ETH-Spitzenforscher mit starkem europäischem Auftritt
Der Europ?ische Forschungsrat ERC hat bei seiner jüngsten Vergabe der renommierten ERC Advanced Grants fünf ambitionierte Projekte von ETH-Forschern ausgew?hlt, die sich bereits seit Jahren in der Spitzengruppe ihres jeweiligen Gebiets behaupten. Total fliessen rund 12.5 Mio Euro an die ETH.
Im Rahmen des 2018 lancierten Calls für die prestigetr?chtigen ERC Advanced Grants haben fünf erfahrene Professoren der ETH Zürich das Rennen gemacht: Andy Jackson (Erdwissenschaften), Ilya Karlin (Aerothermochemie), Dirk Helbing (Soziologie) sowie Erick Carreira und Peter Chen (Organische Chemie). Wie in früheren F?llen best?tigt sich auch hier: ETH-Forschende sind ausgesprochen erfolgreich mit ihren Antr?gen. Von 14 Eingaben schafften es die H?lfte (7) in die zweite Runde. Schliesslich reüssierten 5, was einer Erfolgsrate von fast 36 Prozent entspricht. Jeder dieser Forscher erh?lt durch den Grantgewinn rund 2,5 Mio. Euro für sein Projekt. Auch im Schweizer Vergleich ist das Resultat der ETH eindrücklich: Die fünf ETH-Eingaben bedeuten bei total 18 erfolgreichen Vorschl?gen aus der Schweiz mehr als ein Viertel.
Chemie, Erdwissenschaften, Soziologie
Einen Schwerpunkt aus ETH-Sicht bildet diesmal mit drei gef?rderten Projekten die chemische Grundlagenforschung, deren Erkenntnisse für die Entwicklung von neuen Molekülen und Materialien entscheidend sein k?nnten. Daneben liegt je ein Fokus auf der künftigen Gestaltung von St?dten mithilfe ihrer Bewohner und bei der Erforschung von planetaren Magnetfeldern.
Insgesamt sind beim ERC in dieser Runde 2052 Proposals aus ganz Europa eingegangen. Mit einem Grant ausgezeichnet wurden insgesamt 222 Forschende, was nur 11 Prozent der Vorschl?ge entspricht. Diese k?nnen sich auf eine grosszügige Unterstützung freuen: Weit über eine halbe Milliarde Euro investiert der ERC insgesamt in die vergebenen Advanced Grants. Der ERC rechnet gem?ss seiner Medienmitteilung damit, dass diese Grant-Runde zur Schaffung von bis zu 2000 neuen Arbeitspl?tzen führen wird.
Gradmesser für die St?rke der ETH-Forschung
Detlef Günther, ETH-Vizepr?sident für Forschung und Wirtschaftsbeziehungen, ist ausgesprochen beeindruckt, dass ETH-Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus unterschiedlichsten Gebieten regelm?ssig unter Beweis stellen, dass sie erstklassige Forschung in Europa betreiben. ?Meine Kolleginnen und Kollegen erwerben die ERC-Grants immer wieder in einem ?usserst kompetitiven internationalen Wettbewerb. Dieser beachtliche Erfolg spricht für die Relevanz und St?rke der ETH-Forschung in ihrer ganzen Breite.?
Um dieses Niveau zu halten, ben?tigten Forschende aus der Schweiz allerdings weiterhin die volle Unterstützung von Politik und Gesellschaft und den ungehinderten Zugang zum europ?ischen Forschungsraum, so der ETH-Vizepr?sident: ?Deshalb ist die europapolitische Weichenstellung, über welche die Schweiz derzeit diskutiert, so wichtig. Zur Debatte steht dabei auch der Stellenwert von Spitzenforschung für das Land sowie die Offenheit des Bildungs-, Forschungs- und Innovationsplatzes Schweiz – und damit seine Zukunft.?
Die fünf ausgezeichneten Projekte im ?berblick:
Der Geophysiker Andy Jackson will mit seinem ERC-Projekt Dynamomechanismen erforschen, Mechanismen also, die in den Kernen von Gesteins- und Gasplaneten zur Erzeugung von Magnetfeldern führen. Um solche Prozesse, welche von Erdwissenschaftlern noch nicht vollst?ndig verstanden werden, zu simulieren, m?chte Jackson ein neues, weniger komplexes und daher für die Erforschung der Mechanismen gut geeignetes Computermodell entwickeln. Mit dessen Hilfe will er sogenannte Umkehrdynamos wie den der Erde und die diesem Ph?nomen zugrundeliegenden Vorg?nge erforschen. Ein besseres Verst?ndnis erarbeiten m?chte sich Jackson auch darüber, wie hoch der Energiebedarf von solchen Dynamomechanismen ist und wie schnell Planetenkerne abkühlen. Darüber hinaus will er die künftige Entwicklung des Erdmagnetfeldes genauer vorhersagen k?nnen.
Die digitale Revolution und Nachhaltigkeitsanforderungen ver?ndern die Art und Weise, wie St?dte organisiert werden. Ein Ansatz sind intelligente St?dte, so genannte Smart Cities. In seinem Forschungsprojekt untersuchen Dirk Helbing und seine Gruppe für rechnergestützte Sozialwissenschaften nun, was es braucht, damit Smart Cities effizienter, nachhaltiger und krisenfester werden. Ein Augenmerk legen die Forschenden auf die Chancen und Risiken einer st?rkeren demokratischen Beteiligung in Smart Cities und inwiefern ein dezentraler, partizipativer Ansatz effizienter und nachhaltiger als ein vollst?ndig zentralisierter Ansatz ist. Für Dirk Helbing ist es der zweite ERC Advanced Grant nach 2013.
Für die Biologie und die Medizin spielt die Tatsache, dass zwei spiegelbildliche chemische Moleküle oft nicht dieselben Eigenschaften haben, eine wesentliche Rolle. Erick Carreira, Professor für organische Chemie, befasst sich damit, wie chemische Reaktionen gesteuert werden, damit vorwiegend nur eines von zwei theoretisch m?glichen spiegelbildlichen Molekülen entsteht. In seinem ERC-Projekt m?chte er neue chemische Reaktionen entwickeln, mit denen er chemischen Grundmolekülen sogenannte funktionelle Gruppen anh?ngen kann – auf eine Weise, welche die Spiegelbildlichkeit berücksichtigt. Dank diesen funktionellen Gruppen k?nnen Chemiker die Moleküle in besonders nachhaltigen Prozessschritten für weitere Reaktionen verwenden, zum Beispiel zur Herstellung von komplexen chemischen Verbindungen wie Medikamenten oder funktionellen Materialien.
Ilya Karlin ist Titularprofessor und Gruppenleiter am Laboratorium für Aerothermochemie und Verbrennungssysteme. In seiner Forschung besch?ftigt er sich mit der Dynamik von Flüssigkeiten und Gasen. Karlin erhielt bereits 2011 einen ERC Advanced Grant, um leistungsf?hige Berechnungsmethoden für die Simulation von turbulenten Str?mungen zu entwickeln, wie sie beispielsweise in schnell fliessenden Flüssen oder in Sturmwolken vorkommen. Mit dem neuen Grant wollen Karlin und sein Team diesen Ansatz auf Str?mungen mit sehr hohen Geschwindigkeiten und starken Temperaturschwankungen erweitern, die beim Wiedereintritt einer Raumkapsel in die Erdatmosph?re auftreten. Pr?zise Simulationen dieses Vorgangs k?nnten dereinst helfen, die Raumfahrt sicherer zu machen.
Peter Chen ist Professor für physikalisch-organische Chemie und erforscht die Wechselwirkungen zwischen Atomen und zwischen einzelnen Molekülen. Sein ERC-Projekt hat zum Ziel, eine bestimmte, für die Chemie bedeutende Anziehungskraft – die London-Kraft, die zwischen zwei polarisierbaren Molekülen wirkt – mittels Ionenfallen-Massenspektrometrie eingehend und quantitativ zu untersuchen. Wesentliche Projektteile sind die Konstruktion und das Betreiben der Messinstrumente sowie die Entwicklung und Herstellung von Molekülen, mit denen diese Anziehungskraft untersucht werden kann. Die Ergebnisse des Projekts helfen zu verstehen, wie komplexe chemische Moleküle im dreidimensionalen Raum miteinander wechselwirken – ein wichtiger Aspekt, wenn es darum geht, neue chemische Moleküle zu entwerfen.
Messlatte für Spitzenforschende: ERC Grants
ETH-Forscherinnen und -Forscher bewerben sich seit 2007 erfolgreich um F?rdermittel der Europ?ischen Union, die ERC Research Grants. Neben den Advanced Grants vergibt der Europ?ische Forschungsrat allj?hrlich auch Starting Grants für Nachwuchsforscher zu Beginn ihrer Karriere und Consolidator Grants für arriviertere Forscherinnen und Forscher zum weiteren Aufbau einer eigenen Gruppe. Ausserdem zeigt sich an den zahlreich bewilligten ERC Proof of Concepts der ETH Zürich (Mittel für die Erstellung von Machbarkeitsstudien und Businesspl?nen), dass Grundlagenforschung oft in Marktinnovationen mit entsprechendem volkswirtschaftlichem Nutzen ihre Anwendung findet. Der Europ?ische Forschungsrat ist Teil des europ?ischen Forschungs- und Innovationsprogramms Horizon 2020 (2014-2020). Die Schweiz ist seit dem 1. Januar 2017 wieder vollst?ndig an Horizon 2020 assoziiert.