Der Architektur von Tumoren auf der Spur
Forschende der ETH Zürich haben mittels Computersimulationen gezeigt, dass die Gewebestruktur verschiedener Krebsarten entscheidend dazu beitr?gt, wie sich ein Tumor entwickelt. Künftig k?nnten diese Informationen helfen, Patientinnen und Patienten gezielter zu behandeln.
Die Krebstherapie ist einer der komplexesten Bereiche der Medizin, weil jeder Tumor anders ist. Aus einer entarteten Krebszelle w?chst ein Mosaik aus Zellpopulationen heran, die sich laufend neue Mutationen aneignen. Und jede dieser Zellpopulationen – sogenannte Klone – kann anders auf die Therapie reagieren.
Moderne Therapieans?tze bek?mpfen gezielt diejenigen Klone, die wesentlich zum Wachstum des Tumors beitragen. ?rzt:innen entnehmen dabei Tumorgewebe und bestimmen die relative Gr?sse der verschiedenen Zellpopulationen sowie deren spezifische Mutationen mittels DNA-Sequenzierung.
Ob und wieso sich eine bestimmte Zellpopulation in einem Tumor durchsetzt, bleibt jedoch oft unklar; die weitere Krebsentwicklung vorherzusagen und darauf basierend die richtige Therapie zu w?hlen, ist entsprechend schwer.
Computermodell zeigt Tumorentwicklung
Nun hat ein internationales Forschungsteam unter der Leitung von Niko Beerenwinkel, Professor am Departement Biosysteme der ETH Zürich in Basel, gezeigt, dass die Gewebearchitektur bei verschiedenen Krebsarten entscheidend dazu beitr?gt, wie sich Zellpopulationen in den Tumoren ausbreiten.
Die Forscher:innen simulierten dazu die Tumorentwicklung mit einem Computermodell, das anders als bisherige Modelle auch die zellul?re Struktur verschiedener Gewebe berücksichtigt. Ihre Resultate ver?ffentlichten sie im Fachmagazin externe Seite Nature Ecology and Evolution.
?Die Zellpopulationen in Tumoren konkurrieren miteinander um limitierende Ressourcen wie den Platz, N?hrstoffe und Sauerstoff?, erkl?rt Robert Noble, Erstautor der Studie. Ob eine neue Mutation einer Zellpopulation einen ?berlebensvorteil verschafft, h?ngt daher davon ab, wie diese mit benachbarten Zellen interagiert.
Krebszellen sind st?ndig im Konkurrenzkampf
So befinden sich bei Blutkrebs im Knochenmark unz?hlige Stammzellen in einem grossen, einheitlichen Pool. Eine entartete Stammzelle mit einer Mutation, die einen ?berlebensvorteil bringt, kann sich in diesem Zellpool rasch durchsetzen.
Bei der Entstehung von Darmkrebs liegen die Zellen dagegen in kleinen Nischen, die durch mikroskopische Falten und Einbuchtungen der Darmwand entstehen. Wegen der starken Gliederung des Lebensraumes breiten sich Krebszellen mit vorteilhaften Mutationen nur langsam aus.
Die Theorie, dass die Gewebestruktur die Zahl und Gr?sse verschiedenen Zellpopulationen in einem Tumor beeinflusst, existiert in der Krebsforschung bereits seit l?ngerem. Die neue Studie ist jedoch die erste, die diesen Aspekt systematisch untersucht hat.
Simulationen decken sich mit Architektur echter Tumore
Das neu entwickelte Computermodell stellt die Ausbreitung der mutierten Zellpopulationen für verschiedene Krebsarten nach. Für jede Krebsart führten die Forscher:innen Tausende von Simulationen durch und verglichen die Ergebnisse mit r?umlich aufgel?sten DNA-Sequenzierungsdaten von Pr?paraten echter menschlicher Tumore. Das Resultat: Die Vorhersagen des Computermodells stimmen mit den klinischen Daten überein.
?Unsere Ergebnisse zeigen, dass die besondere r?umliche Struktur eines jeden Tumors berücksichtigt werden muss, um ein genaues Bild der Vorg?nge zu erhalten?, so Beerenwinkel.
Die vorliegende Studie liefert zudem den Entwurf für eine neue Generation patientenspezifischer Modelle in der Krebsdiagnostik. Noble, der mittlerweile eine eigene Gruppe an der City University London leitet, sagt: ?Künftig k?nnten ?rzte und ?rztinnen mit diesen Modellen besser vorhersagen, ob ein bestimmter Tumor auf eine Therapie anspricht.?
Literaturhinweis
Noble, R., Burri, D., Le Sueur, C. et al. Spatial structure governs the mode of tumour evolution. Nat Ecol Evol (2021). DOI: externe Seite 10.1038/s41559-021-01615-9