Hochpräzise Frequenzmessung
Viele wissenschaftliche Experimente setzen voraus, dass die Zeit mit Hilfe einer klar definierten Frequenz mit hoher Pr?zision gemessen werden kann. Ein neuer Ansatz erlaubt es nun, die Frequenzmessung im Labor direkt mit der Atomuhr in Bern zu vergleichen.
Für viele wissenschaftliche Experimente ben?tigen die Forschenden heute eine pr?zise Referenzfrequenz, mit der sie die Zeitmessung ihrer Ger?te kalibrieren k?nnen. Zu diesen Experimenten geh?ren beispielsweise Spektroskopie-Untersuchungen, bei denen chemische Reaktionen zwischen Molekülen in Echtzeit untersucht werden, oder physikalische Studien zu Naturkonstanten.
Schon bald k?nnte nun die Verfügbarkeit einer solchen hochpr?zisen Referenzfrequenz zur Grundausstattung von Schweizer Forschungsinstitutionen geh?ren. Forschende der ETH Zürich, der Universit?t Basel, des Eidgen?ssischen Instituts für Metrologie (Metas), der ?Hüterin der Masseinheiten für die Schweiz?, sowie der Stiftung Switch, die das akademische Datennetz der Schweiz betreibt, haben in einem gemeinsamen Projekt, das vom Sinergia-Programm des Schweizerischen Nationalfonds gef?rdert wird, zeigen k?nnen, dass ein solches pr?zises Referenzsignal über die herk?mmliche Telekommunikations-Infrastruktur übermittelt werden kann.
?Die ersten Erfahrungen zeigen, dass chemische Spektroskopie-Analysen damit mit einer um einen Faktor 100 h?heren Genauigkeit durchgeführt werden k?nnen als bisher?, berichtet Stefan Willitsch, Professor für Physikalische Chemie an der Universit?t Basel und Koordinator des Projekts. ?Mit dieser Genauigkeit werden die Gesetze der Natur durch spektroskopische Messungen an Molekülen mit noch nie erreichter Genauigkeit überprüft?, erg?nzt Frédéric Merkt, Professor für Physikalische Chemie an der ETH Zürich.
Kontinuierliche Korrektur
Konkret wurde im Projekt ein Versuchsnetz aufgebaut, das den Sitz von Metas in Bern-Wabern mit der Universit?t Basel und der ETH Zürich verbindet. Das Ausgangssignal, das über ein ausgeklügeltes Verfahren mit der Atomuhr von Metas synchronisiert wird, wird dabei über das Glasfasernetz von Switch nach Basel und Zürich übermittelt, wo es die Forschenden dann zum Kalibrieren ihrer Messger?te verwenden k?nnen.
?Damit das Signal tats?chlich bei den Forschenden mit der gewünschten Pr?zision ankommt, muss die ?bertragung laufend nachjustiert werden. Bereits kleinste L?ngenver?nderungen des Glasfaserkabels, etwa durch Erschütterungen oder Temperaturver?nderungen, wirken sich auf die Frequenz aus?, erkl?rt Jacques Morel, Leiter des Labors Photonik, Zeit und Frequenz bei Metas. Deshalb wird das Signal in Basel und Zürich nach Bern zurückgespiegelt, wo das Ausgangssignal dann entsprechend korrigiert wird.
Hohe Qualit?t, tiefere Kosten
?In der Schweiz stehen wir beim Aufbau eines solchen Netzwerkes erst am Anfang?, erl?utert Jér?me Faist, der als Professor am Institut für Quantenelektronik der ETH Zürich seine Fachkenntnisse in Lasertechnik einbrachte. ?In anderen L?ndern wie Italien, Deutschland und Frankreich ist man diesbezüglich bereits einen Schritt weiter.?
In diesen L?ndern werden die Referenzfrequenzen bisher auf zwei Arten übermittelt, die beide ihre spezifischen Nachteile haben: Entweder wird das Signal über eine spezielle Leitung verschickt; das führt zwar zu einem physikalisch optimalen Resultat, ist aber kostspielig. Oder man nutzt zur ?bermittlung die bestehende Infrastruktur der Telekommunikationsanbieter. Das ist zwar wesentlich günstiger, aber technisch nicht optimal. Denn das Referenzsignal für die Zeitmessung wird dabei ebenfalls im sogenannten C-Band übermittelt, also mit einer ?hnlichen Grundfrequenz wie der Datenverkehr. Dadurch wird zum einen das Referenzsignal potenziell durch den übrigen Datenverkehr gest?rt. Gleichzeitig wird ein Kanal, der normalerweise für die Datenübermittlung genutzt wird, blockiert, was den Betrieb kompliziert.
?Wir haben nun einen dritten Weg entwickelt?, erl?utert Fabian Mauchle, Projektverantwortlicher bei Switch: ?Wir nutzen aus Kostengründen das bereits existierende Netz von Switch, weichen aber für die ?bermittlung des Referenzsignals vom physikalisch optimalen C-Band, das eben durch den Datenverkehr bereits stark belegt ist, auf das noch weitgehend freie L-Band aus, das eine abweichende Grundfrequenz hat.? Die Resultate zeigen nun, dass auch im L-Band das Referenzsignal mit einer sehr guten Qualit?t übermittelt werden kann und dass es dabei nicht durch den Datenverkehr gest?rt wird. Dazu war es jedoch notwendig, dass Switch gewisse Modifikation an der Netzinfrastruktur vornahm.
Internationale Vernetzung
In einem n?chsten Schritt geht es nun darum, das Netz weiter auszubauen und auch andere Institutionen in der Schweiz anzuschliessen, etwa das Cern in Genf, die EPFL oder die Universit?t Neuenburg. Auch auf internationaler Ebene wird eine Vernetzung angestrebt. Ziel ist es, einen l?nderübergreifenden Verbund aufzubauen, mit dem die Signale von verschiedenen Atomuhren miteinander verglichen werden k?nnen.
Damit würde auch die Realisierung einer noch pr?ziseren Zeitmessung als SI-Einheit Sekunde erm?glicht. Die heutigen Atomuhren, welche die einheitliche Zeitmessung weltweit sicherstellen, werden mit Satellitensignalen im Gigahertz-Bereich verglichen. Atomuhren, die mit optischen Signalen im Terahertz-Bereich aufeinander abgestimmt werden, k?nnten die Sekunde nicht mehr ?nur? bis zu 16. Nachkommastelle genau messen, sondern sogar bis zur 18. Nachkommastelle. Doch das geht eben nur, wenn die Signale zum Vergleich dieser optischen Uhren mit Licht über Glasfasern übermittelt werden.
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Das neue Netzwerk k?nnte übrigens nicht nur für Chemiker und Physiker von Nutzen sein, wie Faist erg?nzt. Auch den Erdwissenschaftlern k?nnte es neue Einsichten erm?glichen. Diese ben?tigen zwar kein hochpr?zises Zeitsignal für ihre Experimente. Doch weil sich bereits kleinste St?rungen auf die Frequenz auswirken, k?nnte man auf diese Weise m?glicherweise feine Erschütterungen im Untergrund ausfindig machen, die man mit den bisherigen Messger?ten noch nicht entdecken kann.
Literaturhinweis
Husmann D et.al.: SI-traceable frequency dissemination at 1572.06 nm in a stabilized fiber network with ring topology. Vol. 29, No. 16 /2 August 2021. doi: externe Seite 10.1364/OE.427921