Austausch von Immunzellen begünstigt schwere Grippe
ETH-Forschende zeigen an M?usen, dass langlebige embryonale Makrophagen in der Lunge bei einer Infektion absterben und ersetzt werden durch entzündliche Makrophagen aus dem Knochenmark. Dieser Austausch findet auch ohne Infektion mit steigendem Alter statt und führt zu einem schweren Krankheitsverlauf bei Grippe.
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Infektionen der Lunge mit dem echten Grippevirus oder einem Coronavirus führen vor allem bei ?lteren Menschen h?ufiger zu einem schweren Krankheitsverlauf. Dabei kommt es zu einer überschiessenden Entzündungsreaktion, die das Lungengewebe sch?digt. Die genauen Ursachen sind noch nicht gekl?rt. Eine Rolle spielen Makrophagen, auch als Fresszellen des Immunsystems bekannt. Sie schütten entzündungsf?rdernde Botenstoffe aus und setzen so eine heftige Immunantwort in Gang.
Ein Team von Forschenden um Manfred Kopf, Immunologe und Professor für Molekulare Biomedizin an der ETH Zürich, konnte nun bei M?usen nachweisen, dass ursprünglich in der Lunge sesshafte Makrophagen, die aus der Embryonalzeit stammen, bei einer Infektion mit dem echten Grippevirus zusehends absterben und nach wenigen Tagen durch Makrophagen aus dem Knochenmark ersetzt werden. Je heftiger die Infektion, desto mehr embryonale Lungenmakrophagen sterben ab. Das berichteten die ETH-Immunolog:innen kürzlich im Fachmagazin externe Seite Science Immunology.
Unterschiede in Funktion und Krankheitsverlauf
Makrophagen dienen unter anderem der schnellen Abwehr von Krankheitserregern. Entwicklungsbiologisch werden sie grob in zwei Gruppen unterteilt: Bei Menschen und M?usen gibt es in allen Organen und Geweben sesshafte und langlebige Makrophagen, die schon w?hrend der Embryonalentwicklung in der f?talen Leber entstehen und für das jeweilige Gewebe spezifische Funktionen übernehmen. Die embryonalen Makrophagen in der Lunge sind am lebenswichtigen Sauerstoff-Kohlendioxid-Ausstausch beteiligt, der in den Lungenbl?schen abl?uft.
Die zweite Gruppe sind Makrophagen, die w?hrend der Blutbildung im Knochenmark entstehen und über die Blutbahn in ein Gewebe einwandern, wo sie zu einem gewebespezifischen Makrophagen ausreifen.
?Bislang dachte man, dass die aus dem Knochenmark stammenden Makrophagen die gleiche Funktion haben wie die aus der f?talen Leber stammenden Lungenmakrophagen. Und dass dies für alle Gewebe gilt?, erkl?ren Federica Piattini und Fengqi Li aus Kopfs Forschungsgruppe. Sie sind beide Erstautorinnen des Papers und haben diese Annahme nun wiederlegt. Vielmehr zeigen sie, dass sich die aus dem Knochenmark stammenden Makrophagen anders verhalten und sch?dlich sind bei einer viralen Lungeninfektion.
Die beiden Forscherinnen erzeugten zwei Gruppen von M?usen: Bei der einen stammten die Lungenmakrophagen aus der Embryonalzeit, bei der anderen kamen diese aus dem Knochenmark. Bei einer Infektion mit dem Influenza-Virus machten die M?use mit aus dem Knochenmark stammenden Lungenmakrophagen eine viel schwerere Erkrankung durch und starben. Ein Grund für den schweren Verlauf war, dass diese Makrophagen eine starke Entzündungsreaktion, genannt Zytokinsturm, verursachten.
Die Studienautor:innen schliessen daraus, dass die Herkunft der Makrophagen den Krankheitsverlauf massgebend bestimmt. Zudem konnten sie zeigen, dass Grippeinfektionen bei M?usen den Austausch von Lungenmakrophagen begünstigen.
Hinweise auf parallele Prozesse bei Covid-19
Laut den Forschenden ist ein Vergleich ihres Influenza-M?use-Experiments mit Coronavirus-Infektionen beim Menschen naheliegend und zul?ssig. ?Es gibt Hinweise auf parallele Prozesse bei Covid-19?, sagt Kopf. Eine frühere Studie berichtete, dass die embryonalen Lungenmakrophagen weitgehend erhalten blieben bei Covid-19 Patient:innen mit mildem Verlauf, w?hrend ein schwerer Verlauf mit entzündlichen Lungenmakrophagen aus dem Knochennark verknüpft wurde.
Die embryonalen Lungenmakrophagen scheinen aber nicht nur bei einer schweren viralen Infektion ersetzt zu werden. Kopfs Gruppe konnte zeigen, dass dieser Austausch auch bei alternden M?usen passiert, selbst wenn diese nie eine Infektion durchgemacht haben. Die Transplantation von Lungenmakrophagen aus alten in junge M?use bewirkte bei diesen einen schweren Grippeverlauf mit t?dlichem Ausgang.
Bekannterweise ist das Risiko für einen schweren Verlauf einer Influenza- oder Covid-19-Infektion bei alten Menschen deutlich erh?ht. ?Das hat sicherlich mehrere Ursachen?, konstatiert Kopf. Die neuen Daten deuteten aber darauf hin, dass der Verlust von embryonalen Makrophagen im Laufe des Lebens dazu beitr?gt.
Als N?chstes wollen der ETH-Professor und sein Team die molekularen Mechanismen des Sterbens der embryonalen Lungenmakrophagen studieren.
Literaturhinweis
Li F, Piattini F, Pohlmeier L, Feng Q, Rehrauer H, Kopf M. Monocyte-derived alveolar macrophages autonomously determine severe outcome of respiratory viral infection. Science Immunology (2022). doi: externe Seite 10.1126/sciimmunol.abj5761