Blick in die Tiefen des Gehirns
Forschende der ETH Zürich und Universit?t Zürich haben eine neue Mikroskopietechnik entwickelt, die Prozesse im Gehirn in hochaufl?senden Bildern sichtbar macht. Damit k?nnen kognitive Funktionen und Krankheiten auch ohne operative Eingriffe besser untersucht werden.
Die Funktionsweise unseres Gehirns gibt uns nach wie vor R?tsel auf. Ein Grund dafür ist, dass neuronale Prozesse auf der Ebene einzelner Zellen und Kapillaren im gesamten Gehirn bis anhin nur mit hoch-invasiven, operativen Methoden beobachtet werden k?nnen. Dies soll sich nun ?ndern.
Forschende unter der Leitung von Daniel Razansky, Professor für biomedizinische Bildgebung an der Universit?t Zürich und der ETH Zürich, haben ein fluoreszenzmikroskopisches Verfahren entwickelt, das hochaufl?sende Bilder der Durchblutung der kleinsten Blutgef?sse im Gehirn erm?glicht, ohne dass dabei die Sch?deldecke oder Kopfhaut ge?ffnet werden muss. Der Name der Technik: Diffuse Optical Localization Imaging, oder kurz DOLI.
Razansky zufolge kommen wir damit einem lang gehegten Ziel in den Neurowissenschaften einen grossen Schritt n?her: ?Die Visualisierung biologischer Prozesse tief im lebenden und unversehrten Gehirn ist sowohl für das Verst?ndnis kognitiver Funktionen als auch neurodegenerativer Krankheiten wie Alzheimer und Parkinson von entscheidender Bedeutung?, sagt er.
Verbesserte Fluoreszenzmikroskopie
Wenn fluoreszierende Kontrastmittel, die sich im Blutkreislauf befinden, mit Licht einer bestimmten Wellenl?nge bestrahlt werden, beginnen sie zu leuchten. Diesen Effekt macht sich die Fluoreszenzmikroskopie zu Nutze, um biologische Prozesse auf zellul?rer und molekularer Ebene sichtbar zu machen. Bis anhin stiessen Forschende bei der Verwendung dieser Methode bei Menschen oder Tieren auf das Problem, dass lebendes Gewebe selbst stark Licht absorbiert und streut. Dies liess die gewonnenen Bilder nicht nur unscharf erscheinen, sondern verunm?glichte auch die Lokalisierung des Kontrastmittels im Gehirn.
Durch die Einführung neuer Techniken gelang es Razansky und seinem Team nun, diese Methode stark zu verbessern. ?Wir haben uns entschieden, für die Bildgebung einen bestimmten Spektralbereich zu nutzen, das sogenannte zweite Nahinfrarotfenster. Dadurch konnten wir sowohl die Hintergrundstreuung als auch die Absorption und intrinsische Fluoreszenz des Gewebes stark reduzieren?, erkl?rt der Professor. Darüber hinaus verwendete das Forschungsteam eine erst kürzlich entwickelte, hocheffiziente Infrarotkamera sowie ein neues, aus Quantenpunkten bestehendes Kontrastmittel, das im gew?hlten Infrarotbereich stark fluoresziert.
Hochaufl?sende Bilder des Gehirns
Die Forschenden testeten die neue Technik zun?chst anhand von synthetischen Gewebemodellen, welche die Eigenschaften von Gehirngewebe simulieren. Das Resultat: Die Eindringtiefe der Bilder war vier Mal so hoch wie bei konventionellen fluoreszenzmikroskopischen Ans?tzen. Anschliessend injizierten Razansky und sein Team lebenden M?usen Mikrotr?pfchen, welche fluoreszierende Quantenpunkte enthielten. Diese Tr?pfchen konnten dann einzeln unter dem Mikroskop lokalisiert werden.
?Wir waren damit erstmals in der Lage, die kleinsten Gef?ssstrukturen und die Durchblutung tief im Gehirn der Maus scharf und nichtinvasiv sichtbar zu machen?, sagt Razansky. Zudem beobachteten die Forschenden der ETH und der Universit?t Zürich, dass die Gr?sse der abgebildeten Mikrotr?pfchen davon abh?ngig ist, wie tief sie sich im Gehirn befinden. Dieser Effekt erzeugt die dreidimensionalen Bilder der DOLI-Technik.
Im Vergleich zu anderen biologischen Bildgebungsverfahren wie zum Beispiel der von Razansky ebenfalls entwickelten Optoakustik macht sich die DOLI-Technik die Vielseitigkeit und Einfachheit der fluoreszenzmikroskopischen Bildgebung zu nutze. ?Wir ben?tigen lediglich ein relativ kostengünstiges Kamera-Setup ohne Laser oder ausgefeilte Optik. Dies erleichtert die fl?chendeckende Anwendung in Labors erheblich?, erkl?rt Professor Razansky.
Grundlage für neue Erkenntnisse
Neurologische St?rungen, die von Epilepsie über Schlaganf?lle bis hin zu verschiedenen Arten von Demenz reichen, betreffen weltweit bis zu eine Milliarde Menschen. Dementsprechend besteht ein grosser Bedarf, die biologischen Ursachen neurodegenerativer und anderer Gehirnerkrankungen besser zu verstehen und bereits in einem frühen Stadium zu erkennen.
Razansky zufolge bildet die auf Basis der DOLI-Methode verbesserte Fluoreszenzmikroskopie dafür eine gute Grundlage: ?Wir gehen davon aus, dass diese Technik auch zu neuen Einblicken in die Funktion des Gehirns und l?ngerfristig auch zu neuen Therapiem?glichkeiten führt.? Bis es aber soweit ist, müssen er und sein Team wohl noch eine Weile M?usen beim Denken zusehen.
Literaturhinweis
Zhou Q, Chen Z, Robin J, Deán-Ben XL, Razansky D: Diffuse optical localization imaging (DOLI) enables noninvasive deep brain microangiography in NIR-II window, Optica, Vol. 8, Issue 6, March 27 (2021). DOI: externe Seite 10.1364/OPTICA.420378