Logistiktool der ETH spart IKRK Millionen

Krieg in der Ukraine und im Gazastreifen, der B¨¹rgerkrieg im Jemen oder der Konflikt im Sudan: Weltweit sind Millionen von Menschen von Kriegen und Konflikten betroffen. Das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) setzt sich f¨¹r diese Menschen ein und versorgt sie mit medizinischen G¨¹tern in Sanit?tseinrichtungen. Dies ist eine komplexe Aufgabe, bei der es immer wieder zu Lieferengp?ssen und Problemen kommt.

Denn von der Zentrale in Genf gelangen die G¨¹ter ¨¹ber Logistikzentren und Zwischenlager in die entsprechenden Krisengebiete. Diese Lieferketten stellen hohe Anforderungen an die Logistikabteilung des IKRK: Sie muss antizipieren, wie viele medizinische Hilfsg¨¹ter wann und wo gebraucht werden und diese G¨¹ter rechtzeitig beschaffen und verteilen.

Um die Qualit?t der medizinischen Versorgung w?hrend humanit?rer Krisen zu erh?hen, hat das IKRK in den letzten drei Jahren mit ETH-?Professor Stephan Wagner und Bublu Thakur-?Weigold von der Professur f¨¹r Logistikmanagement der ETH Z¨¹rich zusammengearbeitet. Gemeinsam mit den Logistikerinnen und Logistikern des IKRK haben die Forschenden einen Lagerbestandsrechner und ein Planungsverfahren entwickelt, welche die Verteilung medizinischer G¨¹ter in Konfliktgebieten deutlich verbessert.  

3,6 Millionen Schweizer Franken eingespart

Das IKRK hat das Tool 2023 an zw?lf Standorten in Afrika (Nigeria, Zentralafrikanische Republik, Nairobi, S¨¹dsudan, ?thiopien), im Nahen und Mittleren Osten (Jemen, Libanon, Afghanistan) und in der Ukraine eingef¨¹hrt. Die Lagerbest?nde an medizinischen Produkten konnten um 24 Prozent reduziert werden, ohne dass die Qualit?t der Versorgung darunter gelitten h?tte.

Das IKRK sparte sich dadurch 3,6 Millionen Schweizer Franken in Bezug auf potenziell abgelaufene Lagerbest?nde. Im Logistikzentrum des IKRK in Sana'a im Jemen beispielsweise senkten die Logistikerinnen und Logistiker des IKRK die Lagerbest?nde von CHF 2,5 Millionen auf CHF 0,99 Millionen, was auch die Kosten f¨¹r die Vorratshaltung und Entsorgung abgelaufener G¨¹ter reduzierte.

Mit dem Lagerbestandsrechner realistischer planen

Vor der Zusammenarbeit mit den ETH-Forschenden planten die Logistikerinnen und Logistiker des IKRK ihre Lagerbest?nde auf der Grundlage der durchschnittlichen Jahresbedarfs. Ihre Planungssoftware ber¨¹cksichtigte dabei zu wenig, wie stark die Nachfrage nach bestimmten G¨¹tern und deren Lieferzeiten schwankten. Dies f¨¹hrte immer wieder zu ?berlastungen und Engp?ssen in der Lieferkette.

Der neue Lagerbestandsrechner, den die ETH-Forschenden auf der Grundlage einer Berechnungsmethode aus der Logistikforschung entwickelten, ?nderte dies grundlegend: ?Durch die Zusammenarbeit mit der ETH Z¨¹rich haben wir herausgefunden, wie stark die Nachfrage und die Lieferzeiten f¨¹r unterschiedliche Produkte schwanken. Der Lagerbestandsrechner erm?glichte uns f¨¹r jedes Produkt das optimale Gleichgewicht zwischen gew¨¹nschtem Versorgungslevel und n?tigem Lagerbestand zu ermitteln?, sagt Samah El Sayed, die f¨¹r das IKRK die globalen Lieferketten koordiniert und massgeblich am Projekt mit der ETH beteiligt war. Dadurch konnte das IKRK seine Dienstleistungen besser auf seine Ressourcen abstimmen und ?berlastungen in der Lieferkette verhindern.

Ein transparentes Logistiksystem

Das IKRK integrierte das Planungstool der ETH-Forschenden in die bestehende Logistiksoftware. Die Planung von Bestellmengen und Lagerbest?nden ist nun ein datengetriebener Prozess. Bei zuverl?ssig lieferbaren Medizing¨¹tern mit konstanter Nachfrage, wie zum Beispiel Schmerztabletten, konnte das IKRK weiterhin einen hohen Versorgungsgrad von 98 Prozent gew?hrleisten.

Bei G¨¹tern, deren Lieferzeiten und Nachfrage stark schwankten, f¨¹hrte dieses Level jedoch zu hohen Lagerbest?nden, die sie sich das IKRK nicht leisten konnte. Auf der Basis des Lagerbestandsrechners entschieden sich die Logistikerinnen und Logistiker des IKRK daher, die Lagerbest?nde f¨¹r diese unsicheren G¨¹ter zu reduzieren: In Zukunft sollten nur mehr 85 Prozent der Nachfrage sofort gedeckt werden k?nnen, bis sich die Nachfrage stabilisiert.

Auch f¨¹r andere humanit?re Organisationen relevant

Neben den konkreten, finanziellen Einsparungen f¨¹hrte der neue Planungsprozess zu einer besseren Koordination zwischen den Logistikteams des IKRK und dem Gesundheitspersonal vor Ort. Da die Versorgung mit medizinischen G¨¹tern zuverl?ssiger wurde, hatten die Teams in den Gesundheitszentren einen Anreiz, ihre Prognosen zu verbessern.  Dies erleichterte auch die Arbeit der Logistikteams, was wiederum die Qualit?t der Versorgung mit medizinischen G¨¹tern verbesserte.

?Mit dem neuen Ansatz konnten wir unseren Partnern in den Gesundheitseinrichtungen klar zeigen, bei welchen G¨¹tern wir welche Risiken ¨¹bernehmen w¨¹rden. Dies f¨¹hrte dazu, dass sie sich nicht mehr nur auf unsere Lagerbest?nde verliessen und ihre eigene Planung verbesserten?, sagt El Sayed. Und Ruben Naval Artal, der Leiter der Logistikabteilung des IKRK, f¨¹gt hinzu: ?Das ETH-Tool hat den Logistikplanern des IKRK dabei geholfen, die Finanzkrise des IKRK besser zu bew?ltigen."

Die Ergebnisse der Zusammenarbeit zwischen dem IKRK und der ETH Z¨¹rich lassen sich auch f¨¹r andere humanit?re Organisationen anwenden, die vor ?hnlichen Herausforderungen stehen.