Vo Luzern uf Wäggis zue – wer bewertet Landschaften?
Wie definiert man sch?ne Landschaft, wenn die Sch?nheit im Auge des Betrachters liegt? Machine Learning Algorithmen k?nnen hierbei hilfreich sein, meint Adrienne Grêt-Regamey
Was viele gar nicht wissen: Die Schweiz hat sich dazu verpflichtet, Landschaften und ihre Qualit?ten zu erfassen, zu beschreiben und zu bewerten1. Ist eine Bestandsaufnahme gelungen, müssen Landschaftsqualit?tsziele definiert werden. Dazu geh?rt zum Beispiel: Welche Landschaftstypen und welche Merkmale sollen wir erhalten und f?rdern? Als Grundlage dafür hat die Stiftung Landschaftsschutz Schweiz einen Katalog der charakteristischen Kulturlandschaften verfasst2.
Der Katalog beinhaltet 39 verschiedene Landschaftstypen, die sich durch ihre Nutzungen, ihre Funktionen und die naturr?umlichen Bedingungen unterscheiden. Dies sind beispielsweise die Wildheulandschaften, die schwer erreichbar an den steilen H?ngen des Muotatals liegen. Die landwirtschaftliche Nutzung lohnt sich kaum, zu gross ist der Aufwand – und doch bieten sie Habitat für selten gewordene Arten und sind ein Ausdruck alter Nutzungsgeschichte und wesentlicher Bestandteil des Schweizerischen Heimatgefühls.
Diese Landschaften unterscheiden sich grunds?tzlich, sind auf ganz unterschiedliche Weise von Menschen gepr?gt worden und haben v?llig unterschiedliche Qualit?ten. Ein solcher Katalog dient auch dazu, an die spezifischen Landschaften angepasste Entwicklungsziele zu definieren, welche sp?ter überprüft werden k?nnen.
Grüne Alpen finden wir doch alle sch?n
Doch wie bestimme ich die Qualit?ten einer Landschaft überhaupt? Liegt Qualit?t nicht im Auge der Betrachterin? Nein, nicht ausschliesslich. Es gibt durchaus ein gemeinsames Verst?ndnis, das innerhalb eines Kulturkreises breit akzeptiert wird. So sch?tzen beispielsweise viele Personen vielf?ltig strukturierte Landschaften. Dieser Konsens, so unsere Idee, sollte sich auch in rechnergestützte Algorithmen implementieren lassen.
?Wenn wir qualitative und quantitative Informationen kombinieren, k?nnen wir klar abgrenzbare und breit abgestützte Landschaftstypologien definieren.?Adrienne Grêt-Regamey
Wir haben daher Machine-Learning-Algorithmen mit r?umlichen Daten gespeist. Die Algorithmen erkannten darin r?umliche Cluster – vom Computer erstellte typische Landschaftskategorien. Diese haben wir wiederum mit experten-basierten Erhebung verglichen und kombiniert. Dabei konnten wir neue, dynamische Grenzen zwischen Landschaftstypen identifizieren – Informationen, die halfen, die einzelnen Einheiten kartographisch abzugrenzen. Wenn wir qualitative und quantitative Informationen kombinieren, k?nnen wir klar abgrenzbare und breit abgestützte Landschaftstypologien definieren. Das Resultat ist aussagekr?ftiger, da subjektive Expertenbeurteilungen weniger eine Rolle spielen, ohne jedoch den gesamten Prozess nur noch den Algorithmen zu überlassen und in eine ?Black-box? zu verlagern.
Typisch Schwyz
Wir haben auf diese Art eine fl?chendeckende Typisierung der Landschaften des Kantons Schwyz erarbeitet.3 In einem zweiten Schritt definierten wir kantonale Schlüsselgebiete – Landschaftsr?ume, die als besonders wertvoll und sch?n gelten. Dazu stützten wir uns sowohl auf Expertenmeinungen als auch auf die Leistungen, die ?kosysteme für die Gesellschaft erbringen. Hierzu geh?ren: Nahrungsmittelproduktion, Grundwasserneubildung, Trinkwasserfiltration, ?kologische Vernetzung, erholungsrelevante Freir?ume und ruhige Erholungsr?ume.
Die Schwyzer Landschaft ist einzigartig und ist ein wichtiges Kapital des Kantons. Mit der Landschaftstypologie stellen wir diese Werte r?umlich dar und zeigen auf wie sie langfristig erhalten werden k?nnen. Der Kanton bekommt damit ein raumplanerisches Hilfsmittel an die Hand, wie er sein Landschaftskapital pflegen und f?rdern kann. Ganz konkret bedeutet dies, dass Massnahmen erarbeitet werden, damit auch künftig die Wildheulandschaften des Muotatals als wesentliches Element der Schwyzer Landschaft erhalten bleiben. Die Kombination qualitativer und quantitativer, expertenbasierter und rechnergestützter Methoden erwies sich als erfolgreicher Ansatz um die landschaftliche Vielfalt greifbar zu machen und ihre kulturhistorischen und identit?tsstiftenden Werte zu entwickeln.
Referenzen
1 Europarat (2000): externe Seite Europ?isches Landschaftsübereinkommen (aufgerufen am 29.03.2019).
2 Rodewald, R., Schwyzer, Y., Liechti, K. (2014). Katalog der charakteristischen Kulturlandschaften der Schweiz. Grundlage zur Ermittlung von Landschaftsentwicklungszielen. Bern: Stiftung Landschaftsschutz Schweiz.
3 Rodewald, R., Weibel, B. Schneider, S., Grêt-Regamey, A. (2019): Eine neue Landschaftstypologie zur Sicherung der Landschaftsqualit?t. Zurich: ETH Zürich, Planung von Landschaft und urbanen Systemen, 2019. DOI: 10.3929/ethz-b-000344277
4 Meier C., Bucher A. (2010): Die zukünftige Landschaft erinnern. Eine Fallstudie zu Landschaft, Landschaftsbewusstsein und landschaftlicher Identit?t in Glarus Süd. Zürich, Bristol-Stiftung; Hauptverlag. Bern, Stuttgart, Wien.