Laser ermöglichen Internet-Backbone per Satellit
Optische Datenkommunikationslaser k?nnen trotz vieler st?render Luftturbulenzen mehrere Dutzend Terabit pro Sekunde übertragen. Dies haben Wissenschaftler der ETH Zürich gemeinsam mit europ?ischen Partnern zwischen dem Jungfraujoch und Bern gezeigt. Damit dürfte der kostspielige Bau von Tiefseekabeln schon bald nicht mehr n?tig sein.
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In Kürze
- Wissenschaftler der ETH Zürich haben in einem europ?ischen Horizon-?2020-Projekt eine optische Terabit-?Datenübertragung durch die Luft demonstriert.
- Erprobt haben die Projektpartner ihr Laser-?System nicht mit einem Satelliten im Orbit, sondern durch eine ?bertragung über 53 Kilometer vom Jungfraujoch nach Bern.
- Mit dieser Technologie lassen sich künftig Backbone-?Verbindungen über erdnahe Satelliten-?Konstellationen erstellen, die deutlich günstiger sind als Tiefsee-Kabel.
Das Rückgrat des Internets – den sogenannten Backbone – bildet ein dichtes Netzwerk aus Glasfaserkabeln, die jeweils bis zu mehr als hundert Terabit an Daten pro Sekunde (1 Terabit = 1012 digitale 1/0-Signale) zwischen den Netzknoten transportieren. Die Kontinente sind dabei durch die Tiefsee verbunden - und das ist enorm kostspielig: Ein einzelnes Kabel durch den Atlantik erfordert Investitionen von mehreren hundert Millionen Dollar. Das spezialisierte Beratungsunternehmen Telegeography z?hlt aktuell 530 aktive Unterseekabel. Tendenz steigend.
Schon bald dürfte dieser Aufwand aber nicht mehr n?tig sein. Wissenschaftler der ETH Zürich haben in einem europ?ischen Horizon-2020-Projekt gemeinsam mit Partnern aus der Raumfahrtindustrie eine optische Terabit-Datenübertragung durch die Luft demonstriert. Mit dieser werden künftig wesentlich kostengünstigere und auch viel schneller erstellbare Backbone-Verbindungen über erdnahe Satelliten-Konstellationen m?glich.
Anspruchsvolle Verh?ltnisse zwischen Jungfraujoch und Bern
Erprobt haben die Projektpartner ihr Laser-System allerdings nicht mit einem Satelliten im Orbit, sondern durch eine ?bertragung über 53 Kilometer vom Jungfraujoch nach Bern. ?Unsere Versuchsstrecke zwischen der Hochalpinen Forschungsstation auf dem Jungfraujoch und dem Zimmerwald Observatorium der Universit?t Bern ist aus Sicht einer optischen Datenübertragung wesentlich anspruchsvoller als zwischen einem Satelliten und einer Bodenstation?, erkl?rt Yannik Horst, der leitende Autor der Studie und Forscher an der ETH Zürich im Institute für elektromagnetische Felder unter Leitung von Professor Jürg Leuthold.
Der Laserstrahl musste sich auf dem ganzen Weg durch die dichte, bodennahe Atmosph?re bewegen. Dabei beeinflussten die vielf?ltigen Turbulenzen der Luftgase über dem verschneiten Hochgebirge, der Wasserfl?che des Thunersee, der dicht bebauten Agglomeration Thun und der Aare-Ebene die Bewegung der Lichtwellen und damit auch die Informationsübertragung. Wie stark dieses durch Thermikph?nomene ausgel?ste Flimmern der Luft die gleichm?ssige Bewegung von Licht st?rt, kann man an heissen Sommertagen von blossem Auge erkennen.
Satelliten-Internet nutzt langsamen Mikrowellenfunk
Internetverbindungen über Satelliten sind an sich nichts Neues. Der aktuell bekannteste Vertreter ist die Starlink-Konstellation von Elon Musk, die mit über 2000 erdnah kreisenden Satelliten Internet in fast jeden Winkel der Welt bringt. Um Daten zwischen Satelliten und Bodenstationen zu übertragen werden allerdings Funktechnologien verwendet, die wesentlich weniger leistungsf?hig sind. Sie funktionieren wie WLAN (Wireless Local Area Network) oder der Mobilfunk im Mikrowellenbereich des Frequenzspektrums und damit mit Wellenl?gen von einigen Zentimetern.
Optische Lasersysteme arbeiten demgegenüber im Bereich des nahen Infrarotlichts mit rund 10’000-mal kürzeren Wellenl?ngen von wenigen Mikrometern. Dadurch k?nnen sie auch entsprechend mehr Informationen pro Zeiteinheit transportieren.
Um auf grosse Entfernungen beim Empf?nger ein genügend starkes Signal zu erhalten, werden die parallelisierten Lichtwellen des Lasers durch ein Teleskop gesendet, das mehrere Dutzend Zentimeter Durchmesser haben kann. Dieser breite Lichtstrahl muss dann m?glichst genau auf ein Teleskop beim Empf?nger gezielt werden, dessen Durchmesser in der Gr?ssenordnung des empfangenen Lichtstrahls liegt.
Turbulenzen l?schen die modulierten Signale aus
Damit m?glichst hohe Datenraten erreicht werden, wird die Lichtwelle des Lasers zudem so moduliert, dass ein Empf?nger pro Schwingung mehrere unterscheidbare Zust?nde detektieren kann. Dadurch l?sst sich pro Schwingung jeweils mehr als ein Informations-Bit übertragen. In der Praxis wird mit unterschiedlichen H?hen (Amplituden) und Verschiebungen des Phasenwinkels der Lichtwelle gearbeitet. Jede Kombination von Phasenwinkel und Amplitudenh?he definiert dann ein unterschiedliches Informationssymbol. Mit einem 4x4-Schema lassen sich so 4 Bit pro Schwingung übertragen und mit einem 8x8-Schema 6 Bit.
Die wechselnden Turbulenzen der Luftteilchen führen nun dazu, dass die Lichtwellen im Inneren und an den R?ndern des Lichtkegels unterschiedlich schnell wandern. Im Detektor der Empfangsstation addieren oder subtrahieren sich dadurch die Amplituden und Phasenwinkel gegenseitig zu falschen Werten.
Spiegelchen korrigieren Wellenphase 1500-mal pro Sekunde
Um diese Fehler zu verhindern, lieferte der franz?sische Projektpartner einen sogenannten MEMS-Chip (Mikro-Elektro-Mechanisches System) mit einer Matrix aus 97 beweglichen Spiegelchen. Durch die Spiegelbewegungen l?sst sich die Phasenverschiebung des Strahls auf seiner Schnittfl?che entlang dem aktuell gemessenen Gradienten 1500-mal pro Sekunde korrigieren.
Unter dem Strich resultiert so eine Verbesserung der Signale um rund einen Faktor 500. Diese Verbesserung war essenziell, um eine Bandbreite von 1 Terabit pro Sekunde über eine Distanz von 53 Kilometern erreichen zu k?nnen, wie Horst betont.
Erstmals zum Einsatz kamen im Projekt zudem neue, robuste Lichtmodulationsformate. Sie erh?hen die Empfindlichkeit der Detektion massiv und erm?glichen dadurch selbst unter schlechtesten Wetterbedingungen oder bei geringen Laserleistungen hohe Datenraten. Erreicht wird dies durch ein geschicktes Codieren der Informations-Bits auf Eigenschaften der Lichtwelle wie Amplitude, Phase und Polarisation. ?Mit unserem neuen 4D-BPSK-Modulationsformat (Binary Phase-Shift Keying) kann ein Informations-Bit auch mit einer sehr kleinen Anzahl von nur rund vier Lichtteilchen am Empf?nger noch richtig erkannt werden?, erkl?rt Horst.
Insgesamt waren für den Erfolg des Projekts die spezifischen Kompetenzen von drei Partnern notwendig. Das franz?sische Raumfahrtunternehmen Thales Alenia Space beherrscht das zentimetergenaue Zielen mit Lasern über Tausende von Kilometern im Weltraum. Die ebenfalls franz?sische Luft- und Raumfahrtforschungsanstalt Onera verfügt über die Kompetenzen in MEMS-basierter adaptiver Optik, mit der die Effekte des Luftflimmern weitgehend eliminiert wurden. Und die für eine hohe Datenrate unerl?ssliche, m?glichst effektive Modulation der Signale, geh?rt zu den Spezialgebieten der Forschungsgruppe von Leuthold.
Problemlos auf 40 Terabit pro Sekunde ausbaubar
Die im Rahmen der European Conference on Optical Communication (ECOC) in Basel erstmals pr?sentierten Resultate des Versuchs sorgen weltweit für Furore, so Leuthold: ?Unser System bedeutet einen Durchbruch. Bisher gelang es nur, entweder grosse Distanzen mit kleinen Bandbreiten von wenigen Gigabit oder kurze Distanzen von wenigen Metern mit grossen Bandbreiten per Freilandlaser zu verbinden?.
Dazu kommt, dass die Leistung von 1 Terabit pro Sekunde mit einer einzigen Wellenl?nge erreicht wurde. In einer zukünftigen praktischen Anwendung l?sst sich das System mit Standardtechnologien problemlos auf 40 Kan?le und damit auf 40 Terabit pro Sekunde hochskalieren.
Zus?tzliches Potenzial für das neue Modulationsformat
Damit werden sich Leuthold und sein Team aber nicht mehr besch?ftigen. Die praktische Umsetzung in ein marktf?higes Produkt übernehmen die Industriepartner. Einen Teil der Arbeit werden die ETH-Wissenschaftler:innen allerdings weiterverfolgen. Das von ihnen entwickelte neue Modulationsformat dürfte künftig auch in anderen Datenübertragungsverfahren, bei denen die Energie der Strahlung zu einem begrenzenden Faktor werden kann, für eine Erh?hung der Bandbreiten sorgen.
Referenz
Yannik Horst, Bertold Ian Bitachon, Laurenz Kulmer, Jannik Brun, Tobias Blatter, Jean-Marc Conan, Aurélie Montmerle-Bonnefois, Joseph Montri, Béatrice Sorrente, Caroline B. Lim, Nicolas Védrenne, Daniel Matter, Loann Pommarel, Benedikt Baeuerle and Juerg Leuthold. Tbit/s line-rate satellite feeder links enabled by coherent modulation and full-adaptive optics. Light: Science & Applications (2023) 12 DOI: externe Seite https://doi.org/10.1038/s41377-023-01201-7