Schokolade mit vollem Kakaofruchtgehalt
Forschende der ETH Zürich entwickelten gemeinsam mit der Industrie eine Kakaofruchtschokolade. Sie hilft die Wertsch?pfung des Kakaoanbaus zu erh?hen und ist erst noch gesünder.
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In Kürze
- ETH-Forschende haben eine Schokolade entwickelt, die nachhaltiger und n?hrstoffreicher ist als herk?mmliche Schokolade.
- Durch die Verwendung eines Kakaogelees als Ersatz für Kristallzucker kann der Zuckergehalt reduziert und der N?hrwert der Kakaofruchtschokolade verbessert werden.
- Die neue Schokoladenrezeptur hat zudem das Potenzial, die Einkommensquellen von Kleinbauern zu diversifizieren.
Schokolade ist für viele Menschen ein süsser Genuss. Hauptbestandteile sind Kakaomasse und Kakaobutter, die aus der Kakaofrucht gewonnen werden. Weniger bekannt ist, dass die Kakaofrucht weitere wertvolle Inhaltsstoffe enth?lt, die bisher kaum genutzt werden. Forschende der ETH Zürich haben nun zusammen mit der Schokoladeindustrie untersucht, wie sie m?glichst viel von der Kakaofrucht verwenden k?nnen, um die Wertsch?pfung des Kakaoanbaus zu erh?hen und gleichzeitig die Schokolade gesünder zu machen. Im Rahmen eines Innosuisse-Projekts entwickelten die Forschenden um den emeritierten ETH-Professor Erich Windhab zusammen mit dem Start-up Koa, das sich für eine verantwortungsvolle Wertsch?pfung der Kakaofrucht einsetzt, und dem Schweizer Schokoladenhersteller Felchlin die Rezeptur für eine Kakaofruchtschokolade.
Die perfekte Rezeptur finden
Kim Mishra, Hauptautor der in externe Seite Nature Food ver?ffentlichten Studie, vergleicht die Kakaofrucht mit einer l?nglichen Honigmelone: ?Die Früchte sind ?hnlich aufgebaut. Beide haben eine harte ?ussere Schicht. Schneidet man sie auf, sieht man das Fruchtfleisch und im Inneren die Kakaobohnen beziehungsweise die Melonenkerne und die Pulpe.? W?hrend bei herk?mmlicher Schokolade nur Bohnen verarbeitet werden, verwendeten die Forschenden für die Kakaofruchtschokolade auch das Fruchtfleisch und Teile der Fruchtschale, in der Fachsprache Endokarp genannt. Sie verarbeiteten es zu einem Pulver und vermengten es mit einem Teil der Pulpe zu einem Gelee. Dieses ist extrem süss und ersetzt in der Kakaofruchtschokolade den normalerweise zugefügten Kristallzucker.
Die perfekte Rezeptur für die Kakaofruchtschokolade zu finden, war für die Forschenden allerdings nicht einfach. Im Labor testeten sie systematisch die Konsistenz der verschiedenen Zusammensetzungen. Zu viel des aus der Pulpe gewonnenen Fruchtsafts l?sst die Schokolade verklumpen, zu wenig davon macht sie nicht genügend süss. Daher mussten die Forschenden die goldene Mitte aus Süsse und Konsistenz finden. Mit Kristallzucker stellt sich das Problem des Verklumpens nicht. Bei den Experimenten zeigte sich: Man kann einer Schokolade maximal 20 Prozent Gelee beifügen, was von der Süsskraft einer Schokolade mit etwa 5 bis 10 Prozent Kristallzucker entspricht. Zum Vergleich: Einer herk?mmlichen Zartbitterschokolade werden schnell 30 bis 40 Prozent Kristallzucker beigesetzt.
In einer Sensorik-Studie degustierten geschulte Panelisten der Berner Fachhochschule Schokoladestücke à fünf Gramm, von denen die einen mit unterschiedlichen Mengen Kristallzucker und die anderen mit dem neu entwickelten Kakaogelee gesüsst waren. ?So konnten wir die Süsskraft unserer Rezeptur, ausgedrückt in Kristallzucker?quivalenten, empirisch ermitteln?, sagt Mishra.
Gesund, nachhaltig und gut für die Bauern
Die Kakaofruchtschokolade hat dank des als Süssungsmittel verwendeten Kakaogelees einen h?heren Nahrungsfasergehalt (Ballaststoffen) als eine durchschnittliche Europ?ische dunkle Schokolade (15 Gramm gegenüber 12 Gramm pro 100 Gramm). Zudem enth?lt sie nur 23 Gramm ges?ttigte Fetts?uren gegenüber 33 Gramm einer durchschnittlichen Europ?ischen dunklen Schokolade. Das heisst, die ETH-Forschenden konnten den Nahrungsfasergehalt um rund 20 Prozent erh?hen und gleichzeitig den Anteil an ges?ttigten Fetts?uren um rund 30 Prozent senken. ?Nahrungsfasern sind physiologisch wertvoll, weil sie die Darmaktivit?t auf natürliche Weise regulieren und den Blutzuckerspiegel beim Verzehr von Schokolade weniger schnell ansteigen lassen. Ges?ttigte Fetts?uren k?nnen im ?bermass ein Gesundheitsrisiko darstellen. Es besteht ein Zusammenhang zwischen dem erh?hten Konsum ges?ttigter Fetts?uren und einem erh?hten Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen?, ordnet Mishra die Resultate ein.
Wenn nicht nur die Kakaobohnen für die Schokoladenproduktion vermarktet werden, sondern auch weitere Bestandteile der Frucht, k?nnen die Kleinbauern ihre Produktpalette diversifizieren und ihr Einkommen erh?hen. Wird ein Grossteil der Frucht für die neue Kakaofruchtschokolade genutzt, bleibt nur noch die Fruchtschale übrig, die traditionell vor allem als Brennmaterial verwendet oder kompostiert wird. ?Die Bauern k?nnten also neben dem Handel mit Kakaobohnen auch den Saft aus der Pulpe sowie das Endokarp trocknen, es zu Pulver mahlen und verkaufen?, erkl?rt Mishra. ?Damit k?nnten sie insgesamt drei Wertsch?pfungsstr?me generieren. Und wenn die Wertsch?pfung der Kakaofrucht h?her ist, ist dies auch nachhaltiger.?
Dennoch wird man die Kakaofruchtschokolade nicht so bald bei uns im Laden kaufen k?nnen. ?Wir haben zwar gezeigt, dass unsere Schokolade attraktiv und sensorisch vergleichbar ist?, sagt Mishra. ?Doch nun muss erst einmal die gesamte Wertsch?pfungskette vervollst?ndigt werden, angefangen bei den Kakaobauern, die Trocknungsanlagen ben?tigen. Erst wenn vom Lebensmittel verarbeitenden Betrieb genug Pulver hergestellt wird, kann die Kakaofruchtschokolade in gr?sserem Massstab durch einen Schokoladenproduzenten hergestellt und vermarktet werden.? Ein erster Schritt ist getan: Die Rezeptur für die Kakaofruchtschokolade wurde von der ETH zum Patent angemeldet. Insgesamt ist die Entwicklung der Kakaofruchtschokolade ein vielversprechendes Beispiel dafür, wie Technologie, Ern?hrung, Umweltvertr?glichkeit und Einkommensdiversifizierung für Kleinbauern zusammenwirken k?nnen, um die gesamte Wertsch?pfungskette des Kakaos zu verbessern.
Literaturhinweis
Mishra K, Green A, Burkard J, Windhab E, et. al.: Valorisation of cocoa pod side streams improve nutritional and sustainability aspects of chocolate. Nature Food, 21. Mai 2024, doi: externe Seite 10.1038/s43016-024-00967-2