Lasst Bachelors zuerst arbeiten!
Haben Sie sich in den letzten fünf Jahren weitergebildet? Wenn nicht, liegt das wohl auch am Bildungssystem und seinen starren Abschlüssen, sagt Lukas Sigrist.
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Ein Drittel der Schweizerinnen und Schweizer hat sich in den letzten fünf Jahren nicht weitergebildet. Das zeigt eine Umfrage des Bundesamtes für Statistik. Als Grund nennen die Befragten Zeitmangel, die famili?re Beanspruchung oder die Kosten. Für mich zeigen diese Zahlen, dass sich das bisherige Modell der Weiterbildung weiterentwickeln muss.
Das bisherige Modell ist gepr?gt von eher l?nger dauernden, in sich geschlossenen Weiterbildungsprogrammen (Master, Diploma oder Certificate of Advanced Studies). In den vergangenen Jahren ist das Angebot der School for Continuing Education der ETH Zürich wenig überraschend am st?rksten bei dem kürzesten Format, dem Certificate of Advanced Studies (CAS) gewachsen. Der gleiche Trend l?sst sich auch schweizweit beobachten. CAS-Programme lassen sich gut mit einer beruflichen T?tigkeit oder famili?ren Verpflichtungen unter einen Hut bringen. Und zum Teil lassen sie sich Stück für Stück – oder CAS für CAS – zu einem h?heren Abschluss kumulieren. Dass sogar noch kürzere Formate zu sehr spezifischen Fachthemen gefragt sind, zeigt die aktuelle Diskussion in der Europ?ischen Union rund um sogenannte ?Microcredentials?.
In Zukunft – so meine These – werden solche Gef?sse und Formate aber sowieso eine untergeordnete Rolle spielen. Die (Weiter)Bildung wird zeitlich nicht mehr in abgegrenzten Gef?ssen stattfinden, sie wird viel mehr ein Kontinuum von Lernleistungen, in welchem fehlendes Wissen und Kompetenzen gezielt nach Bedarf erg?nzt werden. Eine solche Weiterbildung k?me dem Begriff ?lebenslanges Lernen? n?her als das bisherige Modell.
Denkt man dieses Konzept zu Ende, wird sich auch das Grundstudium ver?ndern müssen.
?Es macht dann keinen Sinn mehr, den Grossteil des Fachwissens eines Gebietes in einem Bachelor und Masterstudium zu Beginn der Karriere zu vermitteln. ?Lukas Sigrist
Wir wissen schon seit Jahren, dass ein Studienabschluss nicht mehr fürs ganze Berufsleben reicht. Aus dem Anspruch, wonach das vorhandene Wissen und vorhandene Kompetenzen ab und zu erg?nzt und erweitert werden sollen, ist die Weiterbildung geboren. Wenn aus dem ?ab und zu? künftig ein ?kontinuierlich? wird, verliert auch das bisherige Modell des ?Frontloadings? seine Berechtigung. Es macht dann keinen Sinn mehr, den Grossteil des Fachwissens eines Gebietes in einem Bachelor und Masterstudium zu Beginn der Karriere zu vermitteln.
Der Bachelor als Eintrittsticket in den Arbeitsmarkt
Vielmehr müssen wir uns auf die ursprüngliche Idee von Bologna zurückbesinnen: Der Bachelorabschluss soll das Eintrittsticket in den Arbeitsmarkt werden, Masterstudieng?nge sind bereits eine Spezialisierung und nur für eine ausgew?hlte Gruppe von Personen als weiterführendes Studium wirklich sinnvoll. Ein Masterstudium w?re in einer solchen Zukunft kein fester Teil der Grundausbildung mehr. Bei den Fachhochschulen ist diese Sichtweise bereits heute Realit?t, an universit?ren Hochschulen sind solche Tendenzen ebenfalls erkennbar.
Manche m?gen einwenden, dass ein Grundstudium seine fachliche Basis und dadurch seine Qualit?t verliert, wenn man es kürzt. Diese Argumentation greift aber nur, wenn ein Grundstudium als isolierte und abgeschlossene Einheit – und die Weiterbildung als Option betrachtet wird, die zum Einsatz kommt, wenn jemand Wissenslücken hat. Wenn wir jedoch davon ausgehen, dass es keine lückenlosen Ausbildungen mehr geben wird und Weiterbildung zur kontinuierlichen Norm wird, ver?ndert sich das Bild. Dann verwischen sich lediglich die Grenzen: Ob ein Programm zur Ausbildung oder doch eher zur Weiterbildung z?hlt, wird dann keine so wichtige Rolle mehr spielen. Und eine kontinuierliche Bildung, die fliessend in das Arbeitsleben übergeht, hat auch ihre Vorteile. Denn die Qualit?t einer Ausbildung bemisst sich schon heute nicht nur an der Quantit?t des Wissens, sondern auch daran, wie es angewendet werden kann.
Weiterbildungsforum 2024 am 23. April
Wie sieht die Zukunft der Weiterbildung aus? Diese Frage diskutieren Expert:innen am Weiterbildungsforum 2024 der School for Continuing Education, darunter die Managerin und ETH-Alumni-Pr?sidentin Jeannine Pilloud, Professor Ulf-Daniel Ehlers von der dualen Hochschule Baden-Württemberg und die Swissuni-Pr?sidentin Christina Cuonz.
Es begrüsst der ETH-Pr?sident Jo?l Mesot. Rektor Günther Dissertori h?lt das Schlusswort.
Das Weiterbildungsforum der ETH Zürich richtet sich prim?r an Dozierende der ETH Zürich, insbesondere an jene, die in der Weiterbildung der ETH Zürich engagiert sind oder sich dafür interessieren, ein Weiterbildungsprogramm oder einen Kurs anzubieten. Interessierte von ausserhalb der ETH sind aber willkommen.