ETH-App erweckt Bilder der Graphischen Sammlung zum Leben
Die Graphische Sammlung hat am 9. Dezember ihre neue Ausstellung er?ffnet. Dabei k?nnen die historischen Werke durch ?Augmented Reality? mit dem Handy oder Tablet erkundet werden. Die Technologie des Ausstellungs-Apps hat das Game Technology Center entwickelt.
Die Grenzen zwischen der Realit?t und der virtuellen Welt verwischen im Ausstellungsraum der Graphischen Sammlung an der ETH Zürich. Zwar h?ngt das Kunstwerk statisch an der Wand, doch auf dem Handybildschirm erwacht es zum Leben. Die App auf dem Smartphone blendet zum Ausstellungsstück eine frühere Skizze ein, übersetzt eine lateinische Inschrift oder hebt Details hervor, die sonst unentdeckt blieben. Die Technologie dahinter heisst ?Augmented Reality?, also so viel wie angereicherte Realit?t – kurz AR. Das Game Technology Center (GTC) der ETH Zürich hat eine App entwickelt, um AR in Museen anwenden zu k?nnen. Damit will das GTC Kunstausstellungen interaktiver und pers?nlicher gestalten.
Grunds?tzlich neu ist der Einsatz von AR in Museen nicht, gesteht der GTC-Gesch?ftsführer Fabio Zünd ein. Er hat selber schon einige AR-Apps ausprobiert und war oft entt?uscht, weil sie die M?glichkeiten von AR nicht gut aussch?pften. Deshalb hat sich das GTC zum Ziel gesetzt, AR besser umzusetzen, als das Museen bisher getan haben. ?Die Idee wollten wir als Plattform umsetzen, damit Museen selber eine AR-App kreieren k?nnen?, erkl?rt Zünd. Kuratorinnen und Kuratoren sollen mit der cloudbasierten Plattform ?Artifact? die M?glichkeit haben, selber eine AR-App für ihre Ausstellung zu machen und die interaktiven Inhalte dazu zu gestalten.
Ernstfall mit Kupferstichen geprobt
Die Plattform ist inzwischen so weit entwickelt, dass das GTC damit sozusagen den Ernstfall proben will. Bis es soweit war, arbeiteten das GTC und die Graphische Sammlung ETH Zürich rund ein Jahr eng zusammen und entwickelten die Plattform weiter. Von dieser engen Kooperation profitierten beide: Zum einen erfuhr das GTC so die Bedürfnisse der Konservatorin und Anforderungen der zust?ndigen Kuratorin an die Plattform, zum anderen kann die Graphische Sammlung mit der App Erfahrungen mit einer neuen Form von digitaler Kunstvermittlung gewinnen. ?Die App bietet für uns eine sehr gute Gelegenheit, einen niederschwelligen Zugang zu Kunst zu erm?glichen. Unser Ziel ist es, über diese spielerische Vermittlung auch ein neues Publikum zu erreichen und es im konkreten Fall für Altmeisterkunst zu begeistern?, sagt Linda Sch?dler, die Leiterin der Graphischen Sammlung.
Susanne Pollack hat die neue Ausstellung gemeinsam mit Samuel Vitali vom Kunsthistorischen Institut in Florenz – Max-Planck-Institut kuratiert. Sie zeigt die Werke von Agostino Carracci und Hendrick Goltzius im Vergleich. Die beiden Künstler haben im 16. Jahrhundert nicht nur eigene Entwürfe gestochen, sondern auch wie seinerzeit üblich Werke anderer Künstler in den Kupferstich übertragen. Sie galten als Meister ihres Fachs und waren die grossen Stars des Kupferstichs. ?Die App hilft, die Technik dieser Künstler zu vermitteln?, sagt Pollack. Die App projiziert etwa die originalen Gem?lde über die Kupferstiche im Ausstellungsraum, sodass die Feinheiten und Unterschiede von der Vorlage zur Druckgrafik mit dem Smartphone oder dem Tablet entdeckt werden k?nnen.
Abgesehen vom ?berlagern von Bildern zeigt die App auch kurze Texte zu Eigenheiten der Kunstwerke an oder spielt Audio-Einführungen sowie Videos ab. Bei ausgew?hlten Ausstellungsstücken gibt es zudem technische Spielereien in Form von 3-D-Effekten oder Animationen. So erscheint zur Abbildung einer Statue ein entsprechendes dreidimensionales Modell auf dem Bildschirm.
Kunstwerke in die Cloud geladen
Damit die interaktiven Elemente in der App überhaupt beim jeweiligen Kunstwerk angezeigt werden, musste die Graphische Sammlung ETH Zürich ihren Ausstellungsbestand auf die Plattform des GTC hochladen. ?Die Werke waren alle schon digitalisiert. Das war ein Vorteil?, sagt die Kuratorin Susanne Pollack. Auf der Plattform konnte sie dann – in engem Austausch mit den Programmiererinnen und Designerinnen des GTC – die interaktiven Elemente zur Ausstellung gestalten. Kurze pr?gnante Texte waren dabei ebenso wichtig wie die Bestimmung, welche Aspekte von Werken in der App hervorgehoben werden sollen. So werden etwa die Rückseiten von gewissen Ausstellungsstücken gezeigt oder Anekdoten vermittelt. ?Diesen Blick hinter die Kulissen m?gen die Besucherinnen und Besucher ganz besonders?, weiss Pollack.
Mit dem Start der Ausstellung am 9. Dezember 2020 ist das Projekt noch l?ngst nicht zu Ende. Das GTC will anhand der Nutzungsdaten die Plattform weiterentwickeln und verbessern. Auch die Graphische Sammlung ETH Zürich plant die Daten auszuwerten, um herauszufinden, wie sich die App im Ausstellungsbetrieb bew?hrt. Welche Bilder und Interaktionen waren besonders attraktiv? Wofür hat sich das Publikum besonders interessiert? ?Wir sind gespannt, wie das Publikum darauf reagiert?, sagt Linda Sch?dler. Wer sich einen eigenen Eindruck zur App und zur Ausstellung bilden will, kann dies bis am 14. M?rz 2021 tun.
?ber die Feiertage bleibt die Graphische Sammlung von Donnerstag, 24. Dezember 2020, bis und mit Sonntag, 3. Januar 2021, geschlossen.
Weitere Informationen
- chevron_right Webseite der Graphischen Sammlung zur Ausstellung ?Sich kreuzende Parallelen – Agostino Carracci und Hendrick Goltzius
- chevron_right Webseite des Game Technology Center zur AR-App ?Artifact: Parallelen? (Englisch)
- chevron_right Forschungsseite zu ?Augmented Reality? in der Kunst des Game Technology Center (Englisch)