ETH-Forschende untersuchen einen der dunkelsten Flüsse der Welt
Sie wollten den Kohlenstoffkreislauf des Kongobeckens erforschen und stiessen dabei auf einen der dunkelsten Schwarzwasserflüsse der Welt: den Ruki. Wie diese Schw?rze zustande kommt und was sie über den CO2-Haushalt des Flusssystems aussagt, beschreibt ein internationales Forschungsteam unter Federführung der ETH Zürich in der ersten Studie über den Dschungelstrom.
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In Kürze
- Der Ruki-Fluss im Kongo ist aufgrund seines hohen Gehalts an gel?sten organischen Stoffen einer der dunkelsten Schwarzwasserflüsse weltweit
- Die organische Substanz stammt vor allem aus der Waldvegetation.
- Torfmoore entlang des Flusses geben derzeit nur sehr wenig organisches Material in den Ruki ab, weil die Moore fast das ganze Jahr hindurch unter Wasser liegen.
Die Forschenden staunten, als sie auf den Ruki-Fluss stiessen: Das Wasser dieses Stromes, ein Nebenfluss des m?chtigen Kongo-Flusses, ist so dunkel, dass man die Hand vor Augen nicht mehr sieht. ?Die Farbe des Flusses hat uns tief beeindruckt?, sagt ETH-Forscher Travis Drake, der soeben mit Kollegen aus der Professur für Nachhaltige Agrar?kosysteme von Johan Six und weiteren Universit?ten eine externe Seite Studie über den Ruki-Fluss ver?ffentlicht hat.
Der Ruki, so zeigen Vergleiche mit anderen tropischen Str?men, ist m?glicherweise der schw?rzeste grosse Schwarzwasserfluss der Erde. Er ist jedenfalls dunkler als der berühmte Rio Negro im Amazonas. Das Wasser des Ruki ist so dunkel, weil er aufgrund seines geringen Gef?lles kaum Sedimente mitführt, dafür aber grosse Mengen an gel?sten organischen Stoffen.
Diese kohlenstoffhaltigen Substanzen gelangen vor allem mit dem Regenwasser in den Fluss. Der Regen f?llt auf abgestorbene Dschungelvegetation und l?st dabei organische Verbindungen aus totem Pflanzenmaterial. Zudem überflutet der Fluss in der Regenzeit den Wald. Das Wasser steht dann oft wochenlang hüfttief über dem Waldboden und fliesst nur sehr langsam ab. Dabei reichert es sich mit organischen Substanzen an. ?Der Ruki ist eigentlich Dschungeltee?, sagt Drake.
Torfreiche Moore und unberührter Regenwald
Nicht nur das dunkle Wasser ist etwas Besonderes. Der Ruki, der mit einer Breite von einem Kilometer in den Kongo mündet, ist als Ganzes einmalig. Noch immer ist sein Einzugsgebiet – mehr als viermal die Gr?sse der Schweiz – von einem ursprünglichen, unberührten Tiefland-Regenwald bedeckt. Entlang des Flusses liegen zudem grosse Torfmoore, die gigantische Mengen an abgestorbenem, nicht zersetztem Pflanzenmaterial enthalten, also bedeutende Kohlenstoffspeicher sind.
Trotz seiner Einmaligkeit und seiner Gr?sse wurde der Ruki wissenschaftlich noch nie untersucht. Zwar ist seit den 1930er Jahren bekannt, zu welcher Jahreszeit der Fluss wie viel Wasser führt, aber Daten zur chemischen Zusammensetzung gab es bisher nicht. So wurde bislang nicht erfasst und bestimmt, wie hoch der Gehalt an gel?sten organischen Kohlenstoffen (GOK) ist und vor allem woher diese stammen.
Drake und seine Kollegen haben deshalb 2019 beim Ort Mbandaka, kurz vor dem Zusammenfluss des Ruki mit dem Kongo, eine Messstelle eingerichtet und ein Jahr lang alle zwei Wochen die Abflussmengen und t?glich den Pegelstand gemessen.
?Unsere Messungen vor Ort mussten mit einfachen Mitteln erfolgen?, sagt Travis Drake. In Mbandaka gebe es keine permanente Stromversorgung, nur wenige Dieselgeneratoren, kaum andere Infrastruktur, nicht mal eine Bohrmaschine, um die Pegelstandsmesslatte montieren zu k?nnen. ?Da muss man ?fters improvisieren?, schmunzelt er.
Was Wasserproben über den Ruki verraten
Zusammen mit der Messung der Abflussmengen wurden jeweils Wasserproben entnommen und zur Analyse ins Labor an die ETH Zürich geschickt. In den Proben bestimmten die Forschenden die Menge an GOK sowie anhand von radioaktivem Kohlenstoff, der in den GOK eingebaut ist, wie alt die organischen Stoffe sind. Damit wollten die Forschenden unter anderem herausfinden, ob der Torf entlang des Flusses Kohlenstoff freisetzt und früher oder sp?ter zu CO2 zersetzt wird.
Die Forscher untersuchen das Wasser, weil es Kohlenstoff-Signaturen aus dem gesamten Einzugsgebiet enth?lt, was Rückschlüsse auf Herkunft und Landnutzung erlaubt. Der Vorteil der Wasseruntersuchung: ?Wir müssen nur an einer Stelle Proben nehmen, um Auskunft über ein riesiges Gebiet zu erhalten. Wie wenn ein Arzt eine Blutprobe entnimmt, um den Gesundheitszustand eines Patienten zu beurteilen?, sagt der Mitautor der Studie, Matti Barthel.
Unerforschte Hydrologie
Die Analysen best?tigten den visuellen Eindruck: ?Der Ruki ist eines der GOK-reichsten Flusssysteme der Welt?, betont Barthel. Sein Wasser enth?lt viermal mehr organische Kohlenstoffverbindungen als das des Kongos und 1,5-mal mehr als das Wasser des Rio Negro im Amazonas.
Und obwohl das Einzugsgebiet des Ruki nur ein Zwanzigstel des gesamten Kongobeckens ausmacht, liefert der Fluss ein Fünftel des im Kongo vorhandenen gel?sten organischen Kohlenstoffs.
Dabei handelt es sich in der Regel um organische S?uren, die den pH-Wert des Flusswassers senken, es also saurer machen. Das führt zu einer h?heren Ausgasung von Kohlendioxid (CO2), da die S?uren Karbonate im Wasser aufl?sen und dabei CO2 freisetzen. ?Die CO2-Emissionen im gesamten Einzugsgebiet des Ruki betrachtet, sind ziemlich hoch, aber vergleichbar mit anderen tropischen Flüssen?, erkl?rt Drake. Dies liege daran, dass der Ruki tr?ge fliesse. Dadurch kann das im Wasser gel?ste CO2 nicht so leicht entweichen. ?W?re der Fluss turbulent, würden wir h?here Emissionen beobachten?, sagt der Forscher.
Die Analyse der Kohlenstoffisotope hat zudem gezeigt, dass der Grossteil des Kohlenstoffs aus der Waldvegetation und nicht aus dem Torf stammt, so Drake weiter. Nur w?hrend eines kurzen Zeitfensters, am Ende der Regenzeit in den Monaten M?rz bis April, wenn die Abflussspitze bereits gebrochen ist, finden die Forschenden Hinweise darauf, dass die Torfmoore Kohlenstoff ins Wasser abgeben. Warum das ausgerechnet zu diesem Zeitpunkt und wie es geschieht, ist unklar. ?Insgesamt ist aber sehr wenig Torf im Fluss zu sehen?, sagt Drake. ?Und das ist eine gute Nachricht. Das heisst n?mlich auch, dass die Torfmoore stabil sind.?
Zurzeit herrsche auch keine Gefahr, dass dieses organische Material freigesetzt wird, weil die Torfmoore fast das ganze Jahr hindurch unter Wasser liegen und dadurch dem Sauerstoff entzogen werden. Allerdings haben Firmen ein Auge auf natürliche Ressourcen des Ruki-Beckens geworfen. Ver?nderungen in der Landnutzung, zum Beispiel die Rodung von W?ldern, k?nnten das Abflussregime des Flusses ver?ndern. Dadurch k?nnten Torfmoore trockenfallen und dann von Bakterien zersetzt werden. Dabei würde sehr viel CO2 freigesetzt. ?Die Torfmoore im Kongo-Becken speichern rund 29 Milliarden Tonnen Kohlenstoff?, gibt Barthel zu bedenken. ?Für das Klima ist es besser, wenn sie nass bleiben.?
Langj?hriges Forschungsprojekt
Johan Six und seine Gruppe untersuchen seit 2008 den Kohlenstoffkreislauf des Kongo-Beckens. Dieses ist eines der bedeutendsten tropischen Flusssysteme der Erde. Der Kongo transportiert grosse Mengen an Kohlenstoff ins Meer. Beeinflusst wird der Kohlenstoffkreislauf durch die Vegetation des Einzugsgebiets und die Landnutzung. Auf den Ruki stiessen die Forscher bei einer Erkundungstour, auf welcher sie den Kohlenstoffkreislauf – die Biogeochemie - des Kongobeckens untersuchen wollten.
Nach dem Abstecher an den Ruki erforschen die Wissenschafler:innen weitere Nebenflüsse des Kongo, zum Beispiel den Kasa? oder den Fimi-Fluss. So setzen sie das Kohlenstoff-Puzzle Stück für Stück zusammen.
Literaturhinweis
Drake TW, Barthel M, Mbongo Ekemba C, et al. Hydrology drives export and composition of carbon in a pristine tropical river, Limnography and Oceanography, 13 October 2023, doi: externe Seite 10.1002/lno.12436