernst, so hat das grundlegende Konsequenzen. Zum Beispiel sollten wir die Informatik unseren Kindern so vermitteln wie andere allgemeinbildende F?cher. Mathematik geh?rt selbstverst?ndlich dazu. Denn wer würde schon wollen, dass sein Kind nicht zwei und zwei zusammenz?hlen kann? Für mich ist es ebenso wichtig, dass unsere Kinder nicht als Informatik-Analphabeten aufwachsen.

Viel mehr als Computer und Bildschirme

Einige m?gen irritiert sein: Informatik ist sicher wichtig, aber warum schon für die Kleinen? Ich glaube eines der Missverst?ndnisse ist, dass viele bei Informatik zuerst an Computer und Bildschirme denken. Für mich ist Informatik aber etwas anderes: Es ist eine Denkschule, die mir hilft, Probleme auseinanderzunehmen und in einzelnen Schritten zu l?sen. Wenn ich eine L?sung vor Augen habe, muss ich sie genau durchdenken, denn eine kleine Variation kann alles ver?ndern. Funktioniert die L?sung, frage ich mich, ob es noch einen einfacheren oder schnelleren Weg gibt. Das ist es, was algorithmisches Denken ausmacht. Und Algorithmen bestimmen – egal, ob wir es wahrhaben wollen oder nicht – zunehmend unsere Welt.

Algorithmisches Denken ist kreativ – es regt den Geist an und f?rdert das Teamwork. Eigentlich alles, was wir uns auch vom Unterricht unserer Kinder wünschen. In Kursen, die wir am Departement geben, beobachten wir, wie Kinder selbst?ndig komplexe Muster programmieren oder kleine Computerspiele entwickeln - das ist Kreativit?t pur!

Informatikunterricht
Informatik spielerisch lernen (Bild: Informatiktage 2017 /ETH Zürich)  

Wo sind die Lehrmittel?

Informatik als Schulfach wird langsam Realit?t, dank jahrelanger ?berzeugungsarbeit von Informatikerinnen und Bildungsexperten. Doch es ist fast paradox: Die fortschreitende Digitalisierung hat diesen Prozess zwar beschleunigt, führt aber auch dazu, dass echte Informatik oft zu kurz kommt. Nur weil Klassenzimmer mit Computern ausgestattet sind und der Umgang mit Anwenderprogrammen ein Thema ist, lernt noch niemand Informatik. Mathematik lernt man ja auch nicht, indem man einen Taschenrechner benützt! So positiv die Entwicklungen in der Schule sind, muss sich die Informatik doch ihren Platz als eigenst?ndiges Grundlagenfach erst noch erobern. Ein grosses Problem dabei: Gerade für die Kleinen fehlen geeignete Lehrmittel.

?Und genau darum geht es: M?glichst kein Talent zu verlieren, nur, weil es in unserm Kulturkreis noch immer das Stereotyp gibt, dass Frauen weniger Informatik-affin seien als M?nner.?Bernd G?rtner

Viele Eltern und Lehrpersonen haben Hemmungen, wenn es um Informatikunterricht geht, weil sie sich vorstellen, dass die Kinder dann noch mehr vor Bildschirmen sitzen, als sie dies ohnehin schon tun. Für guten Informatikunterricht braucht es aber gar keine Computer. Das externe Seite Kinderlabor, das ich 2009 als unabh?ngige Non-Profit-Organisation mitgegründet habe, setzt genau hier an. Wir verleihen an Lehrpersonen Informatikkisten mit Unterrichtsmaterial, das sich für Kinder zwischen 4-8 Jahren eignet. Als ?Taschenrechner? liegen einfache Bodenroboter bei, mit denen die Kinder spielerisch das Gelernte umsetzen.

Eine universale Sprache lernen

Die frühe Besch?ftigung mit Informatik hat viele Vorteile. Tats?chlich lernen kleine Kinder Sprachen müheloser als wir Erwachsenen. Geh?rt es nicht zur Allgemeinbildung, dass Kinder jene Sprachen lernen, die weltweit am meisten ?gesprochen? werden? Nun, dazu geh?rt heute die Sprache der Algorithmen! Und noch einen entscheidenden Vorteil k?nnen wir bei uns im Kinderlabor erkennen: je früher Kinder mit Informatik in Kontakt kommen, desto weniger spielt das Geschlecht eine Rolle. 5-j?hrige M?dchen programmieren munter drauflos und sind gleich talentiert wie ihre Kollegen. Und genau darum geht es: M?glichst kein Talent zu verlieren, nur, weil es in unserm Kulturkreis noch immer das Stereotyp gibt, dass Frauen weniger Informatik-affin seien als M?nner.

Wie gesagt, Informatik geh?rt zur Allgemeinbildung. Das bedeutet nicht, dass alle Informatikerinnen und Informatiker werden müssen, aber es bedeutet, dass wir alle die gleiche Sprache sprechen, die Relevanz der Informatik verstehen und unabh?ngig vom Geschlecht den gleichen Zugang haben.                                          

Informatiktage 2018

Am 1. und 2. Juni beteiligt sich die ETH Zürich bereits zum dritten Mal an den Informatiktagen und ?ffnet ihre Türen für Jung und Alt. Exklusive Führungen, Live-Demos, Vortr?ge und Programmierworkshops – unter den rund 20 Veranstaltungspunkten ist für jeden etwas dabei. Auch das Kinderlabor wird mit einem offenen Atelier für Kinder ab ca. 4 – 8 Jahren und einem Kurs für Lehrpersonen vor Ort sein.

Alle Veranstaltungen finden im Geb?ude CAB an der Universit?tsstrasse 6, 8006 Zürich statt.

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