Erste Schritte auf dem Weg zum zuverlässigen Quanten-Maschinenlernen
Die Quantencomputer der Zukunft sollen nicht nur superschnell rechnen, sondern auch zuverl?ssig. Noch ist das eine grosse Herausforderung. Nun haben Informatiker unter dem Lead der ETH Zürich erste Schritte in Richtung zuverl?ssiges Quanten-Maschinenlernen gemacht.
Wer Pilze sammelt, weiss, dass es besser ist, die giftigen und die ungiftigen auseinanderzuhalten. Nicht auszudenken, was passierte, wenn jemand die giftigen verspeiste. Bei solchen ?Klassifikationsproblemen?, bei denen es darum geht, bestimmte Objekte voneinander abzugrenzen und die gesuchten anhand von Merkmalen bestimmten Klassen zuzuordnen, k?nnen Computer schon heute die Menschen sinnvoll unterstützen. Intelligente Verfahren des maschinellen Lernens k?nnen Muster oder Objekte erkennen und automatisch aus Datens?tzen heraussuchen – zum Beispiel k?nnten sie aus einer Fotodatenbank diejenigen heraussuchen, die ungiftige Pilze zeigen.
Besonders bei sehr grossen und komplexen Datens?tzen kann maschinelles Lernen wertvolle Ergebnisse liefern, die Menschen nicht oder nur mit sehr viel mehr Zeitaufwand herausf?nden. Bei gewissen Rechenaufgaben stossen jedoch auch die schnellsten heute verfügbaren Computer an ihre Grenze. Hier kommt das grosse Versprechen der Quantencomputer ins Spiel, dass sie dereinst auch solche Berechnungen superschnell ausführen werden, die klassische Computer nicht in nützlicher Frist l?sen k?nnen. Der Grund dieser ?Quantenüberlegenheit? liegt in der Physik: Quantencomputer rechnen und verarbeiten Information, indem sie gewisse Zust?nde und Wechselwirkungen ausnutzen, die innerhalb von Atomen oder Molekülen oder zwischen Elementarteilchen vorkommen.
Die Tatsache, dass sich Quantenzust?nde überlagern und verschr?nken k?nnen, schafft eine Grundlage, dank derer Quantencomputer Zugang zu einer grundlegend reichhaltigeren Verarbeitungslogik haben. Zum Beispiel rechnen Quantencomputer – anders als klassische Computer – nicht mit Bin?rcodes oder Bits, die Information nur als 0 oder 1 verarbeiten, sondern mit Quantenbits oder Qubits, die den Quantenzust?nden von Teilchen entsprechen. Der entscheidende Unterschied ist, dass Qubits pro Rechenschritt nicht bloss einen Zustand – 0 oder 1 – realisieren k?nnen, sondern zus?tzlich auch einen Zustand, in dem sich beide überlagern. Diese allgemeinere Art der Informationsverarbeitung erm?glicht wiederum eine drastische Beschleunigung der Berechnungen bei bestimmten Problemen.
Klassisches Wissen in die Quantenwelt übersetzen
Diese Geschwindigkeitsvorteile des Quantenrechnens sind auch eine Chance für Anwendungen des maschinellen Lernens – schliesslich k?nnten die Quantencomputer die riesigen Datenmengen, die maschinelle Lernverfahren ben?tigen, damit sie die Genauigkeit ihrer Ergebnisse verbessern, viel schneller berechnen als klassische Computer.
Um das Potenzial des Quantenrechnens wirklich auszunutzen, muss man die klassischen Verfahren des maschinellen Lernens jedoch auf die Eigenheiten der Quantencomputer anpassen. Zum Beispiel muss man die Algorithmen, also die mathematischen Berechnungsregeln, die beschreiben, wie ein klassischer Computer ein bestimmtes Problem l?st, für Quantencomputer anders formulieren. Gut funktionierende ?Quantenalgorithmen? für maschinelles Lernen zu entwickeln, ist dabei nicht ganz trivial, denn auf dem Weg dahin, sind noch einige Hürden zu überwinden.
Das hat zum einen mit der ?Quanten-Hardware? zu tun. An der ETH Zürich verfügen Forschende derzeit über Quantenrechner, die mit bis zu 17 Qubits arbeiten. Sollten Quantencomputer dereinst ihr volles Potenzial ausspielen, k?nnten jedoch tausende bis hunderttausende Qubits erforderlich sein.
Quantenrauschen – oder die Unvermeidlichkeit der Fehler
Eine Herausforderung, die sich bei Quantencomputern stellt, betrifft deren Fehleranf?lligkeit. Die heutigen Quantencomputer funktionieren mit einem sehr starken ?Rauschen? (engl. noise), wie Fehler oder St?reinflüsse in der Fachsprache heissen. Für die Amerikanische Physikalische Gesellschaft stellt dieses Rauschen ?das gr?sste Hindernis zur Vergr?sserung und Leistungssteigerung von Quantencomputern? dar. Sowohl für die Korrektur als auch für die Vermeidung von Fehlern gibt es keine umfassende L?sung. Noch wurde kein Weg gefunden, wie man eine fehlerfreie Quanten-Hardware herstellen k?nnte, und zur Implementierung einer Korrektur-Software oder eines Korrektur-Algorithmus sind Quantencomputer mit 50 bis 100 Qubits zu klein.
Bis zu einem gewissen Grad muss man damit leben, dass Fehler beim Quantenrechnen im Prinzip unvermeidlich sind, weil sich die Quantenzust?nde, die den konkreten Rechenschritten zugrunde liegen, nur mit Wahrscheinlichkeiten unterscheiden und beziffern lassen. Was sich hingegen erreichen l?sst, sind Verfahren, die das Ausmass des Rauschens und der St?reinflüsse soweit begrenzen, dass die Berechnungen trotzdem zuverl?ssige Ergebnisse liefern. Informatiker bezeichnen ein zuverl?ssig funktionierendes Rechenverfahren als ?robust? und sprechen in diesem Zusammenhang auch von der erforderlichen ?Fehlertoleranz?.
Genau das hat die Forschungsgruppe von Ce Zhang, ETH-Informatikprofessor und Mitglied des ETH AI Centers, nun vor kurzem erforscht – gewissermassen ?zuf?llig? w?hrend der Arbeit über die Robustheit klassischer Wahrscheinlichkeitsverteilungen und um bessere Systeme und Plattformen für maschinelles Lernen zu bauen. Zusammen mit Nana Liu, Professorin der Shanghai Jiao Tong Universit?t und mit Bo Li von der Universit?t von Illinois in Urbana-Champaign, hat sie einen neuen Ansatz entwickelt, mit dem sie für bestimmte Quantenmodelle des maschinellen Lernens nachweislich die Robustheitsbedingungen angeben kann, unter denen gew?hrleistet ist, dass die Berechnung eines Quantencomputers zuverl?ssig erfolgt und das Ergebnis korrekt ist. Ihren Ansatz, der zu den ersten seiner Art z?hlt, haben die Forschenden in der Wissenschaftszeitschrift ?npj Quantum Information? ver?ffentlicht.
Gewappnet gegen Fehler und Hacker
?Als wir feststellten, dass die Quantenalgorithmen so wie die klassischen Algorithmen anf?llig sind auf Fehler und St?rungen, haben wir uns gefragt, wie wir diese Fehlerquellen und St?reinflüsse für bestimmte Aufgaben des maschinellen Lernens absch?tzen sowie die Robustheit und die Zuverl?ssigkeit des gew?hlten Verfahrens gew?hrleisten k?nnen?, sagt Zhikuan Zhao, Postdoktorand in Ce Zhangs Gruppe, ?Wenn wir das wissen, k?nnen wir den Rechenergebnissen vertrauen, selbst wenn sie verrauscht sind.?
Diese Frage haben die Forschenden am Beispiel der Quantenklassifizierungsalgorithmen untersucht – schliesslich sind Fehler bei Klassifizierungsaufgaben heikel, da sie sich auf die reale Welt auswirken k?nnen, zum Beispiel wenn giftige Pilze als ungiftig klassifiziert würden. Vielleicht am wichtigsten ist, dass die ETH-Forschenden – inspiriert von früheren Arbeiten anderer Forschenden bei der Anwendung von Hypothesentests im klassischen Bereich – mit der Theorie des Quantenhypothesentestens, mit der sich Quantenzust?nde unterscheiden lassen, einen Schwellenwert ermittelten, ab dem die Zuordnungen des Quantenklassifikationsalgorithmus garantiert korrekt und seine Voraussagen robust sind.
Mit ihrem Robustheits-Verfahren k?nnen die Forschenden sogar feststellen, ob die Klassifizierung eines fehlerhaften, verrauschten Inputs dasselbe Ergebnis liefert wie ein sauberer Input. Aus ihren Erkenntnissen haben die Forschenden auch ein Schutzkonzept entwickelt, mit dem sich die Fehlertoleranz eines Berechnungsvorgangs angeben l?sst, und zwar unabh?ngig davon, ob ein Fehler eine natürliche Ursache hat oder durch Manipulation bei einem Hackerangriff entstanden ist. Ihr Robustheitskonzept funktioniert bei Hackerangriffen und bei natürlichen Fehlern.
?Das Verfahren l?sst sich auch auf eine breitere Klasse von Quantenalgorithmen anwenden?, sagt Maurice Weber, Doktorand bei Ce Zhang und Erstautor der Publikation. Da der Einfluss von Fehlern beim Quantenrechnen mit der Gr?sse des Systems zunimmt, forschen er und Zhao nun an diesem Problem. ?Wir sind optimistisch, dass sich unsere Robustheitsbedingungen als nützlich erweisen, zum Beispiel in Verbindung mit Quantenalgorithmen, die dafür entwickelt wurden, um die elektronische Struktur von Molekülen besser zu verstehen?.
Literaturhinweis
Weber, M, Liu, N, Li, B, Zhang, Ce, Zhao, Zhikuan. Optimal provable robustness of quantum classification via quantum hypothesis testing. npj Quantum information 7, 76, May 21 (2021). DOI: externe Seite 10.1038/s41534-021-00410-5