Zeit für Transparenz
Die spektakul?ren Ereignisse um die Gamestop-Aktien haben gezeigt, wie intransparent Handelspl?tze sind. Das muss sich ?ndern, meint Roger Wattenhofer und pl?diert für mehr Datenoffenheit bei Finanzgesch?ften – und nicht nur da.
Das Drama um die Gamestop-Aktien war hilfreich, da es eine Seite des Finanzmarktes beleuchtet hat, die sonst im Dunkeln liegt. Angefangen hat es damit, dass ein Reddit-User mutmasste, dass die Gamestop-Aktie h?ufiger als überhaupt m?glich leerverkauft wurde. Ein Leerverkauf (eine Aktie jetzt verkaufen, und zu einem sp?teren Zeitpunkt zu einem hoffentlich günstigeren Preis zurückkaufen) ist eigentlich nur erlaubt, wenn man den Leerverkauf durch eine echte Aktie absichert. Wenn eine Aktie tats?chlich über Mass leerverkauft wurde, kann man quasi gefahrlos Aktien nachkaufen, weil die Leerverk?ufer dieser Aktien ja zurückkaufen müssen. Wenn Aktien massenweise gekauft werden, steigt der Preis. Es ist ein Investment fast ohne Risiko, ein Perpetuum Mobile der Aktienm?rkte, finanziert durch die unvorsichtigen Leerverk?ufer.
Ist dem System noch zu trauen?
Aber hatte der Reddit-User überhaupt recht? Man weiss es nicht so genau, weil es schwierig ist, an diese Art von Informationen heranzukommen. Dass diverse grosse Handelsportale zwischenzeitlich den Kauf (aber nicht den Verkauf) von Gamestop-Aktien verboten, hatte die Verschw?rungstheorien so richtig angeheizt. Auf einmal wurde in Frage gestellt, ob die Anzahl Aktien, die für Gamestop im Umlauf sind, überhaupt stimmen. Und ob man dem ganzen System überhaupt trauen kann.
?Generell brauchen wir mehr Datenoffenheit.?Roger Wattenhofer
Schauen wir uns im Gegensatz dazu einmal die Handelspl?tze in der Blockchainwelt an. Insbesondere auf der Ethereum-Plattform erfreut sich die sogenannte Decentralized Finance immer gr?sserer Beliebtheit. Die Idee ist, eine ganze Handelsplattform als Smart Contract Software zu bauen. Wenn man zum Beispiel Bitcoin gegen Ripple tauschen m?chte, dann schickt man einfach eine Transaktion an den entsprechenden Smart Contract. Sobald die Transaktion in der Ethereum-Blockchain ist, ist sie für alle Welt (anonymisiert) sichtbar.
Mit Smart Contracts werden sogar ganz neue Handelsformen m?glich. Ein Uniswap Smart Contract erlaubt zum Beispiel Handel ganz ohne den sonst notwendigen Tauschpartner. Wenn ich Bitcoin gegen Ripple tauschen m?chte, braucht es also niemanden, der Ripple gegen Bitcoin tauschen m?chte, sondern ich mache einfach meinen Tausch mit dem Smart Contract. Im gleichen Zug passt der Smart Contract den Tauschkurs entsprechend an. Es ist mir unverst?ndlich, warum im Jahr 2021 unsere Handelspl?tze weiterhin so intransparent sind. Technologisch gibt es keinen Grund mehr dafür.
Wir brauchen mehr Transparenz
Generell brauchen wir mehr Datenoffenheit. Dass die Schweiz hier auch auf politischer Ebene viel Nachholbedarf hat, zeigt sich in der aktuellen Coronakrise. Nicht nur fehlen viele wichtige Daten, die zur Bek?mpfung der Pandemie hilfreich w?ren. Ich pers?nlich f?nde es sinnvoll, wenn der Bundesrat nicht nur darüber informiert, welche neuen Massnahmen getroffen werden, sondern zeitnah alle Daten und Dokumente ver?ffentlicht, die zu diesen Entscheidungen geführt haben.
Ich pl?diere für einen kompletten Paradigmenwechsel zur umfassenden Datentransparenz vonseiten der Regierung und ?ffentlichen Verwaltung und weiteren zentralen Einheiten wie zum Beispiel die eingangs besprochenen B?rsen. Wenn beispielsweise die EU ihre Vertr?ge mit Impfstofflieferanten nicht publiziert, ist das mehr als nur schlechter Stil. Immerhin werden die Impfungen ja mit Steuermitteln bezahlt. Haben die Bürgerinnen und Bürger daher nicht das Recht darauf zu erfahren, was verhandelt wurde?
Opendata als Normalfall
In einer Demokratie sind Regierung und Verwaltung gewissermassen die Angestellten des Volkes. Das bisher durch die Pressefreiheit implementierte Recht auf Kontrolle durch die Medien sollte deshalb um das Recht auf automatische und umfassende Transparenz erweitert werden. externe Seite Opendata ist der richtige Ansatz, aber es muss der Normalfall werden. Dieser Automatismus muss natürlich Ausnahmen haben: Zum Beispiel pers?nliche Bürgerdaten, Arztgeheimnis, Anonymisierung von Verwaltungsangestellten, Geheimdienstdaten, etc. Aber es muss sichergestellt werden, dass das Gros der Daten und Dokumente automatisch ?ffentlich verfügbar ist. Das ist technisch m?glich und günstig – es fehlt nur der politische Wille.