Wie Technik Menschen zusammenbringt
Um die Inklusion von Menschen mit Behinderung zu f?rdern, braucht es den Dialog mit Betroffenen. ?ber Technik zu sprechen hilft, das Eis zu brechen, sagt Robert Riener.
Kinder verhalten sich oft unbeschwert, sind ehrlich und begeisterungsf?hig. Dies zeigt sich beispielsweise, wenn sie Menschen mit einem H?rger?t, einer Armprothese oder einer Person im Rollstuhl begegnen. H?ufig reagieren Kinder neugierig oder überrascht, sie interessieren sich für die getragene Technik und das k?rperliche Defizit und sprechen die Personen ganz unverblümt an.
Für die Betroffenen kann diese uneingeschr?nkte Offenheit mitunter zwar verletzend sein, in vielen F?llen empfinden Menschen mit Behinderung das ernstgemeinte Interesse von Kindern jedoch als positiv, wie mir Betroffene berichtet haben. Schliesslich zeugt es von einer Bereitschaft, vermeintlich vorhandene Barrieren zwischen Menschen ohne und solchen mit Beeintr?chtigungen zu überwinden.
Es sind vor allem Kinder unter zehn Jahren, die so offen reagieren. Je ?lter Kinder und Jugendliche werden, desto mehr verliert sich diese Eigenheit, und umso verschlossener werden sie. Im Erwachsenenalter überwiegt dann oft eine Berührungsangst. Insbesondere auf Personen, die in ihrem Leben noch nie direkt mit Menschen mit Beeintr?chtigungen zu tun hatten, k?nnen diese befremdend wirken. Man meidet oder ignoriert sie mehr oder weniger unbewusst, was auf eine Benachteiligung hinausl?uft.
Daher sollte es unser Ziel sein, vor allem im Kindesalter, in der Schule (aber auch sp?ter), Zeit und Raum für Begegnungen zu schaffen und Menschen mit und ohne Beeintr?chtigung zusammenzubringen. Dies hilft, Vertrauen aufzubauen und ein Bewusstsein dafür zu schaffen, dass unsere Gesellschaft vielf?ltig ist und aus ganz unterschiedlichen Menschen besteht. So wie nicht alle Menschen gut Fussball spielen k?nnen oder gut in Mathematik sind, sollte es auch kein Problem sein, wenn jemand nur einen Arm hat oder im Rollstuhl sitzt. Die Tatsache, dass wir Menschen uns unterscheiden, sollten wir als normal betrachten.
Zu Besuch in Schulklassen
Doch wie k?nnen wir diese Thematik in die Schulen transportieren, Kinder begeistern ohne sie zu langweilen oder sie gar zu etwas zu zwingen, gegenüber dem sie zun?chst Scheu zeigen oder das ihnen nicht gef?llt? Technik und Robotik k?nnten hier eine Schlüsselrolle spielen, wenn sie als Mittel eingesetzt werden, um über k?rperliche Beeintr?chtigungen zu sprechen.
Dies nutzen wir im Schulprojekt Cybathlon @school. Gemeinsam mit unseren Partnern entwickelten wir verschiedene Unterrichtsmodule, in denen je eine Person mit Behinderung gemeinsam mit einem ETH-Coach Schulklassen besucht und die Schülerinnen und Schüler erleben l?sst, mit welchen Herausforderungen Menschen mit Behinderungen im Alltag konfrontiert sind. Anhand von konkreten Beispielen lernen die Kinder und Jugendlichen, wie Technik zum Vorteil von Menschen mit Behinderungen eingesetzt werden kann. Und im Austausch mit dem Betroffenen sollen sich die jungen Menschen überlegen, wie Hindernisse beseitigt oder wie Hilfsmittel gestaltet werden k?nnen, damit Menschen mit Behinderungen besser, das heisst selbst?ndig und selbstbestimmt, am gesellschaftlichen Leben teilhaben k?nnen.
?Technik und Robotik k?nnten hier eine Schlüsselrolle spielen, wenn sie als Mittel eingesetzt werden, um über k?rperliche Beeintr?chtigungen zu sprechen.?Robert Riener
In Modulen für den Sport- und den Biologieunterricht konnten bereits mehrere hundert Kinder und Jugendliche das Gehen mit Beinprothesen oder das Bew?ltigen eines Parcours mit Rollstuhl erleben und mehr über Funktion und Beeintr?chtigungen des menschlichen Bewegungsapparates lernen. Weitere Module in den F?chern Mathematik, Medien und Informatik, Textiles und Technisches Gestalten sowie ?Religionen, Kulturen und Ethik? sind in Ausarbeitung.
Ganz an der Gesellschaft teilhaben
Technik, Robotik, Medizin und Zukunftsthemen ziehen die Kinder an. Wird dieses Wissen mit Behinderung in Zusammenhang gebracht, oder gar von Menschen mit Beeintr?chtigung selber vermittelt, dann schafft man nachhaltig ein Bewusstsein für die Bedürfnisse dieser Menschen. Man erm?glicht den Dialog, kann direkt über die Behinderung sprechen, aber auch indirekt zeigen, dass ein Mensch mit Behinderung ganz ?normal? ist, oder sogar andere spektakul?re F?higkeiten oder Kenntnisse besitzt, die überraschen und Begeisterung erzeugen k?nnen. Berührungs?ngste werden so abgebaut. Dies hilft, Verst?ndnis zu schaffen für Menschen mit Beeintr?chtigung, damit diese ganz an unserer vielf?ltigen Gesellschaft teilhaben k?nnen.
Cybathlon 2020
Cybathlon ist ein Wettkampf, bei dem sich Menschen mit Behinderungen beim Absolvieren alltagsrelevanter Aufgaben mittels modernster technischer Assistenzsysteme messen. Der erste Cybatholon fand 2016 in Zürich statt. Am 2. und 3. Mai 2020 wird der Cybathlon 2020 stattfinden – wiederum in der Swiss-Arena.
Weitere Informationen und Ticketvorverkauf unter cybathlon.ethz.ch
Am 29. und 30. November 2019 ist Cybathlon Experience zu Gast an der Messe Swiss Handicap in Luzern.