Der Reaktivität von Katalysatoren auf der Spur

Ein internationales Chemikerteam hat eine Methode gefunden, welche die Entwicklung neuer Katalysatoren beschleunigt. Sie kombiniert NMR-Spektroskopie mit chemischen Berechnungen und kann vorhersagen, wie die Reaktionsvermittler reagieren.

Chemische Reaktion mit einem Katalysator.
Die elektronische Beschaffenheit eines Moleküls bestimmt seine Reaktivit?t. Das Bild illustriert ein Katalysator-Molekül für die Herstellung von Polyethylen. (Bild: Christopher Gordon / ETH Zürich)

In rund 90 Prozent aller chemischen Prozesse in der Industrie werden Katalysatoren eingesetzt. Das sind Verbindungen, die chemische Reaktionen beschleunigen, bei tieferen Temperaturen ablaufen lassen oder sie überhaupt erm?glichen k?nnen. Die Analogie aus der Natur sind Enzyme, die komplexe biochemische Umwandlungen im Organismus hoch effizient und selektiv durchführen.

In der Industrie sind Katalysatoren essentiell, um Energie zu sparen, und dadurch Prozesse nachhaltiger und effizienter zu machen. Daher besteht ein grosses Interesse an solchen Reaktionsvermittlern, um Chemikalien und Materialien herzustellen. Allerdings ist die Entwicklung von Katalysatoren auch heute noch stark von Screening, also dem Durchprobieren verschiedener Moleküle, und somit vom Zufall abh?ngig.

Katalysatoren im Detail verstehen

Um neue Katalysatoren zu entwickeln oder effizienter zu machen, ist es wichtig, die Verteilung und Bindungsfreudigkeit ihrer Elektronen bis ins kleinste Detail zu verstehen. Diese elektronische Struktur bestimmt den Charakter eines jeden Moleküls und Katalysators, wie etwa die Farbe, den Geruch oder die Reaktivit?t. Kennt man die genaue elektronische Struktur, ist es auch m?glich, Vorhersagen über die chemischen Eigenschaften einer Verbindung zu machen.

Genau dies gelang nun Forschern der Gruppe von ETH-Professor Christophe Copéret mit einem internationalen Team: Sie konnten mit Hilfe der Kernspinresonanzspektroskopie (NMR) – einer weitverbreiteten Analysemethode in der Chemie – und modernsten computergestützen Methoden die elektronische Struktur von Katalysatoren pr?zise bestimmen und ihr Verhalten vorhersagen. Dank der neuen Methode, die sie aktuell in externe Seite PNAS vorstellen, wird der Weg zu neuen Katalysatoren einfacher und unabh?ngiger von Screening und Zufall.

Von Ethylen zu Polyethylen

In ihrer Studie untersuchten die Forscher Katalysatoren, die in der Industrie zur Polymerisierung von Olefinen eingesetzt werden. Polyolefine sind Grundchemikalien wie zum Beispiel Polypropylen und Polyethylen. Ihre Anwendung reicht von Verpackungen über Fischernetze bis hin zu Hightechprodukten wie kugelsicheren Westen. Polyethylen entsteht durch Polymerisierung von Ethylen in Gegenwart von sogenannten metallorganischen Katalysatoren. Diese enthalten ein Metall, das mindestens an ein Kohlenstoffatom gebunden ist.

In den Grundlagenvorlesungen der Chemie lernen Studierende, dass es in Molekülen Einfach-, Doppel- und Dreifachbindungen gibt. Und sie lernen, dass Polyolefine durch Katalysatoren erzeugt werden, die eine Metall-Kohlenstoff-Einfachbindung enthalten. Die Forscher in Copérets Gruppe fanden jedoch heraus, dass die Realit?t nicht immer so ganzzahlig ist: In den untersuchten Katalysatoren liegt die Kohlenstoff-Metall-Bindung je nach Metall und Ladung zwischen einer Einfach- und einer Doppelbindung.

Polymerisierung von Ethylen
Polymerisierung von Ethylen mit metallorganischen Katalysatoren nach Lehrbuch (das M steht für das Metall, typischerweise Titan, Zirkonium oder Hafnium). Die Lupe illustriert die Erkenntnis dank NMR-Spektroskopie, dass die Metall-Kohlenstoff-Bindung einen Doppelbindungscharakter hat. (Graphik: Christopher Gordon / ETH Zürich)

Doppelbindungscharakter bestimmt Reaktivit?t

Der Grad dieser Doppelbindung ist entscheidend für die katalytische Aktivit?t. Genau diesen Doppelbindungscharakter konnten die Forscher nun aus der NMR-Spektroskopie direkt aus der chemischen Verschiebung des Kohlenstoffatoms ableiten. Sie zeigten, dass ein Katalysator Polyolefine umso besser produziert, je mehr sich die Bindung zwischen dem Metall- und dem Kohlenstoffatom wie eine Doppelbindung verh?lt. Dies wurde bisher von Forschern nicht beachtet und führt zu einer kontraintuitiven Erkenntnis: Je mehr Doppelbindungscharakter die Kohlenstoff-Metall Bindung hat, desto kürzer und st?rker ist sie – trotzdem wird sie umso leichter bei der Olefinpolymerisierung gebrochen.

Katalysatoren schneller entwickeln

Durch Kombination von NMR-Spektroskopie mit theoretischen Berechnungen l?sst sich nun vorhersagen, ob ein Katalysator eine chemische Reaktion erm?glichen wird. Die Forscher erwarten, dass diese neue Methode das zeitaufw?ndige Design in Zukunft beschleunigen und gleichzeitig den Chemikern ein feineres Verst?ndnis der elektronischen Struktur von Katalysatoren vermitteln wird.

Literaturhinweis

Christopher P. Gordon, Satoru Shirasea, Keishi Yamamoto, Richard A. Andersenc, Odile Eisenstein,and Christophe Copéret: NMR chemical shift analysis decodes olefin oligo- and polymerization activity of d0 group 4 metal complexes, PNAS, 15 May 2018, doi: externe Seite 10.1073/pnas.1803382115

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