Giftiges Chlor und Brom ersetzen

Chlor und Brom in ihrer molekularen Form (als Cl₂- und Br₂-Molek¨¹le) sind giftig und ?tzend. Auf tragische Weise veranschaulicht wurde das beispielsweise bei der Verwendung von Chlor als chemische Waffe, vom Ersten Weltkrieg bis hin zu j¨¹ngsten Eins?tzen im Irak und in Syrien. Auch sind instabile chlor- und bromhaltige Chemikalien in Tausende von gemeldeten Chemieunf?llen verwickelt gewesen. Und trotzdem geh?ren sie immer noch zu den am h?ufigsten verwendeten Industriechemikalien, aus denen wertvolle Flammschutzmittel, Sch?dlingsbek?mpfungsmittel, Polymere und Pharmazeutika hergestellt werden.

Forschende der ETH Z¨¹rich und der Universit?t Mainz haben nun eine Methode entwickelt, um bei der Herstellung dieser Produkte auf molekulares Chlor und Brom verzichten zu k?nnen. Stattdessen nutzen sie alternative chemischen Verbindungen, die zwar ebenfalls die Elemente Chlor und Brom enthalten, jedoch weniger giftig und weniger reaktiv sind. Diese Verbindungen ¨C dazu geh?ren Dichlorethan und Dibromethan ¨C k?nnen darum einfacher gehandhabt und transportiert werden. Die Sicherheit der industriellen Prozesse k?nnte damit erh?ht werden.

Shuttlesystem mit Elektrizit?t

Um diese alternativen Verbindungen in der chemischen Synthese zu nutzen, entwickelten die Wissenschaftler ein ?Shuttlesystem?, das mit Elektrizit?t funktioniert: ?hnlich wie ein Shuttlebus Personen von A nach B transportiert, hilft Elektrizit?t in dieser Reaktion, Chlor und Brom von den Ausgangsstoffen Dichlorethan und Dibromethan auf andere chemische Verbindungen zu ¨¹bertragen.

Die Methode hat noch einen weiteren Vorteil: W?hrend herk?mmliche Reaktionen mit molekularem Chlor und Brom nur in eine Richtung ablaufen, funktioniert die neue Shuttle-Reaktion in beide Richtungen. ?Wir k?nnen die Reaktion daher auch nutzen, um bestimmte giftige chlor- und bromhaltige Verbindungen in weniger sch?dliche Verbindungen umzuwandeln?, sagt Bill Morandi, Professor f¨¹r Synthetische Organische Chemie an der ETH Z¨¹rich und einer der Hauptautoren der Studie.

L?sung von Umweltproblemen

Ein Beispiel f¨¹r eine solche giftige Verbindung ist das chlorhaltige Lindan, das w?hrend Jahrzehnten im Ackerbau als Insektizid verwendet wurde. 2009 wurde es wegen seiner hohen Toxizit?t und Umweltpersistenz verboten. Doch in vielen europ?ischen L?ndern, auch in der Schweiz, sind noch grosse Deponien vorhanden, in denen Lindan gelagert ist. Diese Deponien gelten als Umweltrisiko, weshalb Beh?rden und Wissenschaftler nach L?sungen suchen, das Lindan aus den Deponien zu entfernen. ?Unsere Methode eignet sich, um mit Lindan kontaminierte B?den zu sanieren?, sagt Morandi.

Der Chemiker sieht die neue Methode nicht nur als ein gutes Beispiel daf¨¹r, wie chemische Prozesse nachhaltiger gestaltet werden k?nnen, sondern auch als Beitrag an eine k¨¹nftige Kreislaufwirtschaft. ?Die Rohstoffvorkommen auf der Erde sind begrenzt. Mit unserer Methode k?nnen wir Abfallstoffe nach dem ?waste to value?-Konzept so umwandeln, dass wir sie erneut als Rohstoffe nutzen k?nnen?, sagt Morandi.