Den steigenden Strombedarf klimaneutral bewältigen
Viele allt?gliche Handlungen h?ngen vom Strom ab. Bis 2050 wird diese Abh?ngigkeit zunehmen und der Strombedarf in der Schweiz bis zu 50 Prozent steigen. Dieser Anstieg l?sst sich nur bew?ltigen, wenn sich das Energiesystem umfassend wandelt.
Die Schweiz hat sich zum Ziel gesetzt, bis im Jahr 2050 keine Treibhausgasemissionen mehr auszustossen. Mit diesem Netto-Null-Ziel m?chte sie ihren Beitrag dazu leisten, die Klimaerw?rmung global auf weniger als 1,5 Grad zu begrenzen. Was dieses Ziel für den künftigen Strombedarf bedeutet und welchen Beitrag dazu insbesondere die Geothermie und die Wasserkraft leisten k?nnen, untersuchten unter der Leitung der ETH Zürich 25 Schweizer Wissenschaftseinrichtungen, Industrieunternehmen sowie Bundesbeh?rden im Rahmen des Kompetenzzentrums für Energieforschung – Strombereitstellung (SCCER-SoE). Dabei verschob sich der Fokus des Projekts von den Erneuerbaren als Ersatz für die Atomkraft zu Beginn hin zu einer viel umfangreicheren Problemstellung: Das Energiesystem der Zukunft muss nicht nur mehr Strom liefern, sondern soweit m?glich auch negative Emissionen erzielen. Dies erfordert viel umfassendere und vor allem integralere L?sungen.
Der Strommix der Zukunft
Wie sich das Stromangebot und die Nachfrage in Zukunft zusammensetzen, haben die insgesamt acht Kompetenzzentren unter der Leitung des SCCER-SoE anhand von Szenarien modelliert. Der erh?hte Strombedarf bis im Jahr 2050 ist mehrheitlich auf eine Elektrifizierung in zwei Bereichen zurückzuführen: Transport und Heizen.
Um die sich daraus ergebende steigende Nachfrage zu decken und insbesondere den Wegfall der Kernkraftwerke zu kompensieren, muss das Angebot erneuerbarer Energien bis 2050 nahezu verdoppelt werden. Das gr?sste Potential birgt die Photovoltaik. ?Dieses l?sst sich aber nur aussch?pfen, wenn gleichzeitig Massnahmen ergriffen werden, um die Schwankungen dieser Energieform auszugleichen? betont Peter Burgherr vom Paul Scherrer Institut. Photovoltaik eignet sich schlecht, um in den Wintermonaten ausreichend Strom zu liefern und verursacht in den Sommermonaten um die Mittagszeit einen ?berschuss an Energie, der das Stromnetz belasten kann.
Um die ungleichm?ssige Strombereitstellung besser bew?ltigen zu k?nnen, ist es entscheidend, dass auch die Potenziale der anderen Erneuerbaren wie Wind, Wasserkraft, Biomasse und Geothermie besser genutzt werden. Die überschüssige Energie aus Photovoltaikanlagen liesse sich in Batterien zwischenspeichern, für Pumpspeicherwerke nutzen oder in W?rme oder Wasserstoff umwandeln.
Hier kommt die Wasserkraft ins Spiel, die aktuell und künftig wichtigste einheimische Energiequelle in der Schweiz. Sie übernimmt neben ihrem direkten Beitrag zur Elektrizit?tsversorgung eine wichtige Rolle als Energiespeicher. Robert Boes, Leiter der Versuchsanstalt für Wasserbau, Hydrologie und Glaziologie und Professor an der ETH Zürich, relativiert das Potential dennoch: ?Ein signifikanter Ausbau der Wasserkraft ist in den kommenden Jahrzehnten aber aufgrund der hohen Anforderungen an den Umweltschutz, der aktuell fehlenden oder tiefen Wirtschaftlichkeit und der geringen gesellschaftlichen Akzeptanz solcher Projekte unrealistisch?. Erg?nzend werden daher auch unter optimistischen Annahmen weiterhin Stromimporte oder inl?ndische Gaskraftwerke gebraucht, um den Bedarf abzudecken.
Die Geothermie hat in der Schweiz das Potential, künftig zur Stromversorgung beizutragen sowie einen grossen Anteil des W?rmbedarfs für Heizzwecke, Warmwasser und gewisse industrielle Prozesse abzudecken. Dazu kann einerseits Wasser im Untergrund erhitzt und dann gef?rdert werden. Andererseits kann der Untergrund als Speicher für an der Oberfl?che erw?rmtes Wasser dienen, das beispielsweise mittels überschüssiger Energie aus der Photovoltaik oder Kehrichtverbrennungsanlagen aufgeheizt wurde.
Nicht ohne negative Emissionen
Neben dem Ausbau der erneuerbaren Energie, einer Effizienzsteigerung bestehender Technologien und Massnahmen, um den Energieverbrauch m?glichst gering zu halten, ben?tigt die Schweiz zus?tzlich negative Emissionen, um das Netto-Null-Ziel zu erreichen. Solche negativen Emissionen lassen sich beispielsweise direkt aus der Umgebungsluft (direct air capture) oder durch die Verbrennung von Biomasse mit anschliessender CO2-Abscheidung und langfristiger Speicherung im Untergrund erzielen. Die aktuellen Erkenntnisse deuten darauf hin, dass die Speicheroptionen im Schweizer Untergrund geringer sind als ursprünglich erhofft, was weiterführende Untersuchungen sowie parallele Abkl?rungen zu Speicheroptionen im Ausland erfordert.
Die Resultate der siebenj?hrigen Forschungsarbeiten des SCCER-SoE zeigen, dass sich das Netto-Null-Ziel technisch bis 2050 erreichen l?sst. ?Dafür sind aber koordinierte und umfassende Anpassungen in vielen verschiedenen Bereichen notwendig, welche die gesamte Gesellschaft betreffen. Wir dürfen zudem keine weitere Zeit verlieren, wollen wir die gesetzten Klimaziele bis 2050 erreichen? hebt Domenico Giardini, Professor an der ETH Zürich und Leiter des SCCER-SoE, hervor.
Das Schweizer Kompetenzzentrum für Energieforschung – Strombereitstellung
In Abstimmung mit dem Bundesamt für Energie f?rderten der Schweizerischen Nationalfonds und die Kommission für Technologie und Innovation von 2013 bis 2020 acht Kompetenzzentren im Bereich der Energieforschung (SCCER), um die notwendige Wissensbasis zur Erreichung der Klimaziele bis 2050 zu erarbeiten.
Im Rahmen des Schweizer Kompetenzzentrum für Energieforschung – Strombereitstellung (SCCER-SoE, Swiss Competence Center for Energy Research – Supply of Electricity) erforschten, entwickelten und testeten mehr als 240 Forschende, darunter 95 Doktorierende, neue Technologien und optimierten bestehende Infrastrukturen für die zukünftige Energieerzeugung. Dazu schaffte das SCCER-SoE in enger Zusammenarbeit mit der Industrie innovative Forschungsstellen, gründete Technologieplattformen, investierte in Labore und koordinierte nationale sowie internationale Forschungsprojekte.
Weitere Informationen zum SCCER-SoE finden sie hier: externe Seite www.sccer-soe.ch
Die wichtigen Erkenntnisse aus sieben Jahren Forschung sind in ausführlicher Form in vier zusammenfassenden Berichten (auf Englisch) dokumentiert: externe Seite Summary Reports.
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