Mehr Paracetamol-Vergiftungen
Seit 2003 ist das Schmerzmittel Paracetamol in der Schweiz in Tabletten mit einer h?heren Wirkstoffdosis erh?ltlich. Gleichzeitig haben hierzulande Paracetamol-Vergiftungsf?lle zugenommen, konnten ETH-Forschende in einer Datenauswertung zeigen.
Das bekannte Schmerzmittel Paracetamol ist in der Schweiz nicht nur rezeptfrei in Tabletten zu 500 Milligramm erh?ltlich, sondern nach Verschreibung durch einen Arzt oder eine ?rztin auch in doppelt so hoch dosierten Tabletten zu 1000 Milligramm (1 Gramm). Forschende der ETH Zürich haben nun untersucht, ob die Verfügbarkeit der h?her dosierten Tabletten mit h?ufigeren Paracetamol-Vergiftungen im Zusammenhang stehen k?nnte. Sie schliessen aus ihrer Untersuchung, dass dem so ist.
Paracetamol ist das weltweit am h?ufigsten verwendete Schmerzmittel. ?Es ist ein sehr sicheres Medikament, allerdings nur für die kurzzeitige Schmerzbek?mpfung und solange die Tagesdosis die empfohlene Bandbreite nicht überschreitet?, sagt Andrea Burden, Professorin für Pharmakoepidemiologie an der ETH Zürich. Die empfohlene Maximaldosis für Erwachsene liegt bei t?glich 4000 Milligramm (4 Gramm), also bei maximal vier der hoch dosierten oder bei maximal acht der weniger hoch dosierten Tabletten. Bei ?berdosierungen kann Paracetamol zu schweren Vergiftungen mit Leberversagen und der Notwendigkeit einer Lebertransplantation oder sogar mit t?dlichem Ausgang führen.
Rücksprache mit Fachperson ist wichtig
?Ein Problem von Paracetamol ist, dass es nicht bei allen Patientinnen und Patienten und gegen alle Formen von Schmerz wirkt?, sagt Burden. ?Ist das Medikament bei einer Person wirkungslos, k?nnte sie in Versuchung geraten, die Dosis ohne Absprache mit einer Fachperson zu erh?hen.? Dies sei das eigentliche Problem. Und hier kommt auch die Tablettengr?sse ins Spiel: Mit den 1000-Milligramm-Tabletten kann die Tagesh?chstdosis bereits mit wenigen zus?tzlichen Tabletten überschritten werden, w?hrend das Risiko einer irrtümlichen ?berdosierung mit den weniger hoch dosierten 500- Milligramm-Tabletten geringer sei, sagt Burden.
?Wir sind uns bewusst, dass Schmerzbehandlungen herausfordernd sind und auch andere Medikamente schwerwiegende Nebenwirkungen haben k?nnen?, sagt die ETH-Professorin. ?Wirkt Paracetamol nicht wie erwünscht, sollten allerdings nicht einfach weitere Tabletten eingenommen werden. Stattdessen w?re es wichtig, das Gespr?ch mit einer Fachperson zu suchen, um die beste Therapiem?glichkeit zu finden.?
Viel mehr h?her dosierte Tabletten verkauft
Die 1000-Milligramm-Paracetamol-Tabletten sind in der Schweiz seit Oktober 2003 erh?ltlich, vorher waren die 500-Milligramm-Tabletten die gr?ssten. Gemeinsam mit ihrem Team hat Burden Verkaufszahlen des Apothekerverbands externe Seite Pharmasuisse sowie Daten des toxikologischen Informationszentrums externe Seite Tox Info Suisse zu Anrufen in Zusammenhang mit Paracetamol-Vergiftungen in der Zeit vor und nach dieser Markteinführung analysiert.
Wie die Verkaufszahlen zeigen, hat die Popularit?t der 1000-Milligramm-Tabletten seit ihrer Einführung rasch zugenommen. Im Jahr 2005 wurden erstmals mehr 1000-Milligramm-Tabletten verkauft als 500-Milligramm-Tabletten. Heute werden gar zehnmal mehr der h?her dosierten Tabletten verkauft.
Vergiftungen k?nnten vermieden werden
Die ETH-Professorin Burden pl?diert für eine kritische Haltung, was Verschreibung und Abgabe der 1000-Milligramm-Tabletten angeht. ?Zumindest sollten die 1000-Milligramm-Tabletten nur noch in Packungen angeboten werden, die weniger Tabletten enthalten?, sagt sie. Da es immer mehr Hinweise darauf gebe, dass Paracetamol zur Behandlung chronischer Schmerzen ungeeignet sei, bestehe wenig Bedarf an Packungsgr?ssen von 40 oder 100 Tabletten. Ausserdem sollten ?rzte ihrer Ansicht nach eher die 500-Milligramm-Tabletten verschreiben, um das Risiko einer versehentlichen ?berschreitung des Tageslimits zu reduzieren. Durch die Einnahme von zwei solchen Tabletten k?nnte eine Dosis von 1000 Milligramm ebenfalls erreicht werden.
Burden ist der Ansicht, dass mit einer geringeren Verfügbarkeit von 1000-Milligramm-Tabletten einige der Vergiftungsf?lle vermieden werden k?nnten. In der Zwischenzeit erachtet es Burden als wichtig, dass Apothekerinnen und Apotheker bei der Abgabe der hoch dosierten Tabletten Patienten auf die Gefahr einer ?berschreitung der t?glichen Maximaldosis aufmerksam machen.
Literaturhinweis
Martinez-De la Torre A, Weiler S, Br?m DS, Allemann SS, Kupferschmidt H, Burden AM: National poison center calls before vs. after availability of high dose acetaminophen (paracetamol) tablets in Switzerland: an interrupted time series analysis. JAMA Network Open, 28. Oktober 2020, doi: externe Seite 10.1001/jamanetworkopen.2020.22897