Ein Durchbruch für die Zukunft: Nanokristalle aus Amalgam

ETH-Forschenden ist es gelungen, Nanokristalle aus zwei verschiedenen Metallen mittels eines Amalgamierungs-Prozesses herzustellen, bei dem ein flüssiges Metall ein festes durchdringt. Diese neue und überraschend intuitive Technik macht es m?glich, eine grosse Bandbreite an intermetallischen Nanokristallen mit massgeschneiderten Eigenschaften für verschiedenste Anwendungen zu produzieren.

Intermetallische Nanokristalle (Elektronenmikroskop-Aufnahmen) aus verschiedenen Metall-Kombinationen. Der weisse Balken entspricht 10 Nanometern.
Intermetallische Nanokristalle (Elektronenmikroskop-Aufnahmen) aus verschiedenen Metall-Kombinationen. Der weisse Balken entspricht 10 Nanometern. (Bild: Chemistry and Materials Design group)

Nanokristalle sind wenige Nanometer grosse Kügelchen aus regelm?ssig angeordneten Atomen. Aufgrund ihrer vorteilhaften Eigenschaften sind sie in mehreren Technologien auf dem Vormarsch. Nanokristalle aus Halbleitern zum Beispiel werden in Fernsehbildschirmen der neuen Generation eingesetzt. In letzter Zeit machen nun zunehmend so genannte intermetallische Nanokristalle, in denen zwei verschiedene Metalle ein gemeinsames Kristallgitter bilden, von sich reden, da sie leistungsstarke und einzigartige Anwendungen versprechen. Diese reichen von der Katalyse über Datenspeicher bis hin zur Medizin.

Theoretisch gibt es Zehntausende m?glicher Kombinationen von Metallen, die solche Nanokristalle bilden k?nnten, mit entsprechend vielen verschiedenen Materialeigenschaften. Bislang aber konnten nur aus einigen wenigen Paarungen tats?chlich Nanokristalle hergestellt werden. Forschende der ETH Zürich unter Leitung von Maksym Yarema und Vanessa Wood am Institut für Elektronik haben nun eine neue Technik entwickelt, mit der im Prinzip fast alle m?glichen Kombinationen von intermetallischen Nanokristallen realisiert werden k?nnen. Ihre Ergebnisse erschienen kürzlich im Fachjournal Science Advances.

?berraschend intuitive Methode

?Unsere Methode ist einfach und intuitiv – so intuitiv, dass wir überrascht waren, dass noch niemand vor uns auf diese Idee gekommen ist?, sagt Yarema. In herk?mmlichen Verfahren für die Herstellung von Nanokristallen aus einem einzigen Metall werden die Metallatome in molekularer Form, zum Beispiel als Salze, in eine L?sung gegeben, in der dann die Nanokristalle wachsen. ?Theoretisch kann man das auch mit zwei verschiedenen Metallen machen, aber in der Praxis ist es schwierig oder gar unm?glich, sehr verschiedenartige Metalle im Reagenzglas miteinander zu kombinieren?, erkl?rt Yarema. Also griffen die ETH-Wissenschaftler auf ein Verfahren zurück, das schon seit Jahrhunderten benutzt wird: das Amalgamieren, also eine bestimme Art des Verschmelzens oder Vermischens von Metallen.

Flüssige Metalle

Amalgame sind vor allem aus der Zahnheilkunde bekannt, wo sie als Material für Plomben eingesetzt werden, und auch aus der Goldgewinnung. In beiden F?llen wird flüssiges Quecksilber hinzugegeben, um andere Metalle darin aufzul?sen (für Zahnfüllungen ein Gemisch aus Kupfer, Zinn und Silber). Das Amalgamieren funktioniert aber auch mit jedem anderen flüssigen Metall. Neben Quecksilber, das schon bei Raumtemperatur flüssig ist, gibt es eine Reihe von Metallen mit relativ niedrigen Schmelzpunkten wie etwa Gallium (30 Grad Celsius), Indium (157 Grad) oder Zinn (232 Grad).

Amalgam-Prinzip für Nanokristalle

Yarema und seine Kollegen machen sich das Amalgam-Prinzip auf der Nanoskala zu Nutze. Die Reaktion beginnt mit dem Aufl?sen von Nanokristallen, die aus einem einzigen Metall bestehen, zum Beispiel aus Silber. Dann werden die Atome des zweiten Metalls – etwa Gallium - in Molekülform dazu gegeben (in diesem Fall als Amide, eine Verbindung aus Kohlenstoff, Wasserstoff, Stickstoff und Sauerstoff), w?hrend die Mischung auf knapp 300 Grad erhitzt wird.

Wir sind überrascht, wie effizient die Verschmelzung auf der Nanoskala ist. Eine einzige flüssige Metallkomponente ist der Schlüssel zu einer schnellen und gleichm?ssigen Legierung in jedem Nanokristall.Maksym Yarema
Maksym Yarema

Durch die hohe Temperatur brechen zun?chst die chemischen Verbindungen des Gallium-Amids auf, und flüssiges Gallium lagert sich auf den Silber-Nanokristallen ab. Nun beginnt der eigentliche Amalgamierungsprozess, bei dem flüssiges Gallium in das feste Silber hineinkriecht. Dadurch bildet sich nach und nach ein neues Kristallgitter, in dem am Ende Silber- und Galliumatome regelm?ssig angeordnet sind. Dann wird das Ganze wieder abgekühlt, und nach zehn Minuten sind die Nanokristalle fertig. ?Wir sind erstaunt, wie effizient die Amalgamierung auf der Nanoskala funktioniert. Die flüssige Metallkomponente ist dabei der Schlüssel zur schnellen und gleichm?ssigen Bildung einer Legierung in den einzelnen Nanokristallen?, sagt Yarema.

Kontrollierbarer Prozess

Mit derselben Technik haben die Forschenden bereits verschiedene intermetallische Nanokristalle hergestellt, unter anderem Gold-Gallium, Kupfer-Gallium und Palladium-Zink. Der Amalgamierungsprozess ist dabei genau steuerbar. Durch die Menge an Zweitatomen, die als Amide in die L?sung gegeben werden, kann man das Mengenverh?ltnis der Metalle in den Nanokristallen exakt kontrollieren. Am Beispiel von Gold-Gallium (chemische Symbole Au und Ga) haben die Wissenschaftler gezeigt, dass sich so Nanokristalle mit verschiedensten Mengenverh?ltnissen herstellen lassen, etwa 1:2 (AuGa2), 1:1 (AuGa) oder 7:2 (Au7Ga2). Auch die Gr?sse der fertigen intermetallischen Nanokristalle l?sst sich aus der Gr?sse der ursprünglichen Nanokristalle aus dem ersten Metall und dem Gr?ssenzuwachs durch das Zweitmetall genau vorhersagen.

Massgeschneiderte Nanokristalle für Anwendungen

In der genauen Kontrollierbarkeit der Zusammensetzung und Gr?sse der Nanokristalle, gepaart mit der nahezu beliebigen Kombinierbarkeit der Metalle, sehen die Forschenden ein grosses Potenzial für technologische Anwendungen. ?Da die Synthese von Nanokristallen mittels Amalgamierung so viele neue Zusammensetzungen erm?glicht, k?nnen wir es kaum erwarten, bis diese in verbesserten Katalysatoren, in der Plasmonik oder in Lithium-Ionenbatterien zum Einsatz kommen?, sagt Yarema. So k?nnen etwa Katalysatoren aus Nanokristallen auf einen bestimmten chemischen Prozess, der durch sie beschleunigt werden soll, genau massgeschneidert und optimiert werden.

Vergr?sserte Ansicht: Der Herstellungsprozess eines intermetallischen Nanokristalls (obere Reihe: Schema, untere Reihe: Elektronenmikroskop-Aufnahme). In die Lösung mit den Nanokristallen aus dem ersten Metall (links) wird das Zweitmetall («M») als Amid gegeben und lagert sich als Flüssigkeit auf den Nanokristallen ab (Mitte). Durch Amalgamierung entstehen schliesslich die intermetallischen Nanokristalle (rechts).
Der Herstellungsprozess eines intermetallischen Nanokristalls (obere Reihe: Schema, untere Reihe: Elektronenmikroskop-Aufnahme). In die L?sung mit den Nanokristallen aus dem ersten Metall (links) wird das Zweitmetall (?M?) als Amid gegeben und lagert sich als Flüssigkeit auf den Nanokristallen ab (Mitte). Durch Amalgamierung entstehen schliesslich die intermetallischen Nanokristalle (rechts). (Bild: CMD)

Literaturhinweis

Clarysse, J, Moser, A, Yarema, O, Wood V, Yarema M. Size- and composition-controlled intermetallic nanocrystals via amalgamation seeded growth. Science Advances, 28 Jul 2021, Vol. 7, no. 31, eabg1934. DOI: externe Seite 10.1126/sciadv.abg1934 .

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