Neue Sars-CoV-2-Variante hat sich im Sommer 2020 in Europa verbreitet
Ein Forschungsteam unter der Leitung der Universit?t Basel und der ETH Zürich hat eine neue Sars-CoV-2-Variante identifiziert, die sich in den letzten Monaten in ganz Europa verbreitet hat, wie aus einer neuen, noch nicht von Fachleuten überprüften Studie hervorgeht.
Allein in Europa sind zurzeit Hunderte Varianten des neuen Coronavirus Sars-CoV-2 im Umlauf, die sich alle durch kleine Mutationen in ihrem Erbgut voneinander unterscheiden. Nur wenige dieser Varianten haben sich derartig erfolgreich verbreitet und sind so pr?valent geworden wie die neue, die die Bezeichnung 20A.EU1 erhalten hat.
Forschende der Universit?t Basel, des Departements für Biosysteme der ETH Zürich in Basel und des Konsortiums SeqCOVID-Spain analysierten und verglichen Virusgenomsequenzen von Covid-19-Patienten aus ganz Europa, um die Entwicklung und Verbreitung des Erregers nachzuvollziehen. Ihre Analyse legt nahe, dass 20A.EU1 erstmals im Sommer in Spanien auftrat. Die frühesten Hinweise auf die neue Variante stehen im Zusammenhang mit einem Super-Spreader-Ereignis unter Landarbeitern im Nordosten Spaniens. 20A.EU1 gelangte anschliessend in die lokale Bev?lkerung, verbreitete sich rasch über das ganze Land und macht heute fast 80 Prozent der Virus-Sequenzen in Spanien aus.
?Es ist wichtig festzuhalten, dass es derzeit keinen Hinweis darauf gibt, dass die Verbreitung der neuen Variante auf einer Mutation beruht, die die ?bertragung erh?ht oder den Krankheitsverlauf beeinflusst?, betont Emma Hodcroft von der Universit?t Basel, Erstautorin der Studie. Die Forschenden vermuten, dass die Ausbreitung der Variante durch die Lockerung von Reisebeschr?nkungen und Social-Distancing-Massnahmen im Sommer erleichtert wurde.
?hnliches Muster wie im Frühjahr
?Wir sehen bei dieser Variante in Spanien ein ?hnliches Muster wie im Frühjahr?, erkl?rt I?aki Comas, Professor am Instituto de Biomedicina de Valencia, Mitautor der Studie und Leiter des Konsortiums SeqCOVID-Spain. ?Eine Virus-Variante, die durch ein anf?ngliches Super-Spreader-Ereignis Anschub erh?lt, kann sich schnell im ganzen Land durchsetzen.?
Seit Juli hat sich 20A.EU1 mit Reisenden weiterverbreitet, als sich die Grenzen in ganz Europa ?ffneten. Die Variante wurde nun in zw?lf europ?ischen L?ndern sowie in Hongkong und Neuseeland nachgewiesen. W?hrend die ursprüngliche ?bertragung der Variante auf neue L?nder wahrscheinlich direkt aus Spanien erfolgte, hat sich 20A.EU1 dann m?glicherweise weiter von Sekund?rl?ndern aus verbreitet.
Derzeit entsprechen 90 Prozent der Sequenzen aus dem Vereinigten K?nigreich, 60 Prozent der Sequenzen aus Irland und zwischen 30 und 40 Prozent der Sequenzen in der Schweiz und den Niederlanden der neuen Variante 20A.EU1. Damit ist diese Variante momentan eine der am weitesten verbreiteten in Europa. Auch in Belgien, Deutschland, Frankreich, Italien, Lettland, Norwegen und Schweden wurde sie identifiziert.
Reisen begünstigten die Verbreitung
Genetische Analysen weisen darauf hin, dass die Variante mindestens Dutzende und m?glicherweise Hunderte von Reisen zwischen europ?ischen L?ndern unternommen hat. ?Wir k?nnen sehen, dass das Virus in mehreren L?ndern mehrfach eingeschleppt wurde, und viele dieser eingeschleppten 20A.EU1-Viren haben sich dann in der Bev?lkerung verbreitet?, sagt ETH-Professorin Tanja Stadler, eine der leitenden Forscherinnen der Studie.
Obwohl der Anstieg der Pr?valenz von 20A.EU1 parallel mit der in diesem Herbst steigenden Zahl von F?llen in vielen europ?ischen L?ndern verl?uft, warnen die Studienautorinnen und -autoren davor, die neue Variante als Ursache für den Anstieg der F?lle zu interpretieren. ?Es ist nicht die einzige Variante, die in den letzten Wochen und Monaten im Umlauf war?, sagt Richard Neher, Professor an der Universit?t Basel, ebenfalls einer der führenden Forscher hinter der Studie. ?Tats?chlich dominieren in einigen L?ndern mit einem signifikanten Anstieg der Covid-19-F?lle andere Varianten.?
Die Analyse der sommerlichen Sars-CoV-2-Pr?valenz in Spanien und Reisedaten zeigen, dass diese Faktoren erkl?ren k?nnen, wie sich 20A.EU1 so erfolgreich ausgebreitet hat. Spaniens relativ hohe Fallzahlen und Beliebtheit als Ferienziel haben eine Vielzahl an ?bertragungen auf neue L?nder erm?glicht, von denen sich manche durch riskantes Verhalten von Infizierten nach der Rückkehr zu gr?sseren Ausbrüchen entwickelt haben k?nnten.
Die Autorinnen und Autoren der Studie empfehlen eine Evaluation der Wirksamkeit von Grenzkontrollen und Reisebeschr?nkungen zur Eind?mmung von Sars-CoV-2 w?hrend des Sommers. ?Langfristige Grenzschliessungen und strenge Reisebeschr?nkungen sind weder durchführbar noch wünschenswert?, erkl?rt Hodcroft, ?aber anhand der Ausbreitung von 20A.EU1 scheint klar zu sein, dass die getroffenen Massnahmen oft nicht ausreichten, um die Weiterverbreitung der neuen Variante zu stoppen. Nachdem die L?nder hart daran gearbeitet haben, die Zahl der Sars-CoV-2-Infektionen auf ein niedriges Niveau zu senken, müssen sie bessere Wege finden sich zu '?ffnen', ohne einen Anstieg der F?lle zu riskieren.?
Weitere Analyse der neuen Variante
Die Variante 20A.EU1 wurde von Hodcroft erstmals w?hrend einer Analyse von Schweizer Sequenzen mit der Nextstrain-Plattform identifiziert, die gemeinsam von der Universit?t Basel und dem Fred Hutchinson Cancer Research Center in Seattle, Washington, entwickelt wurde. 20A.EU1 ist durch Mutationen gekennzeichnet, die Aminos?uren in den Spike-, Nukleokapsid- und ORF14-Proteinen des Virus modifizieren.
Obwohl nach derzeitigem Wissensstand nichts darauf hinweist, dass die Ausbreitung von 20A.EU1 auf eine Ver?nderung der ?bertragbarkeit zurückzuführen ist, arbeiten die Autoren derzeit mit Virologie-Laboren zusammen, um m?gliche Auswirkungen der Spike-Mutation A222V, auf den Ph?notyp des Sars-CoV-2-Virus zu untersuchen. Sie hoffen auch, bald Zugang zu Daten zu erhalten, um die klinischen Auswirkungen der Variante zu beurteilen.
Es sei wichtig, das Aufkommen neuer Varianten wie 20A.EU1 genau zu beobachten, betonen die Forschenden. ?Nur durch die Sequenzierung des viralen Genoms k?nnen wir neue Sars-CoV-2-Varianten identifizieren, wenn sie auftauchen, und ihre Ausbreitung innerhalb und zwischen den L?ndern überwachen?, fügt Neher hinzu. ?Aber die Anzahl der Sequenzen, die wir haben, ist von Land zu Land sehr unterschiedlich. Um aufkommende Varianten früher identifizieren zu k?nnen, müssen wir Sars-CoV-2 in ganz Europa schneller und systematischer sequenzieren.?
Dieser Artikel basiert auf einer externe Seite Medienmitteilung der Universit?t Basel.
Literaturhinweis
Hodcroft EB, Zuber M, Nadeau S, Comas I, Gonzalez Candelas F, SeqCOVID-SPAIN consortium, Stadler T, Neher RA: Spread of a SARS-CoV-2 variant through Europe in summer 2020, ver?ffentlicht auf Medrxiv am 28. Oktober 2020, doi: externe Seite 10.1101/2020.10.25.20219063