Mit künstlicher Intelligenz zu besseren Antikörper-Medikamenten
Methoden des maschinellen Lernens helfen bei der Entwicklung von Antik?rper-Medikamenten, diese zu optimieren. Das führt zu Wirkstoffen mit verbesserten Eigenschaften, auch bezüglich Vertr?glichkeit im K?rper.
Antik?rper werden nicht nur von unseren Immunzellen hergestellt, um im K?rper Viren und andere Krankheitserreger zu bek?mpfen. Seit wenigen Jahrzehnten setzt die Medizin biotechnologisch hergestellte Antik?rper auch als Medikamente ein. Denn Antik?rper sind ausgesprochen gut darin, sich nach dem Schlüssel-Schloss-Prinzip spezifisch an molekulare Strukturen zu heften. Ihr Einsatz reicht von der Krebsmedizin bis zur Behandlung von Autoimmunkrankheiten und neurodegenerativen Leiden.
Die Entwicklung solcher Antik?rper-Medikamente ist allerdings alles andere als einfach. Grundvoraussetzung ist, dass sich ein Antik?rper optimal an sein Zielmolekül heftet. Gleichzeitig muss ein Antik?rper-Medikament noch zahlreiche Zusatzkriterien erfüllen. Zum Beispiel sollte es im K?rper keine Immunreaktion ausl?sen, sich effizient biotechnologisch herstellen lassen sowie über lange Zeit stabil bleiben.
Haben Wissenschaftler einen Antik?rper gefunden, welcher sich an die gewünschte molekulare Zielstruktur heftet, ist der Entwicklungsprozess daher nicht abgeschlossen. Es beginnt dann eine Phase, in der Forschende mittels Bioengineering versuchen, die Eigenschaften des Antik?rpers zu verbessern. Wissenschaftler um Sai Reddy, Professor am Departement für Biosysteme der ETH Zürich in Basel, haben nun eine Methode des maschinellen Lernens entwickelt, welche diese Optimierungsphase unterstützt und damit hilft, wirksamere Antik?rper-Medikamente zu entwickeln.
Mit Robotern ist bei wenigen Tausend Schluss
Wenn Forschende ein ganzes Antik?rper-Molekül optimieren (also nicht nur einen Teil davon), dann ging das bisher in etwa so: Ausgehend von einem Kandidaten-Molekül, das sich einigermassen gut an die gewünschte Zielstruktur heftet, mutierten Forschende zufallsbasiert das Gen, das die Bauanleitung für den Antik?rper tr?gt. Sie stellen so im Labor wenige Tausend verwandter Kandidaten-Moleküle her, unter denen sie jene suchen, die sich am besten an die Zielstruktur heften. ?Mit automatisierten Prozessen ist es in einem Labor m?glich, wenige Tausend Kandidaten-Moleküle in ihrer therapeutischen Form zu testen. Ein Screening einer noch h?heren Zahl an Molekülen ist jedoch kaum zu leisten?, erkl?rt Reddy. Typischerweise kommt das beste Dutzend Antik?rper aus diesem Screening einen Schritt weiter und wird darauf getestet, wie gut es die Zusatzkriterien erfüllt. ?Letztlich findet man mit diesem Ansatz den besten Antik?rper aus einer Gruppe von wenigen Tausend Antik?rpern?, sagt der ETH-Professor.
Pool an Kandidaten massiv erh?ht
Reddy und seine Kollegen nutzen nun das maschinelle Lernen, um den Grundstock der zu prüfenden Antik?rper auf mehrere Millionen zu erh?hen. ?Je mehr Kandidaten zur Auswahl stehen, desto gr?sser ist die Chance einen zu finden, der alle Anforderungen an eine erfolgreiche Entwicklung wirklich optimal erfüllt?, sagt der ETH-Professor.
Den Machbarkeitsnachweis für die neue Methode lieferten die ETH-Forschenden anhand des Antik?rper-Krebsmedikaments Herceptin von Roche, das seit zwanzig Jahren auf dem Markt ist. ?Es ging uns aber nicht darum, Vorschl?ge zu dessen Verbesserung zu machen – ein zugelassenes Medikament kann man nicht einfach so nachtr?glich ver?ndern?, erkl?rt Reddy. ?Vielmehr haben wir uns für diesen Antik?rper entschieden, weil er in der Wissenschaft gut bekannt und weil dessen Struktur in frei zug?nglichen Datenbanken ver?ffentlicht ist.?
Computervorhersagen
Die ETH-Forschenden gingen von der DNA-Sequenz des Herceptin-Antik?rpers aus und schufen mit einer von ihnen vor wenigen Jahren entwickelten Crispr-Mutations-Methode rund 40'000 verwandte Antik?rper. In Experimenten zeigte sich, dass sich 10'000 davon gut an das entsprechende Zielprotein, ein bestimmtes Zelloberfl?chenprotein, hefteten. Die Wissenschaftler nutzten die DNA-Sequenzen dieser 40'000 Antik?rper, um einen Algorithmus des maschinellen Lernens zu trainieren.
Den trainierten Algorithmus nutzten sie anschliessend, um eine Datenbank mit 70 Millionen potenziellen DNA-Sequenzen von Antik?rpern zu durchforsten. Der Algorithmus prognostizierte bei diesen 70 Millionen Sequenzen, wie gut sich die entsprechenden Antik?rper an das Zielprotein heften. Er lieferte so einige wenige Millionen Sequenzen, die das prognosegem?ss gut k?nnen.
Mit weiteren Computermodellen sagten die Wissenschaftler bei diesen wenigen Millionen Sequenzen voraus, wie gut sie die zus?tzlichen Kriterien an eine erfolgreiche Entwicklung (Vertr?glichkeit, Herstellung, physikalische Eigenschaften) erfüllen. Damit reduzierten sie Menge an Kandidaten-Sequenzen auf 8000.
Verbesserte Antik?rper gefunden
Von diesen auf dem Computer vorliegenden optimierten Sequenzen suchten die Wissenschaftler 55 aus und stellten darauf basierend im Labor Antik?rper her. Wie sich in Experimenten zeigte, hefteten sich einige davon besser an das Zielprotein als Herceptin, liessen sich leichter herstellen und waren stabiler als dieses. ?Eine Variante k?nnte im K?rper sogar besser vertr?glich sein als Herceptin?, sagt Reddy. ?Es ist bekannt, dass Herceptin eine schwache Immunreaktion ausl?st, was in diesem Fall jedoch normalerweise kein Problem ist.? Bei vielen anderen Antik?rpern ist dies jedoch ein Problem, das es bei der Medikamentenentwicklung zu verhindern gilt.
Ihre Methode der künstlichen Intelligenz wenden die ETH-Wissenschaftler nun an, Antik?rper-Medikamente zu optimieren, die noch in Entwicklung sind. Vor wenigen Jahren gründeten sie dazu das ETH-Spin-off ?DeepCDR Biologics?, das sowohl mit jungen als auch mit etablierten Biotech- und Pharmaunternehmen bei der Entwicklung von Antik?rper-Medikamenten zusammenarbeitet.
Literaturhinweis
Mason DM, Friedensohn S, Weber CR, Jordi C, Wagner B, Meng S, Ehling R, Bonati L, Dahinden J, Gainza P, Correia BE, Reddy ST: Optimization of therapeutic antibodies by predicting antigen specificity from antibody sequence via deep learning, Nature Biomedical Engineering 2021, doi: externe Seite 10.1038/s41551-021-00699-9