Vielfältiges Plankton – ungleich aktiv, ungleich verteilt
Ein internationales Forschungskonsortium mit ETH-Beteiligung zeigt auf: Meeresplankton ist in warmen Ozeanen vielf?ltiger als in polaren Meeren, sowohl was die Artenzahl als auch die biologischen Aktivit?ten der Planktongemeinschaften betrifft. Im Zuge des Klimawandels k?nnte es zu einer Umverteilung des Planktons in den Weltmeeren kommen.
Der Ozean ist das einzige zusammenh?ngende ?kosystem der Erde. Unz?hlige Viren, Mikroben, pflanzliche und tierische Einzeller und winzige Tierchen bilden das Plankton, das freischwebend mit den Meeresstr?mungen driftet.
Plankton hat – auch wenn seine Bestandteile noch so klein und unbedeutend erscheinen m?gen – überaus wichtige Funktionen. So bildet es die Grundlage aller marinen Nahrungsketten. Zudem produzieren photosynthetisch aktive Planktonbestandteile wie Algen und Blaualgen enorm viel Sauerstoff und binden gleichzeitig einen grossen Teil des atmosph?rischen Kohlendioxids.
In zwei neuen Studien, die soeben in der Fachzeitschrift ?Cell? erschienen sind, zeigt ein internationales Forschungskonsortium, darunter die Arbeitsgruppe für Mikrobiomforschung unter der Leitung von ETH-Professor Shinichi Sunagawa, wo die wichtigsten Gruppen von Planktonlebewesen vorkommen und wie sie sich an die natürlichen Begebenheiten der jeweiligen Meeresgebiete anpassen.
Gene und ihre Trankripte untersucht
In einer der beiden Teilstudien untersuchten Sunagawa und seine Gruppe anhand von hunderten von Planktonproben aus allen Weltmeeren die sogenannten Metatranskriptome von Bakterien und Archaeen. Die Proben stammten von Expeditionen, welche die Tara Ocean Foundation in den Jahren 2009 bis 2013 mit dem Segelboot ?Tara? rund um den Globus unternommen hatte.
Das Metatranskriptom umfasst alle Gentranskripte, also RNA-Moleküle, die aus dem Gemisch der verschiedenen planktonischen Bakterien und Archaeen isoliert werden konnten.
Die ETH-Forscher konnten dann die vorhandenen RNA-Moleküle mithilfe einer Datenbank einem Gen zuordnen. Die Datenbank wurde von Sunagawas Gruppe aufgebaut und enth?lt 47 Millionen Eintr?ge zu Genen von gesch?tzt über 40'000 verschiedenen Mikrobenarten, die im Plankton weltweit bisher gefunden wurden.
Die Forschenden massen auch, wie oft ein RNA-Molekül in einer Probe vorlag. Die Zahl der RNA-Moleküle ist ein Hinweis darauf, wie aktiv ein Gen zur Zeit der Probennahme war. Daraus k?nnen die Forscher beispielsweise Rückschlüsse auf gewisse Stoffwechselprozesse und Anpassungsleistungen der Mikroben an die jeweiligen Standorte ziehen.
Vielfalt um den ?quator am h?chsten
Diese Analysen zeigen, dass planktonische Mikrobengemeinschaften in warmen Gew?ssern artenreicher sind und über einen grossen Genpool verfügen. Aus diesem Grund sind Mikroben aus warmen Meeren flexibler: Sie k?nnen als Gemeinschaft im Bedarfsfall verschiedene Gene aus- oder einschalten und so ihren Stoffwechsel rascher und situationsgerecht an h?here Wassertemperaturen anpassen.
Mikrobengemeinschaften in den k?lteren Polarmeeren n?rdlich respektive südlich des 60. Breitengrads sind hingegen arten?rmer und genetisch weniger divers. Das macht es für diese Gemeinschaften auch schwieriger, sich an h?here Wassertemperaturen anzupassen. ?Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass sie st?rker auf ihre spezifische Nische spezialisiert sein k?nnten. Dadurch weisen sie m?glicherweise eine geringere Kapazit?t auf, ihre Stoffwechselprozesse auf w?rmere Wassertemperaturen, wie sie im Zug des Klimawandels auch in polaren Gew?ssern auftreten werden, einzustellen?, sagt Sunagawa. Aus diesem Grund k?nnten Mikroben aus kalten Meeren eines Tages von der Konkurrenz aus w?rmeren Ozeanen verdr?ngt werden.
Treibender Faktor Temperatur
Darauf weist auch eine zweite Publikation hin, die ebenfalls heute in ?Cell? erschienen ist und von der Sunagawa und sein wissenschaftlicher Mitarbeiter Guillem Salazar Mitautoren sind. In dieser Studie untersuchten Forscherinnen und Forscher um Lucie Zinger und Chris Bowler vom CNRS und ENS, Paris, die weltweite Verbreitung und Verteilung von verschiedenen wichtigen Artengruppen des Planktons einschliesslich Viren, einzellige Eukaryoten und tierisches Material.
Sie zeigen auf, dass Plankton, obwohl es in einem zusammenh?ngenden ?kosystem lebt, ungleich verteilt ist. Die h?chste Artenvielfalt ist in nicht-polaren Meeren anzutreffen, zu den Polen hin nimmt die Vielfalt hingegen ab.
Diese Abnahme deckt sich mit abrupten ?nderungen der chemischen und physikalischen Bedingungen im Oberfl?chenwasser. So variieren auch die Zusammensetzung und Mengen der Mikrobengemeinschaften dieser drei Bereiche. ?Auch hier ist die Temperatur der entscheidende Faktor, der die Artenvielfalt der Planktongemeinschaften steuert?, sagt Zinger. N?rdliche Meere sind wichtige Fischgründe. Diese basieren auf dem heutigen Stand des Planktons, welches die Grundlage aller marinen Nahrungsketten ist. ?ndert sich die Zusammensetzung des Planktons, k?nnten sich auch die Nahrungsgrundlage für Fische und andere h?here Meeresbewohner aber auch für den Menschen massiv ver?ndern.
Klimawandel ver?ndert Zusammensetzung
Die Folgen der globalen Meerwassererw?rmung, insbesondere in den polaren Regionen, für das gesamte ?kosystem sind derzeit nicht absehbar. Sunagawa aber denkt, dass sie eher negativ denn positiv sind, und betont dass die ?kologischen Auswirkungen von weiteren temperaturabh?ngigen Faktoren, beispielsweise die Sauerstoffverarmung und Versauerung der Meere, besser verstanden werden müssen. Als Forscher datenintensiver Analysen befürwortet er daher Projekte, die auf eine langfristige und interdisziplin?re Beobachtung der Weltmeere ausgelegt sind.
Die Studien des Forschungskonsortiums basieren auf mehreren Expeditionen, welche die franz?sische Tara Ocean Fondation zwischen 2009 und 2013 durchführte. Daran beteiligt waren über 120 Forscherinnen und Forscher, die entlang verschiedener Transsekte über alle Weltmeere an 210 Stellen Plankton aus dem Oberfl?chenwasser und aus bis zu 1000 Meter Tiefe entnahmen. Ziel der Expeditionen war es, planktonische ?kosysteme im Kontext des Klimawandels zu untersuchen.
Literaturhinweise
Salazar G et al. Gene Expression Changes and Community Turnover Differentially Shape the Global Ocean Metatranscriptome. Cell (2019), published online Nov 14th 2019. doi: externe Seite 10.1016/j.cell.2019.10.014
Ibarbalz FM et al. Global trends in marine plankton diversity across kingdoms of life. Cell (2019), published online Nov 14th 2019, doi: externe Seite 10.1016/j.cell.2019.10.008