Neues Gel baut Alkohol im Körper ab

ETH-Forschende haben ein Protein-Gel entwickelt, das Alkohol im Magen-Darm-Trakt abbaut, ohne dem K?rper dabei zu schaden. In Zukunft k?nnten Menschen, die das Gel einnehmen, die gesundheitssch?digende und berauschende Wirkung von Alkohol reduzieren.

Ein Man sitzt an einem Tisch in einer Bar. In der einen Hand hat er ein Glas mit einer braunen Flüssigkeit, in der anderen Hand hält er ein Schälchen mit einem weissen Gel.
Das Gel k?nnte verhindern, dass der Blutalkoholspiegel steigt. (Bild: Adobe Stock, mit KI bearbeitet)

In Kürze

  • ETH-Forschende haben ein Gel aus Molkenproteinfasern entwickelt, das Alkohol im Magen mit Hilfe einzelner Eisenatome in harmlose Essigs?ure umwandelt, bevor er ins Blut gelangt.
  • Sie zeigten bei M?usen, dass das Gel den Blutalkoholspiegel um bis zu fünfzig Prozent reduziert und den K?rper vor gesundheitlichen Sch?den schützt.
  • Für eine Anwendung am Menschen sind aber noch weitere Tests notwendig. Die Forschenden sind aber zuversichtlich, dass dies gelingt und haben bereits ein Patent für das Gel beantragt.

Alkohol gelangt gr?sstenteils über die Magenschleimhaut und den Darm ins Blut. Die Folgen davon sind heute unbestritten: Bereits geringe Mengen an Alkohol beintr?chtigen die Konzentrations- und Reaktionsf?higkeit und erh?hen das Unfallrisiko. Wer regelm?ssig gr?ssere Mengen trinkt, schadet seiner Gesundheit: Lebererkrankungen, Entzündungen im Magen-Darm-Trakt oder Krebs sind h?ufige Folgen. Laut Weltgesundheitsorganisation sterben j?hrlich an die 3 Millionen Menschen an überm?ssigen Alkoholkonsum.

ETH-Forschende haben nun ein Protein-Gel entwickelt, das Alkohol bereits im Magen-Darm-Trakt abbaut. In einer kürzlich in der Fachzeitschrift ?Nature Nanotechnology? erschienenen Studie zeigen sie an M?usen, dass das Gel Alkohol schnell, effizient und direkt in harmlose Essigs?ure umwandelt, bevor dieser ins Blut gelangt und dort seine berauschende und gesundheitssch?digende Wirkung entfaltet.

Gesundheitssch?den durch Alkohol verringern

?Das Gel verlagert den Alkoholabbau von der Leber in den Verdauungstrakt. Im Gegensatz zum Alkoholstoffwechsel in der Leber entsteht dabei aber nicht das sch?dliche Zwischenprodukt Acetaldehyd?, erkl?rt Raffaele Mezzenga, Professor für Lebensmittel und weiche Materialien an der ETH Zürich. Acetaldehyd ist giftig und für viele Gesundheitssch?den verantwortlich, die durch überm?ssigen Alkoholkonsum entstehen.

Das Gel k?nnte daher in Zukunft vor oder w?hrend des Alkoholkonsums oral eingenommen werden, um zu verhindern, dass der Blutalkoholpegel steigt und Acetaldehyd den K?rper sch?digt. Im Unterschied zu vielen am Markt erh?ltlichen Produkten bek?mpft das Gel also nicht nur die Symptome des sch?dlichen Alkoholkonsums, sondern auch seine Ursachen. Das Gel ist aber nur wirksam, solange sich noch Alkohol im Magen-Darm-Trakt befindet und kann deshalb bei Alkoholvergiftungen nicht mehr helfen, wenn der Alkohol sich bereits im Blut befindet. Auch hilft es nicht dabei, den Alkoholkonsum generell zu reduzieren. ?Es ist gesünder gar keinen Alkohol zu trinken. Das Gel k?nnte aber vor allem für Menschen interessant sein, die nicht ganz auf den Genuss verzichten m?chten, aber ihren K?rper nicht belasten wollen und nicht an der Wirkung des Alkohols interessiert sind?, h?lt Mezzenga fest.

Vergr?sserte Ansicht: Die Darstellung zeit wie der Alkohol via das Protein-Gel im Magen oder Darm abgebaut wird. Ohne das Protein-Gel gelangt der Alkohol über das Blut in die Leber und wird dort abgebaut.
Alkoholabbau im K?rper mit und ohne neues Gel. (Grafik: ETH Zürich / Adobe Stock)

Hauptbestandteile: Molke, Eisen und Gold

Für die Herstellung des Gels verwendeten die Forschenden gew?hnliche Molkenproteine. Diese wurden mehrere Stunden gekocht, sodass sich daraus lange, dünne Fasern bildeten. Fügt man anschliessend Salz und Wasser als L?sungsmittel hinzu, vernetzen sich die Fasern zu einem Gel. Der Vorteil eines Gels gegenüber anderen Verabreichungsformen ist, dass es sehr langsam verdaut wird. Damit das Gel den Alkohol abbauen kann, braucht es aber noch mehrere Katalysatoren.

Als Hauptkatalysator setzten die Forschenden auf einzelne Eisenatome, die sie gleichm?ssig über die Oberfl?che der langen Proteinfasern verteilten. ?Wir tauchten die Fasern quasi in ein Eisenbad, sodass sie wirksam mit dem Alkohol reagieren und ihn in Essigs?ure verwandeln k?nnen?, sagt ETH-Forscherin Jiaqi Su, die Erstautorin der Studie. Um diese Reaktion im Magen auszul?sen, sind winzige Mengen an Wasserstoffperoxid n?tig. Diese werden durch eine vorgelagerte Reaktion zwischen Glucose und Goldnanopartikel erzeugt. Die Forschenden entschieden sich für Gold als Katalysator für Wasserstoffperoxid, da das Edelmetall nicht verdaut wird und daher l?nger im Verdauungstrakt wirksam ist. All diese Substanzen – Eisen, Glukose und Gold – packten die Forschenden in das Gel. Damit erm?glichten sie eine mehrstufige Kaskade aus enzymatischen Reaktionen, bei der am Ende Alkohol in Essigs?ure verwandelt wird.

Bei M?usen funktioniert das Gel

Die Forschenden testeten die Wirksamkeit des neuen Gels an M?usen, denen einmalig Alkohol verabreicht wurde und an M?usen, die zehn Tage lang regelm?ssig Alkohol erhielten. Dreissig Minuten nach der einmaligen Alkoholabgabe senkte die prophylaktische Anwendung des Gels den Alkoholpegel der M?use um vierzig Prozent. Fünf Stunden nach Alkoholaufnahme war ihr Blutalkoholspiegel im Vergleich zur Kontrollgruppe gar um 56 Prozent gesunken. Dabei sammelte sich bei diesen M?usen das sch?dliche Acetaldehyd weniger an und die Stressreaktionen der Leber wurden deutlich gemildert, was sich in besseren Blutwerten widerspiegelte.

Bei den M?usen, die 10 Tage lang Alkohol erhielten, konnten die Forschenden neben einem niedrigeren Alkoholpegel zudem eine anhaltende, therapeutische Wirkung des Gels nachweisen: Die M?use, die zus?tzlich zum Alkohol t?glich das Gel bekamen, zeigten einen deutlich geringeren Gewichtsverlust, weniger Lebersch?den und damit einen besseren Fettstoffwechsel in der Leber sowie bessere Blutwerte. Auch andere Organe wie die Milz oder der Darm sowie das Gewebe der M?use wiesen deutlich weniger durch Alkohol verursachte Sch?den auf.

Zum Patent angemeldet

Dass Eisen mit Alkohol zu Essigs?ure reagierte, entdeckten die Forschenden bereits in einer früheren Studie zur Verabreichung von Eisen durch Molkenproteinfasern. Da dieser Prozess damals zu langsam und zu schwach war, ?nderten sie die Form, mit der sie das Eisen an den Proteinfasern anbrachten. ?Anstatt gr?sserer Nanopartikel entschieden wir uns für einzelne Eisenatome, die sich gleichm?ssiger auf der Oberfl?che der Fasern verteilen lassen und daher wirksamer und schneller mit dem Alkohol reagieren?, erkl?rt ETH-Professor Mezzenga.

Die Forschenden haben bereits ein Patent für das Gel beantragt. Bis es für Menschen zugelassen wird, sind aber noch einige klinische Tests notwendig. Da die Forschenden aber bereits belegt haben, dass Molkenproteinfasern aus denen das Gel besteht, essbar sind, sind sie zuversichtlich, dass auch dieser Schritt gelingen wird.

Literaturhinweis

Su J, Wang P, Zhou W, Peydayesh M, Zhou J, Jin T, Donat F, Jin C, Xia L, Wang K, Ren F, Van der Meeren P, García de Arquer P, and Mezzenga R. Single-site iron-anchored amyloid hydrogels as catalytic platforms 1 for alcohol detoxification. Nature Nanotechnology. DOI: externe Seite 10.1038/s41565-024-01657-7

Kontakt

Raffaele Mezzenga

ETH Zürich
Schweiz

Franziska Schmid
Medienstelle

ETH Zürich
Schweiz

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