Neuronales Netzwerk kann Baumhöhen von Satellitenbildern ablesen
Mit Hilfe eines künstlichen neuronalen Netzwerks haben ETH-Forschende eine erste hochaufgel?ste globale Vegetationsh?hen-Karte aus Satellitenbildern für das Jahr 2020 erstellt. Die Karte k?nnte entscheidende Hinweise gegen den Klimawandel und das Artensterben liefern.
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Seit letztem Jahr befinden wir uns in der UN-Dekade für die Wiederherstellung von ?kosystemen (engl. ?UN Decade on Ecosystem Restoration?). Die Initiative hat sich zum Ziel gesetzt, bis 2030 die Degradation der ?kosysteme aufzuhalten, ihr vorzubeugen und bereits entstandene Sch?den, wenn m?glich zu beheben. Für solche Vorhaben ben?tigen die Akteure pr?zise Grundlagen wie zum Beispiel Vermessungen und Karten des Bestands. Ralph Dubayah, Leiter der ?Global Ecosystem Dynamics Investigation (GEDI)?-Mission der NASA erkl?rt in einem Interview: ?Wir wissen schlicht nicht, wie hoch die B?ume weltweit sind. [...] Wir brauchen globale Karten davon, denn wenn wir B?ume f?llen, setzen wir CO2 in die Atmosph?re frei, und wir wissen nicht, um wie viel es sich handelt.?
Auf die Analyse und Aufbereitung ebensolcher Umweltdaten spezialisiert ist das EcoVision Lab am ETH-Departement für Bau, Umwelt und Geomatik, das 2017 von ETH-Professor Konrad Schindler und UZH-Professor Jan Dirk Wegner gegründet wurde. Im Lab entwickeln die Forscher Machine-Learning-Algorithmen, die es erm?glichen, grossfl?chige Umweltdaten automatisch zu analysieren. Einer dieser Forscher ist Nico Lang. In seiner Doktorarbeit hat er einen Ansatz – basierend auf neuronalen Netzwerken – entwickelt, um aus optischen Satellitenbildern die Vegetationsh?he ableiten zu k?nnen. Daraus konnte er die erste Vegetationsh?hen-Karte erstellen, welche die gesamte Erde abdeckt (engl. ?externe Seite Global Canopy Height Map?).
Ein Novum ist zudem die hohe Aufl?sung der Karte: Dank Langs Arbeit k?nnen Nutzer:innen bis zu 10x10 Meter an jedes Waldstück der Erde heranzoomen, um die Baumh?he abzulesen. Eine solche Vermessung der W?lder k?nnte in Zukunft insbesondere im Umgang mit dem CO2-Ausstoss wegweisend sein, denn die Baumh?he ist ein wichtiger Indikator für die Biomasse und die Menge an gespeichertem Kohlenstoff. ?Etwa 95 Prozent der Biomasse im Wald sind im Holz und nicht in den Bl?ttern. Daher h?ngt die Biomasse stark mit der H?he zusammen?, kl?rt Konrad Schindler, Professor für Photogrammetrie und Fernerkundung, auf.
Trainiert mit Laserscanning-Daten aus dem Weltraum
Doch wie liest ein Computer die Baumh?he von einem Satellitenbild ab? ?Da wir nicht wissen, nach welchen Mustern der Computer Ausschau halten muss, um die H?he zu sch?tzen, lassen wir ihn die optimalen Bildfilter selbst lernen?, sagt Nico Lang. Daher zeigt er seinem neuronalen Netzwerk Millionen von Beispielen: Als Input dienen die Bilder der zwei Copernicus Sentinel-2-Satelliten der Europ?ischen Weltraumorganisation (ESA). Diese Satelliten nehmen alle fünf Tage jeden Ort der Erde mit einer Aufl?sung von 10x10 Metern pro Pixel auf. Es sind die qualitativ besten Bilder, die zurzeit ?ffentlich zug?nglich sind.
?Der Trick ist, dass wir die Bildfilter stapeln und der Algorithmus dadurch Kontextinformationen erh?lt, da er von jedem Pixel bereits Informationen über die Nachbarpixel hat.?Konrad Schindler
Daneben muss dem Algorithmus die korrekte Antwort – das heisst die Baumh?he aus Space-Lasermessungen der externe Seite NASA GEDI-Mission – zur Verfügung gestellt werden. ?Die GEDI-Mission liefert global verteilte, punktuelle Daten der Vegetationsh?he zwischen dem 51. n?rdlichen und südlichen Breitengrad, sodass der Computer im Trainingsprozess viele verschiedene Vegetationstypen sieht?, erkl?rt Nico Lang. Mit Input und Antwort kann sich der Algorithmus die Filter für Textur- und Spektralmuster selbst aneignen. Ist das neuronale Netzwerk erst einmal trainiert, kann es die Baumh?hen aus den mehr als 250'000 Bildern (etwa 160 Terabyte Daten), die für die globale Karte notwendig sind, automatisch sch?tzen.
In der Fachterminologie nennt sich Langs neuronales Netzwerk Convolutional Neural Network (CNN). Die ?Convolution? – zu Deutsch Faltung– ist eine mathematische Operation, bei welcher der Algorithmus die 3x3 Pixel grossen Bildfilter über das Satellitenbild gleiten l?sst und dadurch Informationen über Helligkeitsmuster im Bild erh?lt. ?Der Trick dabei ist, dass wir die Bildfilter stapeln und der Algorithmus dadurch Kontextinformationen erh?lt, da er von jedem Pixel bereits Informationen über die Nachbarpixel hat?, erl?utert Konrad Schindler. Dadurch ist es dem EcoVision Lab erstmalig gelungen mit einer Satellitenkarte auch Baumh?hen von bis zu 55 Meter zuverl?ssig einzusch?tzen.
Weil diese neuronalen Netzwerke mit ihren vielen Schichten ?tief? sind, spricht man auch von ?Deep Learning?. Diese Methode l?utete vor rund 10 Jahren eine grosse Revolution in der Bildverarbeitung ein. Der Umgang mit der schieren Menge an Daten, die dazu n?tig ist, ist jedoch nach wie vor eine grosse Herausforderung: Um die globale Vegetationsh?hen-Karte zu berechnen, br?uchte ein leistungsstarker Rechner allein drei Jahre. ?Zum Glück haben wir Zugriff auf den ETH-Hochleistungsrechencluster, sodass wir nicht drei Jahre auf die Berechnung der Karte warten mussten?, lacht Nico Lang.
Transparenz durch Absch?tzung der Unsicherheiten
Nico Lang bereitete denn nicht nur ein CNN auf diese Aufgabe vor, sondern gleich mehrere – ein sogenanntes Ensemble – davon. ?Ein wichtiger Aspekt für uns war, den Nutzer:innen auch die Unsicherheit der Sch?tzung mitzuliefern?, sagt er. Die insgesamt fünf neuronalen Netzwerke wurden unabh?ngig voneinander trainiert, wobei jedes seine eigene Sch?tzung der Baumh?hen angibt.
?Sind alle Modelle einer Meinung, ist die Antwort auf Basis der Trainingsdaten eindeutig. Kommen die Modelle zu unterschiedlichen Antworten, bedeutet dies, dass es eine h?here Unsicherheit in der Sch?tzung gibt?, erkl?rt Nico Lang. In die Modellierung fliessen auch Unsicherheiten in den Daten selbst mit ein: Ist ein Satellitenbild beispielsweise dunstig, ist die Unsicherheit gr?sser, als wenn die atmosph?rischen Verh?ltnisse gut sind.
Grundlage für zukünftige ?kologische Forschung
Dank ihrer hohen Aufl?sung bietet Langs globale Karte Einblick in interessante Details: ?Wir konnten bereits spannende Muster entdecken?, erz?hlt Konrad Schindler. ?In den Rocky Mountains beispielsweise wird die Forstwirtschaft in fixen Quadraten betrieben und auch der Regenwald formt interessante Strukturen, die nicht zuf?llig sein k?nnen.? Nun sei es ?kolog:innen m?glich, die aufgenommenen Muster und Daten weltumfassend zu interpretieren.
?Dank Sentinel-2 k?nnte man alle fünf Tage die Vegetationsh?hen neu berechnen und h?tte so ein Monitoring, um die Regenwaldabholzung zu beobachten.?Nico Lang
Damit die Forschung weitergeführt werden kann, werden die Karte sowie der Source Code ?ffentlich zug?nglich sein. Erste Interessenten haben sich bereits gemeldet: Walter Jetz, Professor an der Yale Universit?t, m?chte die Global Canopy Height Map zur Biodiversit?tsmodellierung nutzen. Doch auch für Regierungen, Verwaltungen und NGOs k?nnte die Karte interessant sein. ?Dank Sentinel-2 k?nnte man alle fünf Tage die Vegetationsh?hen neu berechnen und h?tte so ein Monitoring, um die Regenwaldabholzung zu beobachten?, meint Nico Lang.
Darüber hinaus sei es nun auch m?glich, regionale Erkenntnisse wie die Eigenschaft von tropischen Bl?tterd?chern als klimatischer Puffer zu wirken, global zu validieren. Gekoppelt mit dem externe Seite High Carbon Stock Approach, der wertvolle W?lder für Kohlenstoffspeicherung und Biodiversit?t klassifiziert, ist die Vegetationsh?hen-Karte eine wichtige Grundlage für die Erhaltung und St?rkung der ?kosysteme. Gem?ss Langs Berechnungen befindet sich bloss auf 5 Prozent der Landmasse Vegetation von mehr als 30 Metern H?he und nur 34 Prozent davon stehen in geschützten Gebieten.
Da die GEDI-Mission im Jahr 2023 beendet werden soll, bietet Langs neu entwickelter Ansatz die M?glichkeit auch zukünftig Vegetationsh?hen zu kartieren. Allerdings w?re eine Verl?ngerung der GEDI-Mission, über die zurzeit auch international in Medien diskutiert wird, wichtig, um die Daten mit zukünftigen Satellitenmissionen wie der externe Seite ESA Biomass Mission abzugleichen und das Modell auf Ver?nderungen zu kalibrieren.
Literaturhinweis
Lang, N, Jetz, W, Schindler, K, Wegner, JD. A high-resolution canopy height model of the Earth. Nature Ecology & Evolution, 28. September 2023, doi: externe Seite 10.1038/s41559-023-02206-6
Weitere Informationen
- externe Seite ?Global Canopy Height 2020?-Karte (Demo App)
- externe Seite ?Global Canopy? Projekt-Webseite
- Professur für Photogrammetrie und Fernerkundung