Für die Behandlung von Multipler Sklerose braucht es verl?ssliche Langzeitdaten über den individuellen Krankheitsverlauf. Fitness-Tracker und Handys k?nnen diese Daten liefern, wie Forschende unter der Leitung der ETH Zürich nun zeigen.
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In Kürze
- Damit ?rzt:innen Patient:innen mit Multipler Sklerose (MS) eine passende Therapie vorschlagen k?nnen, sind sie auf verl?ssliche Angaben zu Beschwerden und zum Krankheitsverlauf angewiesen.
- Forschende zeigen, dass sich diese Informationen aus den Daten von Sportuhren und Smartphones herauslesen lassen.
- Die Wissenschafler:innen schlagen vor, solche digitalen Marker für die Therapie von MS zu berücksichtigen.
Multiple Sklerose (MS) ist eine tückische Krankheit. Patientinnen und Patienten leiden darunter, dass ihr Immunsystem die eigenen Nervenfasern angreift, wodurch diese Nervensignale langsamer weiterleiten. Betroffene erleiden vielf?ltige – leichte bis schwere – Beeintr?chtigungen ihrer Motorik und ihrer Sinneswahrnehmungen. So individuell die Auspr?gungen und Verl?ufe der Krankheit sind, so individuell ist auch der Umgang damit. Damit ?rztinnen und ?rzte wirksame Therapien empfehlen k?nnen, befragen sie Patienten regelm?ssig zu ihren Beschwerden und zum Krankheitsverlauf.
Aus der Erinnerung berichten
Die Patienten haben dabei die schwierige Aufgabe, aus dem Ged?chtnis Auskunft über ihr Befinden und ihre Leistungsf?higkeit in den vergangenen Wochen und Monaten geben zu müssen. Die so erhobenen Daten k?nnen deshalb ungenau und unvollst?ndig sein. Denn die Patienten k?nnen sich in ihren Erinnerungen irren oder sich bei ihren Antworten von sozialen Erwartungen beeinflussen lassen. Und weil diese Antworten einen erheblichen Einfluss darauf haben, wie ?rzte den Krankheitsverlauf erfassen, k?nnte es auch zu Fehlbehandlungen kommen.
??rztinnen und ?rzte würden davon profitieren, wenn sie Zugang h?tten zu verl?sslichen Langzeitmessungen der Gesundheitsparameter ihrer Patienten. Diese Daten zeigen ein genaues und umfassenden Bild vom Zustand der Patienten?, erkl?rt Shkurta Gashi. Sie ist Erstautorin einer neuen Studie und Postdoc in den Gruppen der ETH-Professoren Christian Holz und Gunnar R?tsch am Departement Informatik sowie Fellow des ETH AI Centers.
Zusammen mit Kolleginnen und Kollegen von der ETH Zürich, dem Universit?tsspital und der Universit?t Zürich zeigt Gashi nun, dass Puls- und Sportuhren sowie Smartphones solche verl?sslichen Langzeitdaten in einer hohen zeitlichen Aufl?sung liefern k?nnen. Ihre Studie ist in der Fachzeitschrift externe Seite NPJ Digital Medicine erschienen.
Digitale Marker für MS
Die Forschenden statteten Freiwillige mit einer Fitnessuhr aus. Von diesen Personen hatten 55 MS, 24 waren gesunde Kontrollpersonen. W?hrend zwei Wochen sammelten die Wissenschaftler:innen Daten dieser Fitnessuhr und von den Smartphones der Studienteilnehmenden. Anschliessend werteten sie diese Daten statistisch und mittels maschinellen Lernens aus, um zu ermitteln, welche dieser Daten für die ?rzte nützlich sind.
Als besonders aussagekr?ftig erwiesen sich dabei Daten zur k?rperlichen Aktivit?t und zum Puls: Je geringer die k?rperliche Aktivit?t und der Puls, desto st?rker beeintr?chtigt und müder waren die Studienteilnehmenden.
?Durch die Kombination der Daten der Sportuhren und der Smartphones k?nnen wir gut zwischen Gesunden und MS-Erkrankten unterscheiden.?Shkurta Gashi
Die H?ufigkeit der Smartphone-Nutzung lieferte weitere wichtige Informationen zu Leistungsf?higkeit und Ermüdung: Je seltener die Testpersonen ihr Handy benutzen, desto st?rker waren sie ermüdet, so die Folgerung. Rückschlüsse auf die motorischen F?higkeiten gewannen die Forschenden durch einen spiel?hnlichen Test auf dem Smartphone. In dem vor wenigen Jahren an der ETH entwickelten Test müssen die Proband:innen eine virtuelle Person durch m?glichst schnelles Tippen auf den Bildschirm dazu bringen, sich m?glichst schnell fortzubewegen. Aus der Tippgeschwindigkeit und deren Ver?nderungen im Laufe des Tests k?nnen die Forschenden auf die motorischen F?higkeiten der Proband:innen schliessen.
?Durch die Kombination der Daten der Sportuhren und der Smartphones k?nnen wir gut zwischen Gesunden und MS-Erkrankten unterscheiden?, erkl?rt Gashi.
Zuverl?ssiger Ansatz
Mit dem neuen Ansatz k?nnen MS-Betroffene in ihrem Alltag einfach und unkompliziert verl?ssliche und nützliche Langzeitdaten sammeln. Die Forschenden gehen davon aus, dass sich durch diese Daten die Qualit?t der Behandlung verbessert: Auf einer umfassenden, pr?ziseren und zuverl?ssigeren Datenbasis k?nnen Fachpersonen besser entscheiden und gegebenenfalls früher als bisher wirksame Therapien vorschlagen. Ausserdem k?nnen Fachleute durch die Auswertung der Patientendaten die Wirksamkeit von Therapien überprüfen.
Ihre Daten haben die Wissenschaftler:innen nun anderen Forschenden zug?nglich gemacht. Sie weisen darauf hin, dass es eine gr?ssere Studie und mehr Daten braucht, um verl?ssliche Modelle für die automatische Datenauswertung zu entwickeln. Solche Modelle k?nnten in Zukunft erm?glichen, dass MS-Patienten dank Daten von Fitnesstrackern und dem Smartphone eine deutliche Verbesserung ihres Lebens erfahren.
Das Projekt wurde unterstützt vom externe Seite Swiss Data Science Center sowie der Initiative externe Seite Personalised Health & Related Technologies des ETH-Rats.
Multiple Sklerose
Multiple Sklerose (MS) ist eine chronische Erkrankung des zentralen Nervensystems, die das Gehirn und das Rückenmark betrifft. Es handelt sich um eine Autoimmunerkrankung, bei der das Immunsystem gesundes Gewebe angreift – in diesem Fall die Myelinscheiden, der Isolationsschicht der Nervenfasern. Die Myelinscheiden erm?glichen eine schnelle und effiziente ?bertragung der elektrischen Signale zwischen den Nervenzellen. Ist die Myelinschicht besch?digt oder zerst?rt, werden die Signale langsamer oder gar nicht weitergeleitet.
Die Symptome von MS sind vielf?ltig und h?ngen davon ab, welche Bereiche des Nervensystems betroffen sind. Sie reichen von Müdigkeit und Taubheitsgefühlen in Armen oder Beinen über Sehst?rungen bis hin zu schweren Koordinationsproblemen und L?hmungen. Die Krankheit verl?uft bei jedem Betroffenen anders, was die Diagnose und Behandlung erschwert. MS ist nicht heilbar, aber verschiedene Therapieans?tze k?nnen dazu beitragen, die Symptome zu lindern und die Lebensqualit?t der Betroffenen zu verbessern. ?rztinnen und ?rzte diagnostizieren MS derzeit in erster Linie durch Hirnscans mit hochaufl?sender Magnetresonanztomographie (MRI) sowie verschiedene medizinische Tests, um andere Krankheiten auszuschliessen.
Literaturhinweis
Gashi S, Oldrati P, Moebus M, Hilty M, Barrios L, Ozdemir F, PHRT Consortium, Kana V, Lutterotti A, R?tsch G, Holz C: Modeling multiple sclerosis using mobile and wearable sensor data. NPJ Digital Medicine, 11. M?rz 2024, doi: externe Seite 10.1038/s41746-024-01025-8