Spion im Bauch
Forschende der ETH Zürich und der Empa entwickelten ein Pflaster mit Sensorfunktion. Damit k?nnen nach einer Operation im Bauchraum Wunden verschlossen werden. Das Polymerpflaster warnt, bevor gef?hrliche Lecks an N?hten im Magen-Darm-Trakt entstehen.
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In Kürze
- Ein neues chirurgisches Pflaster für Operationen im Bauchraum verschliesst nicht nur die Wunde, sondern zeigt auch frühzeitig an, ob sich ein Leck bildet.
- Ein allf?lliges Leck l?sst sich mit Ultraschall und Computertomographie erkennen.
- Die Wissenschaftler:innen der ETH Zürich und Empa m?chten das Pflaster nun in die Klinik bringen.
Nach einer Operation am Magen oder Darm sind sie besonders gefürchtet: undichte Stellen an den N?hten, an denen der Inhalt des Verdauungstrakts in den Bauchraum rinnt. ?Auch heute stellen derartige Leckagen eine lebensgef?hrliche Komplikation dar?, erkl?rt Inge Herrmann, Professorin für Nanopartikul?re Systeme an der ETH Zürich und Forscherin an der Empa in St. Gallen.
Die Idee, vern?htes Gewebe in der Bauchh?hle im Anschluss mit einem Pflaster zu versiegeln, ist zwar bereits im Operationssaal angekommen. Doch die verwendeten Pflaster aus Eiweiss-haltigem Material l?sen sich beim Kontakt mit Verdauungss?ften zu schnell auf. Forschende aus der Gruppe von Herrmann haben daher zusammen mit Andrea Schlegel, Chirurgin am Universit?tsspital Zürich, neue L?sungen gesucht.
Die Wissenschaftler:innen entwickelten in den vergangenen Jahren ein Pflaster aus Polymeren, die ein Hydrogel bilden, also Flüssigkeit aufnehmen k?nnen. Die Polymere vernetzen sich dabei mit dem Darmgewebe und dichten die Wunde ab. Somit verhindert das Pflaster, dass die sauren Verdauungss?fte und keimbeladene Nahrungsrückst?nde aus dem Verdauungstrakt austreten und eine Bauchfellentzündung oder sogar eine lebensgef?hrliche Blutvergiftung ausl?sen.
Sensor reagiert auf S?ure und Enzyme
Nun sind die Forschenden noch einen Schritt weitergegangen: ?Chirurgen haben uns berichtet, dass sie zwar w?hrend eines noch so komplizierten Eingriffs das Operationsfeld genau im Blick haben – doch sobald die Bauchh?hle verschlossen ist, sei man ?blind? und bemerke Leckagen m?glicherweise erst, wenn es zu sp?t ist?, sagt Alexandre Anthis, Postdoc in der Gruppe von Herrmann und Mitentwickler des Pflasters.
?Das Darmpflaster-Projekt st?sst bereits jetzt auf grosses Interesse der ?rzteschaft.?Inge Herrmann
Die Forschenden haben ihr Pflaster daher mit nicht-elektronischen Sensoren ausgestattet, die bereits anzeigen, bevor Verdauungss?fte in die Bauchh?hle austreten k?nnen. Bei den Sensoren handelt es sich um ins Pflaster eingearbeitete Proteinstrukturen oder Salze, die entweder auf Ver?nderungen des pH-?Werts durch austretende Magens?ure oder auf bestimmte Enzyme des Darms reagieren. Kommen die Sensorelemente mit Verdauungss?ften in Berührung, ver?ndert sich ihre Struktur, was ?rzt:innen von ausserhalb des K?rpers mit bildgebenden Verfahren erkennen k?nnen.
Auff?llige Gestalt
Wie die Forschende in der jüngsten Ausgabe des Fachmagazins externe Seite Advanced Science berichten, ist es ihnen gelungen, die Sensorelemente so auszustatten, dass ihre Reaktion auch mittels Computertomographie (CT) erkennbar ist. Dies war m?glich, weil die Wissenschaftler:innen die Sensorelemente dank einer Kombination aus l?slichen Salzen und unl?slichem Tantaloxid in eine Form brachten, die im CT-Bild auff?llt. ?Bei Kontakt mit Verdauungsflüssigkeit ?ndert der Sensor seine Gestalt beispielsweise von einer gefüllten runden Fl?che zu einem Ring?, sagt Benjamin Suter, Doktorand in Herrmanns Gruppe und Erstautor der neuen Studie.
Die Sensorelemente entwickelten die Forschenden bereits in einer im vergangenen Jahr ver?ffentlichten Arbeit, damals noch ohne formver?ndernde Funktion. Ausserdem konnte man damals die Strukturver?nderung im Pflaster nach einer Sensorreaktion noch nicht mit CT, sondern ausschliesslich mittels Ultraschalls erkennen. Neu ist die Ver?nderung mit beiden Bildgebungsverfahren erkennbar.
?Ein Sensor, dessen Gestalt sich nun im CT- und Ultraschall-Bild deutlich von anatomischen Strukturen abhebt, k?nnte in Zukunft Unklarheiten bei der Diagnostik verhindern?, erkl?rt Herrmann. Das Darmpflaster k?nnte damit nicht nur das Risiko von Komplikationen nach einer Bauchoperation senken, sondern zudem Spitalaufenthalte verkürzen und Gesundheitskosten einsparen. ?Bereits jetzt st?sst das Darmpflaster-Projekt auf grosses Interesse der ?rzteschaft?, sagt die ETH-Professorin. Nun gelte es, die Anwendung der klinisch relevanten Innovation in der Praxis voranzutreiben.
Ausgezeichnete Jungforscher
Das Forscherteam gründet zur Zeit das Start-up externe Seite Veltist. Das künftige Medtech-Unternehmen will als Spin-off der ETH-Zürich und der Empa Materialien entwickeln und zur Marktreife bringen, die in der Chirurgie zu einem optimalen Wundverschluss und einer verbesserten Heilung beitragen sollen. Auf diese Weise m?chte es helfen, die gefürchteten Komplikationen einer Sepsis oder einer Bauchfellentzündung zu vermeiden. Nebst dem ?MaP 2022 Award? der ETH Zürich für die beste Dissertation im Bereich ?Materials and Processes? erhielt Alexandre Anthis zudem eines der begehrten ETH Pioneer Fellowships, sowie den Empa-Forschungspreis.
Dies ist eine gekürzte und ver?nderte Fassung einer externe Seite Medienmitteilung der Empa, verfasst von Andrea Six.
Literaturhinweis
Suter B, Anthis AHC, Zehnder AK, Mergen V, Rosendorf J, Gerken LRH, Schlegel AA, Korcakova E, Liska V, Herrmann IK: Surgical Sealant with Integrated ShapeMorphing Dual Modality Ultrasound and Computed Tomography Sensors for Gastric Leak Detection; Advanced Science, 5. Juni 2023, doi: externe Seite 10.1002/advs.202301207