Mit Algenshrimps die Umwelt schützen
Die steigende Nachfrage nach Fisch und Meeresfrüchten zerst?rt deren Best?nde und wertvolle ?kosysteme. Die Lebensmitteltechnologen und -chemiker Lukas B?cker und Severin Eder entwickeln deshalb im Rahmen ihres ?Pioneer Fellowship? Garnelen aus Mikroalgen.
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Weltweit werden immer mehr Fische und Meeresfrüchte, wie Muscheln und Garnelen, konsumiert – auch in der Schweiz: In den letzten 25 Jahren stieg der Konsum um rund 60 Prozent auf 75'000 Tonnen j?hrlich an. 97 Prozent sind importiert. Die Folgen sind bekannt: ?berfischung, Best?nde, die sich nicht mehr erholen k?nnen, Fisch- und Garnelenzuchten, welche Fisch als Futter einsetzen und dadurch die ?berfischung weiter anheizen und gleichzeitig ?kosysteme zerst?ren. Die ETH-Forscher Severin Eder und Lukas B?cker sind deshalb überzeugt: Es braucht schleunigst Alternativen, zum Beispiel basierend auf Mikroalgen.
Ungenutzter Superfood
Mikroalgen gelten als Superfood, weil sie reich an Proteinen, unges?ttigten Fetts?uren und Mikron?hrstoffen sind. Bei bestimmten Algenarten machen Proteine bis zu 70 Prozent der Trockenmasse aus. Zudem liefern sie praktisch alle für die menschliche Gesundheit essenziellen Aminos?uren und bilden die Basis vieler maritimer Nahrungsketten. Dies ist ein wichtiger Grund weshalb Fische und Meeresfrüchte als gesundes Lebensmittel gesch?tzt werden (obwohl sie auch Schwermetalle und Mikroplastik anreichern). Trotz der vielen ern?hrungsphysiologischen Qualit?ten sind Mikroalgen in der Lebensmittelindustrie nicht weit verbreitet, weil die Verarbeitungstechnologie noch in den Kinderschuhen steckt und nicht-pigmentierte, weisse Mikroalgen erst seit Kurzem in gr?sserer Menge verfügbar sind.
B?cker und Eder entwickeln derzeit eine Technologieplattform, mit welcher basierend auf Mikroalgen und durch geschicktes Beimischen von anderen Pflanzenproteinquellen wie Soja oder Erbsen Meeresfrüchte produziert werden k?nnen, die nicht nur geschmacklich, sondern auch ern?hrungsphysiologisch das Original abbilden sollen. ?Wir fokussieren uns auf Meeresfrüchte, weil es für pflanzenbasierten Fisch bereits bessere L?sungen gibt und die Entwicklung dort weiter fortgeschritten ist?, sagt Eder. Das erste Produkt sollen algenbasierte Garnelen werden. Die potenzielle K?uferschaft ist gross: 7000 Tonnen Garnelen verspeisen Herr und Frau Schweizer j?hrlich. Nur Thunfisch und Pangasius sind im hiesigen Menüplan beliebter. Sp?ter wollen die Jungunternehmer weitere Produkte hinzufügen, wie Jakobsmuscheln oder Krabbenfleisch.
Wissenssch?tze verbinden
Eder und B?cker haben sich w?hrend des Doktorats an der ETH kennengelernt. Sie forschten in unterschiedlichen Forschungsgruppen, aber auf demselben Stockwerk. B?cker bei Alexander Mathys, Professor für nachhaltige Lebensmittelverarbeitung, und Eder bei Laura Nystr?m, Professorin für Lebensmittel-Biochemie. Nach Kooperationen im Rahmen des Doktorats sahen sie Potenzial für eine l?ngerfristige Zusammenarbeit. ?Lukas forschte schon l?nger an der Verwendung von Mikroalgen für die Lebensmittelproduktion, und ich befasste mich mit der Chemie und alternativen Verwendungen von Abf?llen in der Lebensmittelindustrie? erz?hlt Severin Eder. ?Wir merkten bald, dass wir diese beiden Wissenssch?tze in Hinblick auf Seafood-Alternativen ideal kombinieren k?nnen.?
Nach Abschluss des Doktorats bewarben sie sich im August 2021 gemeinsam für eines der begehrten Pioneer-Fellowships, das ETH-Start-ups mit 150’000 Franken und Trainings dabei unterstützt, die eigene Gesch?ftsidee zur Marktreife weiterzuentwickeln. Kurz vor Heiligabend erhielten sie die Zusage, Mitte M?rz begannen sie mit der Arbeit im Labor der Gruppe von Alexander Mathys, der ihnen weiterhin beratend zur Seite steht. ?Das Beste an diesem Stipendium ist das Umfeld, die Infrastruktur und die Kontakte?, sagt B?cker. ?Alles, was wir für die Entwicklung unserer Gesch?ftsidee brauchen, ist vorhanden.?
Derzeit würden Garnelen-Alternativen noch ein wenig wie gelierte, salzige Gummib?rchen daherkommen, erz?hlt B?cker. Die gr?sste Herausforderung sei momentan, das spezifische Bissgefühl zu imitieren, welches auf die Struktur des Muskelfleisches zurückgehe. ?Wir experimentieren dafür mit unterschiedlichen verfahrenstechnischen Ans?tzen und biotechnologischen Methoden?, sagt B?cker. W?hrend Verfahren für die Verarbeitung von pflanzenbasierten Ausgangsstoffen mittlerweile Standard geworden sind, sei für Mikroalgen noch viel Pionierarbeit n?tig.
?Ich bin sicher, dass in zwei bis drei Jahren sehr viel mehr pflanzenbasierte Fisch- und Meeresfrüchte zu finden sind als heute.?Lukas B?cker
An den Fleischersatz-Markt anknüpfen
Die Jungunternehmer sind überzeugt: Sobald sie Geschmack, Textur und ern?hrungsphysiologisches Profil erreicht haben – das erkl?rte Ziel bis Ende Jahr – dann k?nnte es mit der Produktion und Markteinführung schnell voran gehen. ?Die Verfahren, um die Masse in Form eines Shrimps zu bringen, sind bekannt?, sagt Eder. In Frage kommt ein Extrusionsverfahren mit formgebenden Düsen, durch welche die Masse strukturiert und in Form gebracht wird. Durch den Boom von Fleischersatzprodukten, wie zum Beispiel Hackfleisch aus Sojaextrakt, g?be es heute bereits einen Absatzmarkt für Seafood-Alternativen, sagt Eder. Auch die Lieferketten und Vertriebskan?le sind bereits etabliert. ?Ich bin sicher, dass in zwei bis drei Jahren sehr viel mehr pflanzenbasierte Fisch- und Meeresfrüchte zu finden sind als heute?, prognostiziert B?cker.
Mittlerweile stehen auch in der Schweiz bereits erste Ersatzprodukte für Fisch und Meeresfrüchte bei Retailern in den Regalen. Ist die Konkurrenz also nicht schon viel zu weit, um eine eigene Produktlinie auf den Markt zu bringen? Die beiden Jungunternehmer winken ab: ?Durch die Mikroalgen in Kombination mit unserer technologischen Plattform erreichen wir nicht nur einen authentischen Geschmack und Biss, sondern auch die ern?hrungsphysiologischen Qualit?ten, die mit Fisch und Meeresfrüchten verbunden werden?, sagt Eder. Das bleibe auf absehbare Zeit einzigartig, ist er überzeugt.