Bio als Treiber für eine nachhaltige Landwirtschaft
Biolandbau ist gewiss kein Allheilmittel. Mit den richtigen Politikinstrumenten kann er aber eine tragende Rolle in einer nachhaltigen Landwirtschaft spielen, meint Adrian Müller.
Wenn wir den Verlust an Biodiversit?t und fruchtbare B?den stoppen und Erosion und Gew?sserverschmutzung reduzieren wollen, dann muss sich die Landwirtschaft künftig grundlegend ver?ndern. Sonst werden wir auch die Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen (Sustainable Development Goals, SDGs), von denen viele direkt mit der Landwirtschaft zu tun haben1, nie erreichen.
Darüber, wie wir unsere Landwirtschaft nachhaltiger gestalten k?nnen, wird derzeit heftig gestritten. Exponenten agrar?kologischer Produktionsmethoden (wie zum Beispiel Biolandbau) heben die Vorteile dieser Ans?tze für die Umwelt hervor und behaupten, dass nur diese zu einer nachhaltigen Landwirtschaft beitragen k?nnen. Exponenten intensiver Produktion betonen hingegen die Notwendigkeit hoher Ertr?ge auf weniger Fl?che, um den Welthunger zu stillen. Sie argumentieren, dass ?kologische Methoden wegen ihrem erh?hten Landverbrauch nie nachhaltig sein k?nnen.
Diese polarisierte Debatte ist nicht zielführend. Es w?re besser, auf Politikans?tze zugunsten der SDGs zu fokussieren anstatt auf die Vor- und Nachteile einzelner Produktionsmethoden.
Vier Empfehlungen zuhanden der Politik
In einem kürzlich in Nature Sustainability2 publizierten Kommentar diskutieren wir vier Ans?tze für die Politik, die den ?bergang zu einer nachhaltigeren Landwirtschaft begünstigen.
- Erstens kann die Politik alternative (?kologische) Produktionsmethoden f?rdern. Dies kann über Direktzahlungen, Beratung und Wissensvermittlung oder über Forschungsf?rderung erfolgen. Ziel ist nicht, eine bestimmte Methode zu bevorzugen und überall umzusetzen. Es geht vielmehr darum, das Potential aller ?kologischer Methoden bestm?glich zu nutzen und diese als beispielhaft nachhaltige Methoden weiterzuentwickeln.
- Zweitens kann man das Bewusstsein der Konsumenten für Nachhaltigkeit in der Landwirtschaft f?rdern, ebenso wie das Engagement der H?ndler, entsprechende Produkte anzubieten.
- Drittens helfen verschiedene Instrumente, die Landwirtschaft gesamthaft nachhaltiger zu machen. Mittels Steuern auf Pflanzenschutzmittel, Mineraldünger und auf Stickstoff in importierten Futtermitteln (und in importierter Biomasse) lassen sich Pestizide und ?berdüngung reduzieren.
- Viertens k?nnen Regierung und Industrie darauf hinarbeiten, die rechtlichen Vorgaben zu versch?rfen, um beispielsweise besonders sch?dliche Substanzen zu verbieten.
Flexibel zu mehr ?kologie
Diese Politikans?tze sind flexibel, weil sie weder Biolandbau, integrierte Produktion, Pr?zisionslandwirtschaft oder sonst eine Produktionsmethode bevorzugt behandeln. In einer entsprechenden Landwirtschaftspolitik finden all diese Methoden Platz, solange sie nachweislich zu Verbesserungen führen.
Ein Beispiel: Ein konventioneller Betrieb, der mit weniger Stickstoff auskommt, wird belohnt, w?hrend ein Biobetrieb, der sehr stickstoffintensiv produziert und viele N?hrstoffe von ausserhalb eintr?gt, benachteiligt würde.
Biolandbau als Vorreiter
Biolandbau als prominentester Vertreter alternativer Produktion kann in dieser Debatte eine wichtige Rolle spielen. So hat der Biolandbau viel Erfahrung darin, die notwendigen Institutionen aufzubauen, um sich als alternative Methode zu entwickeln und zu wachsen. Alle vier genannten Politikans?tze k?nnen davon profitieren.
?Als besonders wichtig erachte ich, dass die Politik Inkonsistenzen ausr?umt – wie etwa gleichzeitige Subventionen für Pestizide und Biodiversit?t.?Adrian Müller
Darum sollten Regierungen mit ihrer Nachhaltigkeitspolitik nur diejenige Landwirtschaft f?rdern, die dazu beitr?gt, die SDGs zu erreichen. Als besonders wichtig erachte ich, dass die Politik Inkonsistenzen ausr?umt – wie etwa die gleichzeitige Vergabe von Subventionen für Pestizide oder Dünger und für die F?rderung der Biodiversit?t.
Die aktuelle Diskussion zur zukünftigen Agrarpolitik AP 22+ der Schweiz bietet Gelegenheit dafür3. Eine zentrale Frage in dieser Debatte ist etwa, wie man eine landwirtschaftliche Produktion, die an die lokalen Gegebenheiten angepasst ist und die Tragf?higkeit lokaler ?kosysteme nicht überschreitet, am besten f?rdern kann.
Politik ist jedoch stets herausfordernd, weil m?chtige Lobbys und starke Interessen im Spiel sind, was nicht unbedingt der Nachhaltigkeit f?rderlich ist.
Bauern und Bürger, Wissenschaft, Politik und Wirtschaft müssen daher am gleichen Strick ziehen, wollen sie erreichen, dass die Landwirtschaft von morgen wirklich anders aussieht als die heutige. Sonst werden wir 2030 zwar noch von den SDGs sprechen, diese stünden dann aber eher für die Sustainable Development Gaps (Nachhaltigkeitslücken) der Vereinten Nationen.
Besuchen Sie unsere Webinare
Die Autoren dieses Blogs und der Publikation2 organisieren mit Helvetas und dem World Food System Center eine Reihe von Webinaren mit politischen Entscheidungstr?gern zum Thema ?Koh?rente Richtlinien für nachhaltige Ern?hrungssysteme?:
Zum Beispiel am 16. Mai 2019 mit Bernard Lehmann, Direktor, Bundesamt für Landwirtschaft, und Neeraja Adidam vom indischen Landwirtschaftsministerium.
Die Webinare richten sich an ein breites Publikum und sind frei zug?nglich, werden jedoch auf Englisch gehalten. Hier geht’s zum externe Seite Programm.
Referenzen
1 Die UN-Nachhaltigkeitsziele: externe Seite The Sustainable Development Goals. Beispiele sind SDG 1 ?Keine Armut?; SDG 2 ?Kein Hunger?; SDG 6 ?Sauberes Wasser und Sanit?re Versorgung?; SDG 12 ?Verantwortungsvoller Konsum und Produktion? oder SDG 15 ?Leben an land?. Siehe auch diesen Blogbeitrag.
2 Eyhorn F, Muller A, Reganold J, Frison E, Herren H, Luttikholt L, Müller A, Scialabba N, Seufert V, Smith P (2019), externe Seite Organic farming drives sustainability in global agriculture, Comment in Nature Sustainability 2:253-255. Freier externe Seite Zugang.
3 Agrarpolitik 2022: externe Seite AP 22+