Wie Bakterien Soja düngen
Soja und Klee haben in ihren Wurzeln eigene Düngerfabriken – Bakterien stellen dort das für die Pflanzen wichtige Ammonium her. Obschon dies schon seit Langem bekannt ist, haben Wissenschaftler den Wirkungsmechanismus erst jetzt im Detail beschrieben. Das k?nnte nun helfen, mit Biotechnologie die Landwirtschaft nachhaltiger zu gestalten.
Pflanzen ben?tigen Stickstoff in Form von Ammonium, um wachsen zu k?nnen. Bei sehr vielen Kulturpflanzen müssen Landwirte dieses Ammonium als Dünger aufs Feld führen. Dessen Herstellung ist energieintensiv und teuer, und bei der heutigen Produktionsweise wird viel CO2 freigesetzt.
Einige wenige Ackerpflanzen besorgen sich den Ammoniumnachschub allerdings selbst: In den Wurzeln von Bohnen, Erbsen, Klee und anderen Hülsenfrüchtlern leben Bakterien, welche den Stickstoff aus der Luft in Ammonium umwandeln k?nnen. Die Pflanzen und die sogenannten Kn?llchenbakterien profitieren beide, und bisher war die wissenschaftliche Sicht auf diese Symbiose recht simpel: Die Pflanze bezieht von den Bakterien Ammonium, und die Bakterien erhalten im Gegenzug von der Pflanze kohlenstoffreiche Karbons?uremoleküle.
Komplexeres Zusammenspiel als angenommen
ETH-Forschende unter der Leitung von Beat Christen, Professor für experimentelle Systembiologie, und Matthias Christen, Wissenschaftler am Institut für molekulare Systembiologie, konnten nun zeigen, dass das Zusammenspiel von Pflanze und Bakterien komplexer ist: Die Bakterien beziehen von der Pflanze neben dem Kohlenstoff auch die stickstoffreiche Aminos?ure Arginin.
?Obschon die Stickstofffixierung der Kn?llchenbakterien seit vielen Jahrzehnten untersucht wird, war das Wissen unvollst?ndig?, sagt Beat Christen. ?Unsere neuen Erkenntnisse werden es erm?glichen, die Abh?ngigkeit der Landwirtschaft vom Ammoniumdünger zu verringern und damit die Landwirtschaft nachhaltiger zu gestalten.?
Die Forschenden untersuchten und entschlüsselten die Stoffwechselwege von Kn?llchenbakterien, die mit Klee und Soja zusammenleben, mit Methoden der Systembiologie. Zusammen mit ETH-Professor Uwe Sauer überprüften sie die Ergebnisse in Wachstumsexperimenten von Pflanzen und den Bakterien im Labor. Die Wissenschaftler vermuten, dass die neuen Erkenntnisse nicht nur für Klee und Soja gelten, sondern dass die Stoffwechselwege bei den anderen Hülsenfrüchtlern ?hnlich ablaufen.
Eher ein Kampf als Freiwilligkeit
Die Erkenntnisse liefern eine neue Sicht auf die Koexistenz von Pflanzen und Kn?llchenbakterien. ?Anders als h?ufig dargestellt, ist diese Symbiose nicht gepr?gt von einem freiwilligen Geben und Nehmen. Vielmehr nutzen sich die beiden Partner aus, wo es nur geht?, sagt Matthias Christen.
Wie die Wissenschaftler zeigen konnten, legen Soja und Klee ihren Kn?llchenbakterien nicht den roten Teppich aus, sondern empfangen sie wie einen Krankheitserreger: Die Pflanzen versuchen den Bakterien den Sauerstoff abzudrehen und setzen sie einem sauren Umfeld aus. Die Bakterien rackern sich ab, um in diesem unwirtlichen Milieu zu überleben. Sie nutzen das Arginin der Pflanzen, weil sie dank diesem auf einen Stoffwechsel umstellen k?nnen, für den sie nur wenig Sauerstoff ben?tigen.
Um die saure Umgebung zu neutralisieren, übertragen die Mikroben sauermachende Protonen auf Stickstoffmoleküle aus der Luft. Dadurch entsteht Ammonium, welches sie sich vom Hals schaffen, indem sie es aus der Bakterienzelle schleusen und somit an die Pflanze geben. ?Das für die Pflanze so wertvolle Ammonium ist für die Bakterien also bloss ein Abfallprodukt aus ihrem ?berlebenskampf?, sagt Beat Christen.
Die Umwandlung von molekularem Stickstoff in Ammonium ist nicht nur für die Industrie energieintensiv, sondern auch für die Kn?llchenbakterien. Der neu beschriebene Mechanismus erkl?rt, warum die Bakterien so viel Energie aufwenden: Er erm?glicht ihnen zu überleben.
Mit Biotechnologie zu nachhaltiger Landwirtschaft
Das neue Wissen wird man in der Landwirtschaft und in der Biotechnologie nutzen k?nnen, um die bakterielle Stickstofffixierung auf Kulturpflanzen, die keine Hülsenfrüchtler sind, zu übertragen, also zum Beispiel auf Weizen, Mais oder Reis. Wissenschaftler haben das zwar schon mehrfach versucht – weil ein wichtiges Puzzleteil des Stoffwechsels bisher nicht bekannt war allerdings nur mit bescheidenem Erfolg. ?Jetzt, wo wir den Mechanismus im Detail entschlüsselt haben, dürften die Chancen steigen, diesen Ansatz zu einem erfolgreichen Ende zu führen?, sagt Beat Christen.
Es ist denkbar, alle für den Stoffwechselweg n?tigen Gene mit biotechnologischen Verfahren direkt in die Kulturpflanzen einzufügen. Ein anderer Ansatz w?re, diese Gene in Bakterien zu übertragen, die mit den Wurzeln von Weizen oder Mais wechselwirken. Diese Bakterien wandeln derzeit keinen Stickstoff aus der Luft in Ammonium um; biotechnologisch k?nnte man ihnen dazu verhelfen. Diesen Ansatz werden auch die ETH-Forschenden nun weiterverfolgen.
Literaturhinweis
Flores-Tinoco CE, Tschan F, Fuhrer T, Margot C, Sauer U, Christen M, Christen B: Co-catabolism of arginine and succinate drives symbiotic nitrogen fixation. Molecular Systems Biology, 3. Juni 2020, doi: externe Seite 10.15252/msb.20199419