Goldmembran entlockt Oberflächen ihre Geheimnisse
Mittels einer speziellen hauchdünnen Goldmembran haben ETH-Forschende die Untersuchung von Oberfl?chen deutlich erleichtert. Damit lassen sich nun Oberfl?cheneigenschaften messen, die mit herk?mmlichen Methoden unzug?nglich sind.
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In Kürze
- Oberfl?chen lassen sich mit herk?mmlichen Methoden wie der Raman-Laserspektroskopie nur schwer untersuchen, da die Signale sehr schwach sind.
- ETH-Forschende haben eine Goldmembran entwickelt, die – auf ein Material aufgebracht – das Raman-Signal der Oberfl?che bis tausend Mal verst?rkt.
- In Zukunft k?nnten die Goldmembranen für bestimmte Oberfl?chen optimiert und so die Signalst?rke nochmals deutlich erh?ht werden.
?Die Oberfl?che hat der Teufel gemacht? – dieser Satz wird dem theoretischen Physiker Wolfang Pauli zugeschrieben, der viele Jahre an der ETH Zürich lehrte und 1945 für seine Arbeiten zur Quantenmechanik den Nobelpreis erhielt. Tats?chlich haben Forschende mit Oberfl?chen ihre liebe Mühe. Einerseits sind sie sowohl in der belebten als auch der unbelebten Natur sehr wichtig, andererseits ist es aber mitunter teuflisch schwierig, sie mit herk?mmlichen Nachweismethoden zu studieren.
Nun hat ein interdisziplin?res Team von Materialwissenschaftlern und Elektroingenieuren um Lukas Novotny, Professor für Photonik an der ETH Zürich, zusammen mit Kollegen der Humboldt-Universit?t zu Berlin ein Verfahren entwickelt, das die Charakterisierung von Oberfl?chen in Zukunft deutlich erleichtern wird. Die Ergebnisse ihrer Arbeit, die auf dem Einsatz einer hauchdünnen Goldmembran basiert, haben sie kürzlich im Wissenschaftsjournal externe Seite Nature Communications ver?ffentlicht.
Oberfl?chen wichtig für Funktionalit?t
?Ob es um Katalysatoren, Solarzellen oder Batterien geht – Oberfl?chen sind für deren Funktionalit?t immer extrem relevant?, sagt Roman Wyss, ehemaliger Doktorand in Materialwissenschaften und Erstautor der Studie, der jetzt beim ETH Startup Enantios forscht. Diese Relevanz rührt daher, dass sich die wichtigen Prozesse in der Regel an Grenzfl?chen abspielen. Bei Katalysatoren geht es um die chemischen Reaktionen, die an deren Oberfl?chen beschleunigt werden. Für Batterien wiederum sind die Oberfl?cheneigenschaften der Elektroden für deren Effizienz und Langzeitverhalten entscheidend.
Zur nichtdestruktiven Untersuchung von Materialeigenschaften – also ohne das Material dabei zu besch?digen – benutzen Forschende seit vielen Jahren die Raman-Spektroskopie. Dabei wird ein Laserstrahl auf das Material gerichtet, und das zurückgeworfene Licht wird analysiert. Aus den Eigenschaften des reflektierten Lichts, dessen Frequenzspektrum durch die Vibrationen der Moleküle im Material ver?ndert wurde, lassen sich sowohl Rückschlüsse auf die chemische Beschaffenheit des untersuchten Objekts ziehen – man spricht von einem chemischen Fingerabdruck – als auch mechanische Effekte wie etwa Verspannungen nachweisen.
Goldmembran mit winzigen Poren
?Das ist eine sehr m?chtige Methode, die sich aber nur begrenzt auf Oberfl?chen anwenden l?sst?, sagt Sebastian Heeg, der als Postdoktorand bei Lukas Novotny an den Experimenten beteiligt war und mittlerweile an der Humboldt-Universit?t eine Nachwuchsgruppe leitet. Da das Laserlicht bei der Raman-Spektroskopie einige Mikrometer tief in das Material eindringt, wird das Frequenzspektrum haupts?chlich vom Materialinneren beeinflusst und nur zu einem sehr geringen Teil von der wenige Atomschichten dicken Oberfl?che.
Um die Raman-Spektroskopie auch für Oberfl?chen nutzbar zu machen, entwickelten die ETH-Forschenden eine spezielle Goldmembran, die nur 20 Nanometer dick ist und etwa hundert Nanometer grosse l?ngliche Poren enth?lt. Bringt man eine solche Membran auf eine zu untersuchende Oberfl?che auf, so geschieht zweierlei: Zum einen hindert die Membran den Laserstrahl daran, in das Materialinnere vorzudringen. Zum anderen wird aber dort, wo sich die Poren in der Goldmembran befinden, das Laserlicht konzentriert und nur wenige Nanometer tief in die Oberfl?che abgestrahlt.
Tausendfache Signalverst?rkung
?Die Poren wirken als so genannte plasmonische Antennen – ganz ?hnlich wie die Antenne in einem Mobiltelefon?, sagt Heeg. Die Antennenwirkung verst?rkt das Raman-Signal der Materialoberfl?che gegenüber dem Signal der herk?mmlichen Raman-Spektroskopie ohne Membran bis zu tausend Mal. Heeg und seine Kolleg:innen konnten dies unter anderem am Beispiel von verspanntem Silizium sowie an dem Perowskit-Kristall Lanthan-Nickeloxid (LaNiO3) eindrucksvoll demonstrieren.
Verspanntes Silizium ist für Anwendungen in Quantentechnologien wichtig, doch bislang konnte die Verspannung nicht mittels Raman-Spektroskopie untersucht werden, da das von der Oberfl?che erzeugte Signal im Hintergrundrauschen der Messung unterging. Nachdem die Goldmembran aufgebracht worden war, wurde das Verspannungs-Signal selektiv so stark erh?ht, dass es klar von den anderen Raman-Signalen des Materials unterschieden werden konnte.
Das metallische Perowskit Lanthan-Nickeloxid wiederum ist ein wichtiges Material für die Herstellung von Elektroden. ?Die starke Kopplung zwischen seiner Kristallstruktur und elektrischen Leitf?higkeit erm?glichen es, durch Ver?nderung der Elektrodendicke im Nanometerbereich die Leitf?higkeit zu kontrollieren. Die Oberfl?chenstruktur, so vermutet man, spielt dabei eine essenzielle Rolle?, sagt Mads Weber, ehemaliger Postdoc an der ETH Zürich und jetzt Assistenzprofessor an der Universit?t Le Mans, der diese Materialklasse erforscht und ebenfalls an der Studie beteiligt war. Dank der neuen Goldmembran-Methode waren die Forschenden nun erstmalig in der Lage, einen Einblick in die Oberfl?chenstruktur von Lanthan-Nickeloxid zu erhalten.
?Unser Ansatz ist auch im Hinblick auf Nachhaltigkeit interessant, da bereits bestehende Raman-Apparate so ohne grossen Aufwand ganz neue F?higkeiten erhalten?, sagt Heeg. In Zukunft wollen die Forschenden ihre Methode weiter verbessern und an die Bedürfnisse der Anwender anpassen. So sind zum Beispiel die Poren in der Goldmembran derzeit unterschiedlich gross und unregelm?ssig angeordnet. Durch das Herstellen von Membranen mit parallel angeordneten Poren gleicher Gr?sse k?nnte die Methode für bestimmte Materialien optimiert und so die Raman-Signalst?rke nochmals hundertfach erh?ht werden.
Literaturhinweis
Wyss RM, Kewes G, Marabotti P et al. Bulk-suppressed and surface-sensitive Raman scattering by transferable plasmonic membranes with irregular slot-shaped nanopores. Nature Communications 15, 5236 (2024). Doi: externe Seite 10.1038/s41467-024-49130-2